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Eine zukunftsfähige Wirtschaft braucht eine gesunde Umwelt

Die Umwelt bildet unsere Lebens- und Wirtschaftsgrundlage. Sie sollte daher im Zentrum unseres Handelns stehen. Ein umweltgerechtes Wirtschaftsmodell ist die Kreislaufwirtschaft.

Eine zukunftsfähige Wirtschaft braucht eine gesunde Umwelt

Kreislaufwirtschaft: Reparieren und aufpeppen statt wegwerfen. (Bild: Keystone)

Landdegradation in der Sahelzone, Wasserknappheit in Bangladesch sowie Luftverschmutzung in China: Dass Umweltprobleme existieren und dass etwas dagegen unternommen werden muss, wird von kaum jemandem bestritten. Doch in jüngster Zeit haben sich die weltweiten Umweltveränderungen in rasantem Tempo ausgeweitet. Angesichts des zunehmenden Drucks auf die Umwelt genügt es nicht mehr, wie bisher zu leben und zu wirtschaften und lediglich punktuell im Sinne der Umwelt zu «korrigieren». Vielmehr bildet die Umwelt als Ganzes die zentrale Grundlage unseres Lebens und Wirtschaftens. Wenn wir langfristig effizient wirtschaften und unseren Wohlstand erhalten wollen, müssen wir dies berücksichtigen.

Ökosysteme werden zunehmend instabil

Vermehrte Umweltbelastungen haben dazu geführt, dass bestimmte ökologische Grenzen der Erde bereits überschritten werden. Dies kann die Stabilität der Ökosysteme gefährden. Die neusten Forschungsergebnisse zu den planetaren Belastbarkeitsgrenzen legen nahe, dass mit unserer heutigen Lebens- und Wirtschaftsweise sechs von neun der planetaren Grenzen überschritten werden (siehe Abbildung).[1] Dies umfasst neben dem Klimawandel unter anderem auch Landnutzungsänderungen, etwa durch Abholzung, sowie den Verlust an Biodiversität. Diese Überschreitungen tragen beispielsweise zum Artenrückgang bei: Gemäss der Internationalen Union zum Schutz der Natur (IUCN) sind mehr als 44’000 Arten vom Aussterben bedroht, darunter 41 Prozent der Amphibien, 37 Prozent der Haie und Rochen, 26 Prozent der Säugetiere und 12 Prozent der Vögel.

Durch die Überschreitung der planetaren Belastbarkeitsgrenzen besteht ein Risiko für immense und irreversible Umweltveränderungen, welche sich negativ auf die Lebensbedingungen der Weltbevölkerung auswirken. Beispielsweise gehen mit dem Klimawandel auch Extremwetterereignisse wie Stürme, Hitzewellen und Dürren einher. Zusätzlich erhöhen weitere Faktoren, wie der Biodiversitätsverlust oder die intensivere Landnutzung, das Risiko von Erdrutschen und Überflutungen. Während diese Phänomene in der Geschichte unseres Planeten deutlich seltener waren, sind sie für uns zu einer neuen Realität geworden. Die Folgen sind nicht nur für die Umwelt gravierend, sie prägen auch unsere Gesellschaft und das künftige Wirtschaften. Dies kann erhebliche volkswirtschaftliche Kosten nach sich ziehen.[2]

Sechs von neun planetaren Belastbarkeitsgrenzen sind überschritten (Stand 2023)

Quelle: Basierend auf Richardson et al. (2023) / Die Volkswirtschaft

Die Grenzen des heutigen Wirtschaftens

Gemäss renommierten Wissenschaftlern wie dem schwedischen Resilienzforscher Johan Rockström besteht kein Zweifel daran, dass die planetaren Belastbarkeitsgrenzen als sicherer Handlungsspielraum für die Menschheit berücksichtigt werden müssen. Dennoch fehlt in der ökonomischen Theorie nach wie vor eine umfassende Integration dieser Grenzen.[3] Die Oxford-Ökonomin Kate Raworth betont, dass die heutigen Wirtschaftsmodelle den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts nicht gerecht werden.[4] Andere Wirtschaftswissenschaftler argumentieren, dass der Markt oft komplexe Probleme nicht lösen kann, wie Informationsasymmetrien, negative externe Effekte oder die Übernutzung von natürlichen Ressourcen. So sind beispielsweise Konsumenten aufgrund von Informationsasymmetrien nicht immer ausreichend über negative Umweltauswirkungen eines Produkts informiert. Dies kann dazu beitragen, dass sie ihren Konsum nicht (genügend) anpassen.

Hinzu kommt, dass das gegenwärtige Wirtschaftssystem – auch in der Schweiz[5] – vorwiegend linear funktioniert: Rohstoffe werden abgebaut, zu Produkten verarbeitet, die verkauft, genutzt und schliesslich entsorgt werden. Diese «Wegwerfwirtschaft» führt zu erheblichen Emissionen, zur Verknappung wertvoller Rohstoffe, und sie produziert beträchtliche Abfallmengen, die wiederum Umweltbelastungen verursachen. Durch die aktuelle Wirtschaftsweise lebt die Weltgemeinschaft deutlich über den Verhältnissen der Erde. Global gesehen verbraucht die Menschheit heute Ressourcen in der Grössenordnung von rund 1,7 Erden. Würde man den Verbrauch der Schweiz auf die Weltbevölkerung hochrechnen, wären es sogar 2,8 Erden.[6]

