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Im Handel enthaltene Emissionen – eine Spurensuche

Die Schweiz importiert mehr Treibhausgasemissionen, als sie exportiert. Daran würde auch ein globaler CO2-Preis nichts ändern. Wollte die Schweiz die Treibhausgasimporte über Importverbote oder -quoten künstlich senken, käme sie das teuer zu stehen.
In der Schweiz wird viel konsumiert. Daher importieren wir viele Treibhausgase, die bei der Produktion im Ausland anfallen. (Bild: Keystone)

Jeden Tag passieren Waren im Wert von mehreren Milliarden Franken die Schweizer Landesgrenze. Davon profitieren sowohl die Schweizer Unternehmen wie auch die Konsumentinnen. Neben ihrer volkswirtschaftlichen Bedeutung haben diese Güterströme allerdings auch eine Klimakomponente. Zum Beispiel bei den Importen: In fast allen Gütern sind implizit Treibhausgasemissionen enthalten, welche im Ausland bei der Herstellung und dem Transport angefallen sind.

Wie viele Treibhausgase sind im Schweizer Aussenhandel enthalten, und wie haben sich diese über die letzten Jahre entwickelt? Und wie tief müsste die Schweiz ins Portemonnaie greifen, wenn sie die Rolle vom Handel künstlich begrenzen würde? Diesen und weiteren Fragen ist das Forschungs- und Beratungsunternehmen Ecoplan im Rahmen der Ressortforschung (siehe Kasten) im Auftrag des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) nachgegangen.[1]

Ein konsumbasierter Blick auf die Emissionen

Emissionsstatistiken weisen Treibhausgase in der Regel produktionsbasiert aus. Das heisst: Die Emissionen werden dem Land zugewiesen, in welchem sie bei der Produktion anfallen. Für die Analyse der im Handel enthaltenen Emissionen wird diese klassische Sichtweise um die Konsumperspektive erweitert. Dazu wird der Ausstoss dem Land zugewiesen, in welchem das fertige Gut letztlich verwendet wird. Diese Perspektive zeigt also, wie viele Emissionen ein Land durch seinen Konsum verursacht.

Im Fall der Schweiz lagen die konsumbasierten Treibhausgasemissionen gemäss unseren Berechnungen im Jahr 2017 bei rund 150 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten. Das ist fast drei Mal so viel wie bei einer produktionsbasierten Betrachtung. Der Grund für die Differenz sind die im Aussenhandel enthaltenen Emissionen. Unsere Studie bestätigt damit das Muster, das bereits aus früheren Berechnungen[2] bekannt war: Die Schweiz mit ihrem hohen Konsumniveau und den emissionsintensiven Importen ist ein klarer Nettoimporteur von Treibhausgasen. Das bedeutet: Die in den Importen eingebetteten Emissionen sind höher als jene in den Exporten.

Wie hat sich diese Bilanz zwischen 2004 und 2017 entwickelt? Wiederum wird die Differenz zwischen produktions- und konsumbasierten Emissionen betrachtet. Dabei zeigt sich, dass die Schweiz in diesem Zeitraum zwar ihre produktionsbasierten Emissionen um rund 8 Prozent reduzieren konnte, die konsumbasierten Emissionen aber nur marginal um 1 Prozent zurückgingen. Per saldo wurde der Emissionsrückgang bei der inländischen Produktion auf der Konsumseite fast vollständig durch höhere Nettoimporte aus dem Ausland ausgeglichen. Die Rolle des Aussenhandels bei der Erklärung konsumbasierter Emissionen ist damit weiter angestiegen.

Konsumbasierte Emissionen stagnieren trotz BIP-Wachstum

Die Entwicklung der im Schweizer Aussenhandel enthaltenen Treibhausgasemissionen ist einerseits Ausdruck der stärkeren Integration der Schweiz in globale Wertschöpfungsketten. Andererseits dürfte auch eine Rolle spielen, dass die Schweizer Bevölkerung und die Schweizer Wirtschaft im analysierten Zeitraum wesentlich gewachsen sind und deshalb mehr Güter importiert wurden. Interessant ist deshalb auch die relative Betrachtung: Wie haben sich die konsum- und produktionsbasierten Emissionen der Schweiz im Verhältnis zum BIP verändert?

Relativ zum BIP betrachtet, konnte die Schweiz zwischen 2004 und 2017 neben ihren produktions- auch ihre konsumbasierten Emissionen merklich senken: Sowohl beim Konsum als auch bei der Produktion liegt die Schweiz im Jahr 2017 in dieser relativen Betrachtungsweise vor Dänemark, Irland oder anderen kleinen offenen Volkswirtschaften (siehe Abbildung 1). Der Vergleich über die Zeit zeigt zudem, dass sich die Schweiz relativ zum BIP schon im Jahr 2004 auf einem guten Niveau befand und sich trotzdem noch verbessern konnte. Von den betrachteten Ländern konnten zwischen 2004 und 2017 einzig Finnland und Südkorea ihre konsumbasierten Emissionen relativ zum BIP stärker reduzieren. Diese starteten jedoch von einem höheren Ausgangsniveau.

Im Vergleich zur Grösse ihrer Wirtschaft schneidet die Schweiz damit im Ländervergleich relativ gut ab. Dieses Resultat soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass aus Sicht des Klimaschutzes weiterhin Handlungsbedarf besteht. Denn aus dieser Perspektive sind nicht die Emissionen pro Kopf oder pro BIP entscheidend, sondern deren absolutes Niveau.

Abb. 1: Gemessen an ihrer Wirtschaftskraft hat die Schweiz zwischen 2004 und 2017 auch ihre konsumbasierten Emissionen wesentlich reduzieren können

Anmerkung:  Dargestellt sind die Emissionen (CO2-Äquivalente in Kilogramm) relativ zum nominalen BIP (in Dollar)
Quelle: Ecoplan (2023) / Die Volkswirtschaft

Mengenwachstum überwiegt Fortschritte bei Emissionsintensitäten

Zurück in der absoluten Betrachtung, stellt sich die Frage, wie sich die Veränderung der importierten Emissionen nach Handelspartner aufschlüsselt. Dabei wird deutlich, dass die importierten Emissionen zwischen 2004 und 2017 beim Handel mit den meisten wichtigen Partnerländern angestiegen sind (siehe Abbildung 2). Besonders ausgeprägt war der Anstieg bei Importen aus China, den USA und Deutschland. Zurückgegangen sind hingegen die importierten Emissionen aus Russland. Ein Grund dafür ist, dass russische Importe von Eisen, Stahl oder Aluminium durch entsprechende Waren aus Italien und Deutschland mit geringeren Treibhausgasemissionen ersetzt wurden.

Die Daten zeigen auch, dass der Anstieg der importierten Emissionen in erster Linie auf das gewachsene Importvolumen zurückzuführen ist. Die Importe aus fast allen Ländern sind im Schnitt zwar sauberer geworden, es wurden aber deutlich mehr Güter importiert. Daraus resultiert per saldo die Zunahme der importierten Treibhausgasemissionen.

Die Studie zeigt zum ersten Mal auch auf, dass der internationale Transport rund 4 Prozent der konsumbasierten Emissionen der Schweiz ausmacht. Am höchsten ist dieser Anteil bei Nahrungsmitteln und Papierprodukten mit bis zu 10 Prozent. Das zeigt, dass bei der Berücksichtigung des internationalen Handels nicht nur die Transportwege, sondern auch die Produktionsprozesse der verschiedenen Länder berücksichtigt werden müssen.[3]

Abb. 2: Beim Handel mit den meisten Ländern importiert die Schweiz unter dem Strich CO2 (2004–2017)

INTERAKTIVE GRAFIK
* Sammelkategorie aus rund 110 Ländern, welche neben den 30 im Datensatz explizit differenzierten Ländern das Gesamttotal der übrigen Welt zusammenfasst.
Quelle: Ecoplan (2023) / Die Volkswirtschaft

Ein Schweizer Alleingang zu ausgeglichener Treibhausgas-Handelsbilanz wäre teuer

Was wäre, wenn die Schweiz wegkommen möchte von ihrem Status als Treibhausgas-Nettoimporteur und eine ausgeglichene Bilanz anstrebt? Dazu müsste sie die importierten emissionsintensiven Güter vermehrt selber herstellen. Eine theoretische Simulation mit einem Mehrländermodell zeigt, dass unter einem beschränkten Arbeitsangebot die dafür notwendigen Änderungen in der Produktions- und Handelsstruktur die Schweiz sehr teuer zu stehen kämen. In diesem Szenario müsste die Schweiz mit Konsumeinbussen von jährlich 14 Prozent rechnen.

Die Modellsimulationen zeigen zudem, dass unilaterale handelspolitische Massnahmen wie Importquoten oder gar Importverbote für besonders emissionsintensive Güter wie beispielsweise Zement oder Stahl zwar die Schweizer Treibhausgasimporte leicht senken können. Die damit verbundenen volkswirtschaftlichen Kosten wären aber im Vergleich zur erreichten Minderung der Treibhausgasimporte unverhältnismässig hoch.

Koordinierte Klimapolitik verändert Handelsstrukturen kaum

Analog zu vielen Studien zeigen unsere illustrativen Modellsimulationen, dass ein einheitlicher globaler CO2-Preis die globalen Treibhausgasemissionen am effizientesten und mit sehr geringen Effekten auf die Handelsstruktur reduzieren würde. Mit anderen Worten würden sich die Handelsverhältnisse kaum verschieben, wenn alle Länder gemeinsam ihre CO2-Emissionen um 6 Prozent senken würden. Heute verfolgen die Länder aber unterschiedlich ambitionierte klimapolitische Ziele und Massnahmen, was unterschiedliche, länderspezifische CO2-Preise zur Folge hat. Dies kann zu Produktionsverlagerungen von Ländern mit hohen CO2-Preisen in Länder mit niedrigeren Preisen führen (sogenanntes Carbon-Leakage). In dieser Hinsicht kann der internationale Handel die Wirkung klimapolitischer Massnahmen schmälern. Korrektive Massnahmen wie eine CO2-Grenzabgabe auf in Importen enthaltene Treibhausgasemissionen[4] können das Risiko von Produktionsverlagerungen reduzieren, jedoch nicht beseitigen. Eine Handelsstruktur, wie sie sich bei global einheitlichen Treibhausgaspreisen ergeben würde, lässt sich aber auch mit solch korrektiven Massnahmen nicht wiederherstellen.

  1. Die vollständige Studie finden Sie auf Seco.admin.ch. []
  2. Siehe etwa den Treibhausgas-Fussabdruck des Bundesamts für Statistik. Gemäss BFS waren die konsumbasierten Treibhausgasemissionen der Schweiz in 2017 bei rund 110 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten. []
  3. Siehe Mathilde Le Moigne (2022). Ökologisch hergestellt ist besser als lokal produziertDie Volkswirtschaft, 9. Dezember. []
  4. Geschätzt wurde hier ein allgemeiner Grenzausgleichsmechanismus über alle energieintensiven und handelsorientierten Sektoren hinweg. Dieser ist vom aktuellen Grenzausgleichsmechanismus der EU zu unterscheiden. []

Zitiervorschlag: André Müller, Roman Elbel, Christoph Böhringer (2024). Im Handel enthaltene Emissionen – eine Spurensuche. Die Volkswirtschaft, 22. Februar.

Schwerpunktthema der Seco-Ressortforschung 2023/24

Dieser Artikel ist im Rahmen der Ressortforschung des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) entstanden. Dafür hat das Seco fünf Studien zum Themenbereich «Effiziente Ressourcennutzung» in Auftrag gegeben und publiziert. Die Erkenntnisse aus den übrigen Studien finden Sie in unserem Schwerpunkt «Effizientes Wirtschaften ist nachhaltig».