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Fachkräftemangel: Wie Firmen für Jung und Alt attraktiv bleiben

Unterschiedliche Generationen von Arbeitnehmenden haben unterschiedliche Bedürfnisse. Unternehmen sollten diese spezifisch ansprechen, wenn sie gute Fachkräfte gewinnen wollen.
Um attraktiv zu sein, muss ein Unternehmen sowohl älteren als auch jüngeren Mitarbeitenden Aus- und Weiterbildungsangebote machen. (Bild: Keystone)

In vielen Bereichen suchen die Firmen zurzeit händeringend nach passenden Fachkräften. Das macht die Arbeitnehmenden begehrt – man spricht auch von einem sogenannten Arbeitnehmermarkt, bei dem die Angestellten die Konditionen mitbestimmen. Für Unternehmen heisst das: Sie müssen sich anpassen und sich als attraktive Arbeitgeber positionieren, um langfristig qualifizierte Mitarbeitende zu binden. Dazu sollten Firmen die Präferenzen der Mitarbeitenden kennen und verstehen, welche Aspekte für sie wichtig oder unwichtig sind.

Zwei aktuelle Studien der Hochschule Luzern tun genau dies: die «HSLU-Generationenmanagement-Studie – KMU» und die «HSLU-Generationenmanagement-Studie – Grossunternehmen». Beide bilden sowohl die Sicht der Arbeitnehmenden als auch der Arbeitgebenden ab. Die zwei Studien liefern nicht nur Einblicke in den Schweizer Arbeitsmarkt, sondern beleuchten auch, inwiefern Generationenmanagement die Arbeitgeberattraktivität aus Sicht der befragten Unternehmen positiv beeinflusst. Konkret schätzen 77 Prozent der Grossunternehmen und 54 Prozent der KMU den Effekt eines Generationenmanagements als positiv ein. Welche Aspekte hierbei für jüngere und ältere Mitarbeitende zentral sind, zeigen die Resultate aus der Befragung von 1076 Arbeitnehmern im Rahmen der Studie zu den Grossunternehmen.

Sozialkompetenz als Schlüsselfaktor

Soziale Kompetenzen in der Zusammenarbeit erweisen sich als Schlüsselaspekt eines Generationenmanagements. Das gilt für Mitarbeitende aller Generationen. Altersunabhängig von Bedeutung ist etwa ein respektvoller Umgang. Vier von fünf Befragten erachten das als sehr wichtig, und ebenso viele legen grossen Wert auf ein von gegenseitigem Vertrauen geprägtes Verhältnis zwischen Mitarbeitenden und Vorgesetzten. Der Arbeitsinhalt ist zweitrangig. Rund drei Viertel der Befragten betonen zwar, dass eine interessante, abwechslungsreiche und herausfordernde Arbeit für sie von hoher Relevanz sei (siehe Abbildung 1). Interessanterweise sind aber nur 64 Prozent der Befragten in dieser Hinsicht mit ihrer Arbeit zufrieden, und 7 Prozent sind sogar unzufrieden. Insgesamt gilt: Ältere Personen sind eher zufriedener als jüngere.

Auch die Möglichkeit, eigene Fähigkeiten und Kenntnisse einzusetzen sowie Kreativität und Individualität zu nutzen, sind für die Befragten wichtig. Auffällig ist zudem, dass für ältere Mitarbeitende Anerkennung und Ansehen tendenziell wichtiger sind als für jüngere. Damit Arbeitgeber attraktiver werden, müssen sie folglich Arbeitsmöglichkeiten anbieten, die diese Aspekte berücksichtigen.

Abb. 1: Ältere Arbeitnehmende schätzen Verantwortung, Anerkennung und Ansehen

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*Je älter, desto wichtiger (5-Prozent-Signifikanzniveau) ** Je älter, desto wichtiger (1-Prozent-Signifikanzniveau)
Konkrete Frage: Inwieweit sind Ihnen folgende Aspekte bezüglich Arbeitsinhalt/Stil wichtig? Anzahl Befragte: 1076.
Quelle: Hille et al. (2023b) / Die Volkswirtschaft

Generationenunterschiede im Fokus

Auch flexible Arbeitsmodelle wie Homeoffice, Teilzeit oder Jahresarbeitszeit spielen eine bedeutende Rolle. Rund zwei Drittel der befragten Arbeitnehmenden betonen, dass Rücksicht auf die familiäre Situation und auf individuelle Bedürfnisse, wie etwa Zeit für Freizeitaktivitäten, genommen werden sollte. Für Jüngere ist dieser Aspekt wichtiger als für Ältere. Ebenfalls zwei Drittel gewichten ein transparentes und übersichtliches finanzielles Vergütungssystem hoch. Auch hier gilt: Jüngeren Mitarbeitenden ist dieser Aspekt wichtiger.

Generationenunterschiede zeigen sich auch bei Arbeitsbelastung, Feedback und Gemeinschaftsgefühl. Zwar haben diese Aspekte bei den Jungen absolut betrachtet nicht erste Priorität. Dennoch ist es ihnen tendenziell wichtiger als älteren Personen, dass für eine angemessene und faire Arbeitsbelastung gesorgt wird, dass Raum für regelmässiges und wechselseitiges Feedback mit Arbeitgebenden und Kolleginnen besteht und dass das Gemeinschaftsgefühl gestärkt und gepflegt wird. Auch sind Jüngeren Entwicklungs- und Weiterbildungsangebote sowie eine regelmässige Karriereplanung gemeinsam mit ihren Vorgesetzten wichtiger. Auf der anderen Seite legen ältere Mitarbeitende mehr Wert auf betriebliche Altersvorsorge und Arbeitsplatzsicherheit.

Unterschiede zwischen Alt und Jung gibt es auch bei den Grundwerten: Tendenziell wichtiger für Jüngere sind beispielsweise Lebensgenuss und Spass, Zeit für ein Hobby, finanzielle und andere Entschädigungen wie etwa Zeit für ein eigenes Projekt, Teilnahme an einer interessanten Konferenz sowie Neues zu lernen und sich selbst zu verwirklichen. Für Ältere hingegen sind der Wert, einer Arbeit nachzugehen, und die Übernahme von sozialer Verantwortung wichtiger. Diese Unterschiede haben sich seit der letzten Erhebung von 2019 nicht akzentuiert.

Grosses Potenzial bei älteren Arbeitnehmenden

Angesichts des gegenwärtigen Fachkräftemangels und der demografischen Alterung drängt sich auch die Frage auf: Wie können Unternehmen ältere Mitarbeitende über das Referenz-Rentenalter hinaus im Arbeitsmarkt halten? Denn ältere Mitarbeitende sind wertvolle Arbeitskräfte und können zur Linderung des Fachkräftemangels beitragen. Tatsächlich können sich 47 Prozent aller Arbeitnehmenden vorstellen, über das festgelegte Referenzalter hinaus zu arbeiten (siehe Abbildung 2). Bei den über 50-Jährigen beträgt dieser Anteil sogar 55 Prozent.[1] Interessanterweise weiss rund jede vierte Person darauf aber keine klare Antwort. Dies mag auch damit zusammenhängen, dass für einen Grossteil der Befragten der Zeitpunkt der Pensionierung noch weit weg ist.

Tatsächlich fühlen sich die über 50-Jährigen gesundheitlich in einer guten Verfassung. Eine Mehrheit von 67 Prozent gibt an, sich jünger zu fühlen, als es ihrem biologischen Alter entspricht. Über alle Altersgruppen hinweg beträgt dieser Anteil nur 53 Prozent. Dennoch schöpfen die Arbeitgebenden dieses Potenzial bislang nicht voll aus. Zwar zeigen Studien einerseits, dass 52 Prozent der befragten KMU sowie mehr als drei Viertel der vom Fachkräftemangel betroffenen Grossunternehmen Mitarbeitende im Rentenalter beschäftigen. Doch nur knapp 40 Prozent der befragten Grossunternehmen finden sich attraktiv genug, damit ältere Arbeitnehmende über das Rentenalter weiterarbeiten würden. 15 Prozent schätzen ihre Attraktivität sogar als gering ein.

