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Ist der Patentschutz ein Auslaufmodell?

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Mit Patenten erhalten Pharmaunternehmen Anreize, neue Medikamente zu entwickeln. (Bild: Keystone)
Herr Stamm, was ist ein Patent?

Mit einem Patent kann ich andere davon abhalten, meine Erfindung zu nutzen. Das ermöglicht mir unter anderem, zu entscheiden, ob ich meine Erfindung anderen zum Gebrauch überlasse. In dem Fall spricht man von einer Lizenz.

Patentschutz klingt nach einem Monopol. Ist das nicht nachteilig für den Wohlstand?

Ein Patent schafft Anreize, um überhaupt in Forschung und Entwicklung zu investieren. Das lässt sich gut am Beispiel eines Winterthurer Start-ups veranschaulichen, das einen treppenfahrenden Rollstuhl entwickelt hat. Hätte das Start-up keine Patente – eben zeitlich beschränkte Monopole – auf seine Erfindungen, hätte das Jungunternehmen kaum Geldgeber gefunden, um seine Idee in markttaugliche Hightech-Rollstühle umzusetzen. Der dabei entstandene technische Fortschritt generiert mehr Wohlstand, als das temporäre Monopol die Gesellschaft kostet.

Der Patentschutz ist auf 20 Jahre begrenzt. Überholt der technologische Fortschritt nicht jeweils diesen Schutz?

Für einige Technikbereiche wie zum Beispiel die Elektronik mag das stimmen, da dort der Produktlebenszyklus meist bedeutend kürzer als 20 Jahre ist. Für Pharmaprodukte hingegen ist der Zeitraum ziemlich knapp. Oft dauert es Jahre, bis alle vorgeschriebenen Tests absolviert sind und das Medikament auf den Markt kommen darf. Die Einnahmen aus den verbleibenden Jahren mit Patentschutz reichen meist nicht aus, um die hohen Forschungs- und Entwicklungskosten wieder einzuspielen. Damit der Anreiz, neue Medikamente zu entwickeln, bleibt, gibt es im Pharmabereich einen zusätzlichen, maximal fünfjährigen Schutz, ein sogenanntes ergänzendes Schutzzertifikat.

Für die Anerkennung einer KI als Erfinder müsste es auf internationaler Ebene einen Konsens geben.

Gibt es Alternativen zum Patentschutz?

Die gibt es. Man kann auf ein Patent verzichten und eine Erfindung stattdessen geheim halten. Das funktioniert aber nur, wenn Mitstreiter die Erfindung nicht durch blosses Beobachten kopieren können, wie zum Beispiel bei einem mechanischen Antrieb. Ohne Patent ist dies völlig legal. Eine weitere Alternative ist, schlicht schneller zu sein als die anderen. Gerade bei Produkten mit kurzen Lebenszyklen lohnt sich ein Patent eher nicht, weil dessen Prüfung meist länger dauert, als die Erfindung auf dem Markt gefragt ist. Die Forschungs- und Entwicklungskosten spielt man in einem solchen Fall dadurch wieder ein, dass das Produkt auf dem Markt einen Technologiesprung auslöst. Bis ihm Nachahmer diesen Sprung streitig machen, hat der Erfinder quasi ein Monopol.

Was ändert sich, wenn die künstliche Intelligenz zu erfinden beginnt?

Diese Frage wird intensiv diskutiert. Aus rechtlicher Sicht gelten aktuell nur Menschen als Erfinder. Doch wie gross muss der menschliche Beitrag sein, damit ebendieser Mensch noch als Erfinder gilt? Und was, wenn das KI-System autonom erfindet; soll eine solche Erfindung dann künftig vielleicht doch einen Patentschutz erhalten?

Sollte sie?

Aus ökonomischer Sicht eher ja. Wie das Pharmabeispiel zeigt, fallen die grossen Entwicklungskosten bis zum marktreifen Medikament erst nach der Erfindung durch die KI resp. der Patentierung an. Ohne exklusives Vermarktungsrecht gäbe es wie bisher keinen Anreiz, diese Kosten zu tragen. Für die Anerkennung einer KI als Erfinder müsste es aber auf internationaler Ebene einen Konsens geben.

Interview: «Die Volkswirtschaft»

Zitiervorschlag: Nachgefragt bei Hansueli Stamm, Eidgenössisches Institut für Geistiges Eigentum (2024). Ist der Patentschutz ein Auslaufmodell? Die Volkswirtschaft, 08. Februar.

Interviewpartner

Hansueli Stamm ist Leiter des Bereichs Ökonomie beim Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum