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Der Finanzausgleich aus Sicht der Steuerzahlenden

Wenn man die Finanzströme im Nationalen Finanzausgleich aus Sicht der Steuerzahlenden analysiert, dann werden einige Nehmer- zu Geberkantonen. Denn 68 Prozent der Ausgleichszahlungen stammen vom Bund, der diese mit dem Geld der Steuerzahlenden in den Kantonen finanziert.
Je nach Perspektive ist auch die Waadt ein Geberkanton. Karneval «Brandons de Payerne» in Payerne VD. (Bild: Keystone)

Der Nationale Finanzausgleich (NFA) ist ein System von Transferzahlungen zwischen den Kantonen (horizontale Transfers) sowie zwischen Bund und Kantonen (vertikale Transfers). Im Rahmen des Ressourcenausgleichs zahlen die ressourcenstarken Kantone Geld in das System ein, und die ressourcenschwachen Kantone erhalten Geld. Ziel dieser Umverteilung ist es, die kantonalen Unterschiede in der finanziellen Leistungsfähigkeit zu verringern und den Kantonen eine Mindestausstattung an Ressourcen zu gewährleisten. Hinzu kommen Transfers zum Ausgleich von Lasten aufgrund soziodemografischer oder geografisch-topografischer Faktoren, die vom Bund an die betreffenden Kantone fliessen.[1]

Vier Milliarden kommen vom Bund

Die Zahlen des Finanzausgleichs entzünden immer wieder Debatten darüber, welche Kantone «Gewinner» und welche «Verlierer» dieses Systems sind.[2] Wenn man jedoch die Summe aller von den Kantonen gezahlten und erhaltenen Beträge zusammenrechnet, dann stellt man fest, dass die Kantone insgesamt mehr Geld erhalten als zahlen. Der NFA sieht deshalb für die Kantone insgesamt nach einem guten Geschäft aus. Rund 4 Milliarden Franken, also 68 Prozent der von den Kantonen erhaltenen Beträge, werden nämlich vom Bund beigesteuert. Dieses Geld fällt jedoch nicht vom Himmel, sondern es kommt ebenfalls von den Steuerzahlenden in den Kantonen über die verschiedenen Bundessteuern. Wenn man diese 4 Milliarden den Kantonen zuordnet, wird der Finanzausgleich rein rechnerisch zu einem Nullsummenspiel.

Anders als die offiziellen Zahlen zum Finanzausgleich, welche die Finanzströme aus der Perspektive der Kantonsfinanzen wiedergeben, beleuchten wir damit die gezahlten und erhaltenen Beträge aus Sicht der Steuerzahlenden.[3]

Offizielle Ausgleichsbeträge und um den Bundesbeitrag bereinigte Beträge (2024)

INTERAKTIVE GRAFIK
Quelle: Schätzungen der Autoren auf der Grundlage von Daten des BFS, der ESTV und der EFV (2024) / Die Volkswirtschaft

Der Bundesbeitrag zum Finanzausgleich im Umfang von 4 Milliarden Franken lässt sich nach verschiedenen Kriterien auf die Kantone aufschlüsseln. Wir verwenden Daten der direkten Bundessteuer und zum kantonalen Bruttoinlandprodukt (BIP) des Jahres 2020, um den Beitrag jedes Kantons zum allgemeinen Bundeshaushalt zu schätzen und auf dieser Grundlage die um den Bundesbeitrag bereinigten Ausgleichsbeträge zu berechnen (siehe Abbildung).[4]

Die Abbildung zeigt, welchen Betrag jeder Kanton pro Kopf erhält oder bezahlt; einmal gemäss den offiziellen Zahlen zum Nationalen Finanzausgleich (grün) und einmal gemäss unseren Berechnungen, in welche auch die Beteiligung am NFA-Bundesbeitrag einfliessen (violett). Da die Steuerzahlenden jedes Kantons den allgemeinen Bundeshaushalt auch über verschiedene Bundessteuern finanzieren, sind die bereinigten Beträge durchweg höher.

Vom Nehmer- zum Geberkanton

Bei einigen Kantonen weicht der bereinigte Ausgleichsbetrag substanziell vom offiziellen Betrag ab. So kommen im Fall des Kantons Zug zum offiziellen Beitrag zum Finanzausgleich (2970 Franken pro Einwohnerin) nach unseren Schätzungen pro Kopf rund 1670 Franken an Bundessteuern zur Finanzierung des Bundesbeitrags hinzu. Bei einigen Kantonen, die knapp unterhalb der Schwelle zwischen Gebern und Nehmern liegen, verändert die Berücksichtigung des Bundesanteils ihren Status. Schaffhausen, Basel-Landschaft, Waadt, Luzern und das Tessin sind offiziell Nehmerkantone im Finanzausgleich. Berücksichtigt man jedoch ihren Anteil an der Finanzierung des Bundeshaushalts, sind die Steuerzahlenden dieser Kantone in Wirklichkeit Nettozahler. Denn der Betrag, den sie aus dem NFA erhalten, ist niedriger als ihr Anteil am NFA-Bundesbeitrag, den sie über die Bundessteuern finanzieren.

Gleichzeitig erhalten die Steuerzahlenden der Nehmerkantone weniger Geld, als es auf den ersten Blick erscheint. Denn einen Teil der ihnen zufliessenden Beträge haben sie selber über ihren Beitrag an den Bundeshaushalt finanziert. Der Kanton Wallis beispielsweise erhält offiziell einen Betrag von 2506 Franken pro Kopf. Allerdings: Davon haben die Walliser Steuerzahlenden gemäss unseren Schätzungen 254 Franken über den Bundeshaushalt selber finanziert. Letztendlich erhält jede Einwohnerin und jeder Einwohner des Kantons Wallis effektiv 2252 Franken.