Abb. 2: Knapp die Hälfte möchte eventuell über das Referenz-Rentenalter hinaus berufstätig bleiben

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Konkrete Frage: Können Sie sich prinzipiell vorstellen, während des Rentenalters weiter berufstätig zu sein? Anzahl Befragte: 1076.
Quelle:  Hille et al. (2023b) / Die Volkswirtschaft

Wie können Arbeitgebende also ihre Anziehungskraft für die spezifische Personengruppe der über 50-Jährigen steigern? Entscheidend ist, dass Vorurteile gegenüber jungen wie auch älteren Mitarbeitenden abgebaut werden – und zwar sowohl innerhalb der Belegschaft als auch seitens der Arbeitgebenden.

Denn unsere Studien zeigen, dass Unternehmen dazu neigen, älteren Mitarbeitern bestimmte Fähigkeiten abzusprechen – sei es im Umgang mit moderner IT und Kommunikationstechnologien oder in Bezug auf ihre Motivation, neues Wissen zu erwerben. Zusätzlich gibt etwa ein Drittel der Unternehmen an, dass sie bei Neueinstellungen eher jüngere Personen bevorzugen, selbst wenn Ausbildung und Qualifikationen gleichwertig sind. Neben Vorurteilen spielen dabei auch ökonomische Überlegungen wie steigende Lohnnebenkosten eine bedeutende Rolle.

Zusammenfassend lässt sich festhalten: Erfolgskritische Faktoren für die Arbeitgeberattraktivität sind: soziale Kompetenzen des Vorgesetzten, zwischenmenschliche Aspekte und interessante Aufgaben. Die Arbeitgebenden sollten bei der Gestaltung der Arbeitsbedingungen allerdings differenziert auf die Bedürfnisse der verschiedenen Altersgruppen eingehen, damit sowohl die jüngeren als auch die älteren Mitarbeitenden möglichst lange im Betrieb behalten werden können.

Konkret heisst das: Jüngeren Personen sollten sie beispielsweise die Möglichkeit geben, die Arbeitszeit individuell und nach den eigenen Bedürfnissen zu gestalten, sowie Entwicklungs- und Weiterbildungsangebote anbieten. Für ältere Mitarbeitende attraktiv sind möglichst flexible Teilzeitarbeitsmodelle, aber auch altersgerechte Weiterbildungen im Sinne von lebenslangem Lernen zum Erhalt der Arbeitsmarktfähigkeit. Wie so oft gilt auch hier die Devise: Wer früh handelt, ist im Vorteil. Denn der Fachkräftemangel entwickelt sich je länger, je mehr zum Arbeitskräftemangel.

  1. Die Resultate einer vertieften Analyse dieser Altersgruppe sind in Hille et al. (2023c) publiziert. []

Literaturverzeichnis
  • Hille, Anina Cristina, Seiler Zimmermann, Yvonne und Gabrielle Wanzenried (2023a). Generationenmanagement-Studie – KMUs. Verlag IFZ – Hochschule Luzern.
  • Hille, Anina Cristina, Seiler Zimmermann, Yvonne und Gabrielle Wanzenried (2023b). Generationenmanagement-Studie – Grossunternehmen. Verlag IFZ – Hochschule Luzern.
  • Hille, Anina Cristina, Seiler Zimmermann, Yvonne und Gabrielle Wanzenried (2023c). Fachkräftemangel in KMU – ältere Arbeitnehmende als Chance. Organisator: das Magazin für KMU, 2023 (9–10).

Bibliographie
  • Hille, Anina Cristina, Seiler Zimmermann, Yvonne und Gabrielle Wanzenried (2023a). Generationenmanagement-Studie – KMUs. Verlag IFZ – Hochschule Luzern.
  • Hille, Anina Cristina, Seiler Zimmermann, Yvonne und Gabrielle Wanzenried (2023b). Generationenmanagement-Studie – Grossunternehmen. Verlag IFZ – Hochschule Luzern.
  • Hille, Anina Cristina, Seiler Zimmermann, Yvonne und Gabrielle Wanzenried (2023c). Fachkräftemangel in KMU – ältere Arbeitnehmende als Chance. Organisator: das Magazin für KMU, 2023 (9–10).

Zitiervorschlag: Anina Hille, Yvonne Seiler Zimmermann, Gabrielle Wanzenried (2024). Fachkräftemangel: Wie Firmen für Jung und Alt attraktiv bleiben. Die Volkswirtschaft, 19. März.