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Der Finanzausgleich hält, was er verspricht

Der neuste Wirksamkeitsbericht bestätigt es: Der Finanzausgleich reduziert die finanziellen Unterschiede der Kantone deutlich.
Eine Schafherde im Aletschgebiet. Der Kanton Wallis wird auch für seine topografisch-geografischen Lasten entschädigt. (Bild: Keystone)

Einer für alle, alle für einen – so lautet der Leitspruch der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Diese urschweizerische Solidarität verkörpert eine Institution wie kaum eine andere: der Finanzausgleich. Er ist ein zentrales Element des schweizerischen Föderalismus. Sein Ziel: die Finanzautonomie der Kantone stärken und gleichzeitig gewährleisten, dass jeder Kanton über eine minimale finanzielle Ausstattung verfügt. Zudem soll er die kantonalen Unterschiede bei der finanziellen Leistungsfähigkeit und der Steuerbelastung verringern und dabei die steuerliche Wettbewerbsfähigkeit der Kantone im nationalen und internationalen Kontext erhalten.

Auch Kantone mit übermässigen geografisch-topografischen und soziodemografischen Herausforderungen entlastet der Finanzausgleich. Dazu zählen etwa topografiebedingte Mehrkosten für den Strassenunterhalt oder demografische Mehrkosten aufgrund eines höheren Anteils betagter Personen oder von Zentrumslasten der Grossstädte. Verschiedene Ausgleichsgefässe des Nationalen Finanzausgleichs dienen dazu, alle diese Ziele zu erreichen. Neben dem Ressourcenausgleich, dem volumenmässig wichtigsten Instrument, sind das der Lastenausgleich sowie weitere temporäre Massnahmen (siehe Kasten).

Die Regeln für den Nationalen Finanzausgleich wurden 2008 festgelegt und 2020 angepasst. Die Kernelemente der Reform 2020 sind die Einführung einer garantierten Mindestausstattung von 86,5 Prozent des nationalen Durchschnitts sowie die Festlegung einer fixen Dotation des Lastenausgleichs. Damit müssen die Beiträge im Finanzausgleich nicht mehr periodisch von der Bundesversammlung festgelegt werden. Mit der Reform 2020 kann das Parlament nur noch mit einer Gesetzesanpassung auf den Finanzausgleich Einfluss nehmen. Wer gibt und wer nimmt, wird jährlich neu berechnet und hängt von der Finanzkraft der Kantone ab (siehe Artikel «Warum boomt die Zentralschweiz?)».

Wirksamkeitsbericht 2020–2025: Kaum Mängel

Der Bundesrat unterbreitet dem Parlament periodisch einen Bericht über die Wirksamkeit des Finanzausgleichs. Dieser analysiert, ob die Ziele erreicht wurden und das System funktioniert. Im März 2024 hat der Bundesrat den Wirksamkeitsbericht für die Jahre 2020 bis 2025 verabschiedet.

Der Bericht kommt zum Schluss, dass die Ziele weitgehend erreicht werden und dass das System gut funktioniert. Die Anpassungen des Finanzausgleichs, die 2020 in Kraft getreten sind, haben sich so weit bewährt. Für umfangreiche und abschliessende Schlussfolgerungen dieser Anpassungen ist es jedoch noch zu früh. Im Bericht werden deshalb nur kleinere technische Anpassungen auf Verordnungsstufe vorgeschlagen. So sollen etwa die Gewichtungen der Indikatoren des soziodemografischen Lastenausgleichs auf Verordnungsstufe festgelegt werden, wie dies bereits heute beim geografisch-topografischen Lastenausgleich der Fall ist.

Hauptziel: Kantonale Unterschiede reduzieren

Der hohe Grad an Autonomie der schweizerischen Kantone führt dazu, dass die kantonalen Unterschiede bei der finanziellen Leistungsfähigkeit verhältnismässig gross sind. Für den Zusammenhalt der Schweiz ist es deshalb wichtig, dass diese Unterschiede in einem gesellschaftlich und politisch akzeptablen Bereich bleiben.

Gemessen wird die finanzielle Leistungsfähigkeit mit dem sogenannten Ressourcenpotenzial. Dieses berücksichtigt die steuerliche Bemessungsgrundlage von natürlichen Personen und Unternehmen und widerspiegelt damit die Wirtschaftskraft eines Kantons. Vergleicht man das Ressourcenpotenzial pro Kopf eines Kantons mit dem schweizerischen Mittel, erhält man den Ressourcenindex. Er ist die zentrale Grösse des Ressourcenausgleichs. Kantone über dem Durchschnitt gelten als ressourcenstark und zahlen in den Finanzausgleich ein. Kantone unter dem Durchschnitt erhalten hingegen Geld (siehe Abbildung 1).

Abb. 1: Ressourcenausgleich 2024: Wer nimmt? Wer gibt?

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Quelle: EFV / Die Volkswirtschaft

Die ressourcenschwachen Kantone erreichen nach Ausgleich mindestens die garantierte Mindestausstattung von 86,5 Prozent des schweizerischen Durchschnitts. Damit wird sichergestellt, dass jeder Kanton über genügend finanzielle Mittel verfügt, um seine grundlegenden Aufgaben wahrnehmen zu können. 2024 bezahlen acht Kantone ein – allen voran Zug. Die ressourcenstarken Kantone finanzieren 40 Prozent des Ressourcenausgleichs, der Bund 60 Prozent. 2024 werden mittels Ressourcenausgleich 4,5 Milliarden Franken vom Bund und den ressourcenstarken Kantonen an die ressourcenschwachen Kantone umverteilt.

