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Medienqualität unter der Lupe

Sinkende Werbeeinnahmen und tiefere Zahlungsbereitschaft: Im Journalismus wird gespart. Trotzdem bleibt die Qualität auf solidem Niveau stabil. Ein Forschungsprojekt bewertet 60 Schweizer Medien jedes Jahr neu.
In den Medien erhalten nicht alle Sektoren gleich viel Aufmerksamkeit. Im Vergleich zum Finanzsektor fällt der Rohstoffsektor ab. Arbeiter auf einem Salzsee. (Bild: Keystone)

Der Journalismus operiert in der Schweiz in einem Umfeld, das für die Medienhäuser in dreifacher Hinsicht schwierig ist: Die Werbeeinnahmen sinken, die Zahlungsbereitschaft im Onlinebereich ist nach wie vor gering, und der Anteil jener Menschen, die kaum News konsumieren (sogenannte News-Deprivation), nahm über die letzten Jahre stetig zu. Viele Medienhäuser haben vor diesem Hintergrund Sparmassnahmen beschlossen und Stellen im Journalismus abgebaut. Die Bedingungen, um Journalismus zu produzieren – und dies für möglichst viele verschiedene Kanäle und Plattformen –, sind herausfordernder geworden.

Medienqualität seit 2015 relativ stabil

Wie hat sich vor diesem Hintergrund die Qualität der Medienberichterstattung entwickelt? In unserem Forschungsprojekt «Jahrbuch Qualität der Medien» stellen wir Jahr für Jahr die Berichterstattungsqualität von über 60 Schweizer Medien auf den Prüfstand. Wir messen auf der Grundlage von Stichproben die Qualität mit Kriterien, die wir aus den Demokratietheorien und den Standesregeln des Journalismus ableiten.[1] Bewertet werden die Gesamtqualität, die Relevanz, die Vielfalt, die Einordnungsleistung und die Professionalität. Für die Phase 2015–2022 liegt eine Zeitreihe vor, die uns Aussagen über die Langzeitentwicklung der Medienqualität erlaubt.

In unserem Qualitätsscoring mit einem Wert von 0 als schlechtestem und 10 als bestem Wert zeigen unsere Daten, dass die Medienqualität 2022 trotz den beschriebenen Herausforderungen in einem relativ positiven Bereich liegt (6,5) und sich seit 2015 relativ stabil entwickelt (siehe Abbildung).[2] Hinter diesem positiven Bild stehen aber unterschiedliche Entwicklungen, die eine differenzierte Betrachtung erfordern.

Die Vielfalt der Medienberichterstattung hat sich seit 2015 verschlechtert

Quelle: Fög (2023), S. 120 / Die Volkswirtschaft
Anmerkung: Die Qualitätswerte sind untereinander nicht vergleichbar, weil dahinter verschiedene Berechnungsarten stehen. Ein Wert von 7 bei Professionalität bedeutet beispielsweise etwas anderes als ein Wert von 7 bei Relevanz.

Krisenereignisse prägen Berichterstattung

In den letzten Jahren ist die Berichterstattung deutlich relevanter geworden. Die Newsmedien fokussieren mehr auf demokratierelevante Hard-News-Themen aus Politik, Wirtschaft und Kultur und weniger auf Soft News zu Human Interest und Sport. Mitverantwortlich für die zunehmende Relevanz sind zwei grosse Krisenereignisse: die Corona-Pandemie und der Ukraine-Krieg. Diese prägen die Berichterstattung, involvieren eine ganze Reihe politischer Akteure und lenken den Fokus der Medien dadurch auf das politische Handeln. Auch die Einordnungsleistungen der Medien sind relativ stabil geblieben: Die Newsmedien bleiben nicht bei den Breaking News, also den Eilkurzmeldungen, stehen, sondern vermitteln relativ oft Hintergründe und ordnen das Geschehen ein. Zudem berichten sie verhältnismässig sachlich, und auch die redaktionellen Eigenleistungen nehmen zu, weil in der Berichterstattung weniger fremdproduziertes Material von Agenturen verwendet wird als früher.

