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Viele Beschwerden und KI fordern heraus

Susan Boos, Präsidentin des Schweizer Presserates, Bern

Standpunkt

Der Schweizer Presserat hütet die «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (auch Berufskodex[1] genannt), dient als Beschwerdeinstanz für Publikum und Medienschaffende und rügt Medien, wenn sie in der Berichterstattung gegen den Kodex verstossen haben. Von seiner Infrastruktur her ist der Presserat darauf ausgelegt, durchschnittlich 80 Beschwerden pro Jahr zu bearbeiten. Die Corona-Pandemie liess die Beschwerdeanzahl jedoch explodieren: Im Jahr 2020 waren es über 180, 2021 immer noch fast 160. Inzwischen hat sich die Lage etwas beruhigt. Im letzten Jahr gingen um die 100 Beschwerden ein.

Viele Beschwerden bedeuten nicht per se, dass die Medien schlechter arbeiten. Die Pandemie hat viele Menschen getriggert. Oft waren sie mit der politischen Stossrichtung der Berichterstattung nicht einverstanden und verfassten deshalb eine Beschwerde. Doch der Presserat beschäftigt sich nicht mit politischen Einschätzungen, im Gegenteil: Unsere Aufgabe ist es, die Meinungs- und Informationsfreiheit zu verteidigen. Dabei geht es im Hinblick auf den Kodex vor allem um das faire journalistische Handwerk.

Die journalistische Arbeitsweise bleibt auch mit KI-Programmen dieselbe.

In den letzten Monaten beschäftigte uns die allgegenwärtige Präsenz der sogenannten künstlichen Intelligenz (KI). Diese neuen Computerprogramme, die automatisch Texte, Bilder, Videos oder auch Sprachbeiträge generieren, haben in schwindelerregendem Tempo den Alltag erobert, auch den journalistischen. Der Presserat versuchte breit auszuloten, ob unser Regelwerk – der Kodex und die dazugehörenden Richtlinien – ergänzt oder präzisiert werden muss. Das Ergebnis: Die Richtlinien enthalten bereits alle relevanten Leitplanken, die es für den Umgang mit KI-Werkzeugen braucht. Wir haben die wichtigsten Punkte in einem Leitfaden zusammengefasst, der Ende Februar 2024 publiziert wurde. Um hier nur einige herauszupflücken:

Die journalistische Arbeitsweise bleibt auch mit KI-Programmen dieselbe: Sie orientiert sich an der Wahrheitssuche. Das heisst, dass alle Quellen, auf denen die künstlich erzeugten Inhalte beruhen, im gleichen Masse bekannt sein, bewertet und genannt werden müssen wie bei einem traditionellen journalistischen Beitrag ohne KI. Künstlich generierte Bilder, Töne oder Videos dürfen aufgrund ihrer Ähnlichkeit mit der Wirklichkeit auch nie irreführend sein oder Verwirrung stiften.

Die neuen KI-Tools dürften die Welt in kürzester Zeit mit Informationsschrott zumüllen. Umso wichtiger wird guter, vertrauenswürdiger Journalismus, bei dem Menschen für die Wahrheitssuche bürgen. Allerdings sollte man vertrauenswürdigen Journalismus auch von KI-Informationsmüll unterscheiden können. Deshalb müssen Medien transparent und nachvollziehbar kommunizieren, wann und wie sie KI-Tools einsetzen. Die Entwicklungen in diesem Bereich verlaufen rasant, deshalb wird der Presserat regelmässig überprüfen, ob der Leitfaden oder die Richtlinien angepasst werden müssen.

  1. Der Kodex verteidigt die freie Meinungsäusserung, verpflichtet Journalisten aber auch, fair zu arbeiten. []

Zitiervorschlag: Susan Boos (2024). Standpunkt: Viele Beschwerden und KI fordern heraus. Die Volkswirtschaft, 12. März.