Der Übergang zu ganzheitlich nachhaltigen Strukturen ist herausfordernd. Das gilt auch auf Unternehmensebene. Einerseits neigen erfolgsorientierte Unternehmen genauso wie Menschen dazu, kurzfristige Ziele über langfristige Strategien zu stellen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn langfristig positive Strategien und Ziele kurzfristige Einbussen bedingen. Andererseits zeigen Unternehmensbefragungen, dass viele Firmen die potenziellen Risiken von Umweltveränderungen für ihr eigenes Geschäft und Einkommen erheblich unterschätzen.[7]

Wertvolle natürliche Ressourcen werden knapper

Die Nutzung und insbesondere die Übernutzung natürlicher Ressourcen kann entlang der gesamten Wertschöpfungskette gravierende Umweltauswirkungen nach sich ziehen. Der weltweit steigende Ressourcenverbrauch belastet die Klimastabilität und die Ökosysteme zunehmend. Ausserdem können knapper werdende Ressourcen und schwankende Rohstoffpreise zu erheblichen wirtschaftlichen und sozialen Verwerfungen führen.[8]

Obwohl viele Länder, darunter auch die Schweiz, natürliche Ressourcen zunehmend effizient nutzen, nimmt die globale Umweltbelastung weiter zu. Gründe dafür sind: die gestiegene Wirtschaftsleistung, das Wachstum der Weltbevölkerung sowie ungenügende Schritte zur Transformation von Konsum und Produktion. Insgesamt sind die Weltgemeinschaft und auch die Schweiz[9] noch weit von einer nachhaltigen Ressourcennutzung entfernt.

Es wird deutlich, dass die Steigerung der Ressourceneffizienz – das heisst weniger Umweltbelastung im Verhältnis zum BIP – allein nicht genügt. Vielmehr muss es gelingen, die Umweltbelastung nicht nur marginal, sondern deutlich zu senken. Dabei ist es wichtig, den Fokus auf Ressourcenschonung zu legen. Letztlich müssen wir unseren Konsum auf einen umweltverträglichen Ressourcenverbrauch reduzieren.[10]

Das Potenzial der Kreislaufwirtschaft

Einen wichtigen Beitrag zur Reduktion des Ressourcenverbrauchs und anderer Umweltbelastungen kann die Kreislaufwirtschaft leisten. Sie zielt darauf ab, Rohstoffe, Materialien und Produkte möglichst lange zu nutzen und die Stoffkreisläufe so zu schliessen, dass die Ressourcen im Kreislauf bleiben. Dies senkt den Material- und den Energieverbrauch ebenso wie die Abfallerzeugung, den Ausstoss klimaschädlicher Gase und die Nutzung von natürlichen Ressourcen.[11]

Für Unternehmen weisen kreislauffähige Geschäftsmodelle den Weg, um sowohl ökologisch schonend als auch ökonomisch effizient zu produzieren. Dadurch können sie beispielsweise Energie- und Materialkosten sparen und sich so in einer Welt mit steigenden Produktionskosten und eingeschränkter Ressourcenverfügbarkeit einen Wettbewerbsvorteil erarbeiten. Des Weiteren können sie von neuen Investitionsmöglichkeiten profitieren, Arbeitsplätze sichern oder sogar schaffen, und sie werden unabhängiger von Lieferketten und Preisschwankungen. [12]

Für die Schweiz als rohstoffarmes Land ist der zirkuläre Ansatz auch unter dem Gesichtspunkt der Ressourcen- und Versorgungssicherheit interessant. Der Transformationsprozess auf Unternehmensebene ist jedoch noch nicht weit fortgeschritten – erst etwa zehn Prozent der Schweizer Unternehmen sind substanziell in der Kreislaufwirtschaft tätig (Stand 2021).[13] Die Voraussetzungen für eine beschleunigte Transformation sind in der Schweiz allerdings günstig. Als eines der innovativsten Länder der Welt könnte die Schweiz komparative Vorteile nutzen, um zirkuläre Massnahmen effizient umzusetzen und dadurch Wettbewerbsvorteile zu generieren.

Das Bundesamt für Umwelt (Bafu) setzt sich daher in Zusammenarbeit mit anderen Ämtern und Akteuren für die Förderung der Kreislaufwirtschaft ein. So sollen etwa gemeinsame Projekte mit dem Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) aufzeigen, welches die Erfolgsfaktoren für Unternehmen bei der Etablierung von kreislauffähigen Geschäftsmodellen sind. Ziel davon ist es, kreislauffähige Geschäftsmodelle zu verbreiten. Die Chancen zum Handeln sind vorhanden. Letztlich werden sowohl die Wirtschaft als auch die Umwelt davon profitieren.

  1. Siehe Richardson et al. (2023). []
  2. Siehe Lee et al. (2023). []
  3. Siehe Sureth, Kalkuhl, Edenhofer und Rockström (2023). []
  4. Siehe Raworth (2017). []
  5. Siehe Stucki und Wörter (2022). []
  6. Siehe Overshoot.footprintnetwork.org[]
  7. Siehe u. a. Loew et al. (2021). []
  8. Siehe Oberle et al. (2019). []
  9. Siehe u. a. EBP und Treeze (2022). []
  10. Siehe u. a. Oberle et al. (2019). []
  11. Siehe u. a. Systemiq und Ellen MacArthur Foundation (2017). []
  12. Siehe u. a. VDI Zentrum Ressourceneffizienz (2018); Systemiq und Ellen MacArthur Foundation (2017). []
  13. Stucki und Wörter (2022). []

Literaturverzeichnis

Bibliographie

Zitiervorschlag: Anja Siffert (2024). Eine zukunftsfähige Wirtschaft braucht eine gesunde Umwelt. Die Volkswirtschaft, 20. Februar.