Weniger erfreulich ist die Entwicklung im Bereich der Vielfalt. Dies zeigt sich in der Gesamtberichterstattung zum Beispiel in einer abnehmenden geografischen Diversität. Die Medien fokussieren immer mehr aufs Inland und beachten Vorgänge im Ausland weniger stark, trotz grosser globaler Spannungen. Im Inland wiederum werden längst nicht alle Regionen und Orte gleich gut abgedeckt.[3] Es gibt auch andere blinde Flecken in der Berichterstattung, beispielsweise über Unternehmen: Der Fokus liegt trotz seiner abnehmenden volkswirtschaftlichen Bedeutung auf dem Finanzsektor, während andere Industrien, etwa der Rohstoffsektor, kaum Beachtung erhalten.[4] Die Vielfalt wird auch dadurch eingeschränkt, dass in den Medienhäusern immer öfter Inhalte von Zentralredaktionen erstellt und zwischen den einzelnen Titeln ausgetauscht werden. Diese inhaltliche Medienkonzentration hat zur Folge, dass in den verschiedenen Regionen der Schweiz immer mehr dieselben Inhalte zu lesen sind.[5]

Verschiedene Medientypen von unterschiedlicher Qualität

Trotz der Defizite im Bereich der inhaltlichen Vielfalt verfügt die Schweiz nach wie vor über eine hohe Vielfalt an Medientypen, die unterschiedliche Funktionen in der Medienarena einnehmen. Die unterschiedliche Positionierung der Medientypen schlägt sich in der Qualität nieder.[6] Regelmässig vorne stehen die Sendungen des öffentlichen Rundfunks, Sonntags- und Wochenmedien sowie Abonnementszeitungen. Pendler- und Boulevardmedien sind eher qualitätsschwächer, haben aber in den letzten Jahren an Qualität zugelegt. In Zeiten zunehmender Fehlinformationen ist es ein gutes Zeichen, dass diese teils sehr reichweitenstarken Medienmarken verstärkt auf eine Qualitätsstrategie setzen.

Auch das Publikum schätzt die Qualität der Schweizer Medien differenziert ein. In Zusammenarbeit mit der Universität Freiburg und der Hochschule Luzern vergleichen wir für das «Medienqualitätsrating» in regelmässigen Abständen die mit Inhaltsanalysen gemessene Medienqualität mit Befragungsdaten beziehungsweise damit, wie das Publikum die Qualität einschätzt. Der wichtigste Befund ist: Die gemessene Qualität der Inhalte stimmt grösstenteils mit den Wahrnehmungen des Publikums überein. Das bedeutet, dass eine Sendung wie das «SRF Echo der Zeit», das eine hohe Berichterstattungsqualität aufweist, auch von den Befragten als qualitativ hochwertig eingeschätzt wird – und umgekehrt.

Das gemischte Bild bei den Qualitätsentwicklungen zeigt einerseits, dass trotz schwierigem Umfeld viele journalistische Medien in der Schweiz eine nach wie vor gute Qualität aufweisen. Andererseits zeigt die Analyse auch Vielfaltsverluste und Lücken der Berichterstattung und dass manche Medien ihre Qualität vermutlich nur durch das Poolen von Ressourcen und das Teilen von Inhalten aufrechterhalten können. Zuversichtlich stimmt, dass das Publikum die Qualität positiv einschätzt und das Vertrauen in den professionellen Journalismus relativ hoch ausfällt, auch im Vergleich mit News aus der Feder künstlicher Intelligenz.[7] Doch dass die wenigsten Leute bereit sind, für Newsmedien im Onlinebereich zu bezahlen, erschwert die Finanzierung des Journalismus. Mit Blick in die Zukunft braucht es grössere Anstrengungen von Medien, Politik und Gesellschaft, damit der Journalismus auf finanziell gesunden Beinen stehen kann und seine zentrale Funktion für das direktdemokratische System der Schweiz weiterhin ausfüllen kann.

  1. Siehe Bachmann, Eisenegger und Ingenhoff (2022). []
  2. Siehe Fög (2023), S. 119ff. []
  3. Siehe Vogler, Weston und Siegen (2023). []
  4. Siehe Vogler, Gisler und Künstle (2023). []
  5. Siehe Fög (2023), S. 159ff. []
  6. Siehe Fög (2023), S. 121. []
  7. Siehe Vogler et al. (2023). []

Literaturverzeichnis

Bibliographie

Zitiervorschlag: Mark Eisenegger, Linards Udris, Daniel Vogler (2024). Medienqualität unter der Lupe. Die Volkswirtschaft, 07. März.