Wie die Abbildung zeigt, ist die Differenz zwischen den offiziellen und den bereinigten Beträgen in ressourcenstarken Kantonen tendenziell grösser. Dies ist nicht überraschend, denn das Ressourcenpotenzial eines Kantons korreliert mit den beiden Variablen, auf denen unser Verteilungsschlüssel beruht: dem kantonalen BIP und den direkten Bundessteuern.

Ein Modell mit vertikalen und horizontalen Transfers

Der Lastenausgleich ist ein rein vertikales System, das vollständig der Bund finanziert. Der Ressourcenausgleich hingegen umfasst sowohl vertikale als auch horizontale Transfers, weshalb die Umverteilungseffekte zwischen den Kantonen relativ undurchsichtig sind. Theoretisch wäre ein rein horizontales System denkbar, das dieselben Umverteilungseffekte zwischen den Kantonen bewirkt.

Die historische Entwicklung des Systems dürfte Teil der Erklärung für die heutige Ausgestaltung des NFA sein. Im Laufe des 20. Jahrhunderts hatte sich ein unübersichtliches System von Bundesbeiträgen an die Kantone über verschiedene Kanäle entwickelt. Bei der 2008 in Kraft getretenen Neugestaltung des Finanzausgleichs im Zuge der Aufgabenentflechtung strebte man eine für den Bund und die Kantone insgesamt haushaltsneutrale Reform an. Das bedeutet, dass die neuen Ausgleichsinstrumente die Nettobelastungen der Kantone ausgleichen sollten, die sich aus der Aufgabenentflechtung und dem Wegfall des früheren Finanzausgleichssystems ergaben.

Dass ein Finanzausgleichssystem von der übergeordneten staatlichen Ebene mitfinanziert wird, ist jedoch keine Besonderheit des NFA. So kennen die meisten Kantone einen Finanzausgleich zwischen den Gemeinden, bei dem ein relevanter Beitrag aus der Kantonskasse kommt. Auch in Deutschland schiesst der Bund Mittel in das Finanzausgleichssystem ein.

Neben der Pfadabhängigkeit sprechen auch politökonomische Argumente für eine Vermischung von horizontalen und vertikalen Transfers. Die Beteiligung des Bundes reduziert die Sichtbarkeit des Beitrags der Steuerzahlenden zum Ressourcenausgleich, was die politische Akzeptanz des NFA stärkt. Würde man die gesamte interkantonale Umverteilung horizontal organisieren, müsste man einen grösseren Teil über die kantonalen Budgets finanzieren. Dies könnte den politischen Rückhalt für das Umverteilungssystem insbesondere in denjenigen Kantonen schwächen, die durch Berücksichtigung ihres NFA-Beitrags via Bundessteuern von Nehmern zu Gebern werden.

Man kann vertikale Transfers auch mit Effizienzüberlegungen begründen. So hat der Bund bei der Erzielung von Steuereinnahmen den Vorteil, dass das Steuersubstrat der Bundessteuern dem kantonalen Steuerwettbewerb entzogen ist. Weil aber die Kantone näher bei den Bürgerinnen und Bürgern sind und deren Bedürfnisse direkter adressieren können, bietet es sich dennoch an, durch vertikale Transfers die Ausgabenkompetenz teilweise den Kantonen zu überlassen.

  1. Ergänzt werden diese beiden Ausgleichsgefässe durch «temporäre Massnahmen». Sie umfassen den Härteausgleich, die Abfederungsmassnahmen und die Ergänzungsbeiträge und machen zusammen weniger als 10 Prozent des gesamten Finanzausgleichvolumens aus. []
  2. Siehe zum Beispiel die Artikel «Jeder Schwyzer soll 180 Franken mehr zahlen» (Blick.ch), «La péréquation financière profitera une fois de plus aux cantons romands» (RTS.ch), «Zürich zahlt 460 Millionen, Bern erhält 1,3 Milliarden Franken» (Tagesanzeiger.ch) und «Abrechnung nach 15 Jahren Finanzausgleich: Die Zentralschweiz zieht den anderen Regionen davon (nein, nicht nur wegen Zug)» (NZZ). []
  3. Der vorliegende Beitrag konzentriert sich auf die Transfers aus dem Nationalen Finanzausgleich und lässt die verschiedenen Bundesausgaben zugunsten der Kantone ausser Acht. Eine von der EFV durchgeführte umfassendere Analyse findet sich in Eidgenössische Finanzverwaltung (2022): Wirtschaftliche Auswirkungen der Bundesaktivitäten in den Kantonen 2017–2020[]
  4. Der Verteilungsschlüssel für jeden Kanton entspricht dem gewichteten Durchschnitt des relativen Beitrags zu den Gesamteinnahmen aus der direkten Bundessteuer und des Anteils des kantonalen BIP am nationalen BIP. Anhand dieser beiden Grössen lässt sich der über die verschiedenen Steuern geleistete Beitrag jedes Kantons zum allgemeinen Bundeshaushalt und damit zum NFA-Bundesbeitrag schätzen. []

Zitiervorschlag: Nicola Mauri, David Staubli (2024). Der Finanzausgleich aus Sicht der Steuerzahlenden. Die Volkswirtschaft, 15. April.