Beträchtlicher Umverteilungseffekt

Doch hält der Finanzausgleich, was er verspricht? Erfüllt er das zentrale Ziel, die finanzielle Ungleichheit zwischen den Kantonen abzubauen?

Ein Instrument, um die Ungleichheit zwischen den Kantonen zu messen, ist der Gini-Koeffizient. Er misst, wie ungleich die Steuereinnahmen pro Kopf sind. Da die Steuerbelastung in den Kantonen unterschiedlich ist, wird ein Durchschnittssteuersatz über alle Kantone verwendet. Beträgt der Gini-Koeffizient null, sind die Steuereinnahmen pro Kopf in allen Kantonen gleich hoch. Beträgt er eins, hat ein Kanton alle Steuereinnahmen.

Vergleicht man die Gini-Koeffizienten mit und ohne Nationalen Finanzausgleich, zeigt sich, dass es mit dem Ressourcenausgleich gelingt, die Unterschiede zwischen den Kantonen um rund ein Drittel zu reduzieren (siehe Abbildung 2).

Abb. 2: Der Ressourcenausgleich verringert die kantonale Ungleichheit (Gini-Koeffizienten 2008–2024)

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Quelle: EFV / Die Volkswirtschaft

Allerdings: Seit 2022 nimmt der Gini-Koeffizient wieder etwas stärker zu (siehe Abbildung 2). Ist das ein Problem? Nein, denn der Ressourcenausgleich reagiert darauf automatisch: Nehmen die Unterschiede zu, so fliessen mehr Mittel. Befürchtungen seitens der ressourcenschwa­chen Kantone, dass sie wegen zunehmender Disparitäten weniger Mittel aus dem Finanz­ausgleich erhalten könnten, sind daher unbegründet. Denn die zunehmenden Ungleichheiten führen automatisch zu steigenden Finanzierungslasten beim Bund und bei den ressourcen­starken Kantonen.

Die Unterschiede bei der finanziellen Leistungsfähigkeit werden im Weiteren auch von der Konjunktur beeinflusst. In einer Aufschwungsphase wachsen die ressourcenstarken Kantone in der Regel stär­ker als die ressourcenschwachen, was zu einer Zunahme der Disparitäten führt. Umgekehrt trifft ein konjunk­tureller Einbruch die Wirtschaftszentren tendenziell stärker, sodass die Disparitäten in einer Abschwungsphase zurückgehen. Dies tritt allerdings erst mit einer zeitlichen Verzögerung ein, da im Ressourcenausgleich Steuerdaten verwendet werden, die vier bis sechs Jahre zu­rückliegen.

Wie unsere Analyse zeigt, reduziert der Ressourcenausgleich mit seiner Umverteilungswirkung also die Disparitäten in der finanziellen Leistungsfähigkeit zwischen den Kan­tonen substanziell und effektiv. Damit trägt der Ressourcenausgleich massgeblich zum Zusammenhalt der Schweiz bei. Denn mit dem Ressourcenausgleich verfügen auch die finanziell schwächsten Kantone über genü­gend Mittel, um ihre Aufgaben autonom wahrnehmen zu können.

Zitiervorschlag: Peter Schwendener, Werner Weber (2024). Der Finanzausgleich hält, was er verspricht. Die Volkswirtschaft, 16. April.

Die Instrumente des Finanzausgleichs

Der Ressourcenausgleich hat zum Ziel, die ressourcenschwachen Kantone mit genügend frei verfügbaren Finanzmitteln auszustatten. Die Mindestausstattung ist gesetzlich geregelt und beläuft sich auf 86,5 Prozent des schweizerischen Durchschnitts. Der Ressourcenaus­gleich wird durch den Bund (vertikaler Ressourcenausgleich) und die ressourcenstarken Kantone (horizontaler Ressourcenausgleich) finanziert. Die Ressourcenstärke misst die steu­erlich ausschöpfbare wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Kantone (Volumen 2024: 4,5 Mrd. Franken).

Die beiden Lastenausgleichsgefässe: Kantone, die durch ihre Bevölkerungsstruktur oder ihre Zentrumsfunktion übermässig belastet sind, werden durch den soziodemografischen Lastenausgleich (SLA) entlastet. Kantone, die bedingt durch ihre Höhenlage, die Steilheit des Geländes oder aufgrund ihrer spezifischen Besiedlungsstruktur übermässig Lasten zu tragen haben, werden durch den geografisch-topografischen Lastenausgleich (GLA) entlastet. SLA und GLA werden vollständig durch den Bund finanziert (Volumen 2024 0,9 Mrd. Fr).

Temporäre Massnahmen sorgen dafür, dass negative Auswirkungen von Reformen (Ein­führung Nationaler Finanzausgleich, Reform 2020, Anpassungen an Staf) auf einzelne ressourcenschwache Kantone gemildert werden (Volumen 2024 knapp 0,5 Mrd. Franken).