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Lohnen sich Sportgrossanlässe volkswirtschaftlich?

Sportgrossanlässe wie «Weltklasse Zürich» sind in der Schweiz sehr beliebt. Auch ökonomisch sind sie bedeutend: Ihre Wirkungen können weit über den Event hinausgehen. Damit diese nicht überschätzt werden, gibt es aber bei der Berechnung einige Punkte zu beachten.
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Sportgrossanlässe wie «Weltklasse Zürich» locken jedes Jahr Zehntausende Zuschauer nach Zürich – mit positiven Wirkungen für die Schweizer Wirtschaft. (Bild: Keystone)

Sportgrossanlässe tragen zur Leistungs- und Breitensportförderung bei. Über 200’000 Sportveranstaltungen finden jährlich in der Schweiz statt. Nur 0,03 Prozent davon gelten als Sportgrossveranstaltungen, dennoch sind diese für rund ein Drittel des gesamten von Sportveranstaltungen generierten Umsatzes verantwortlich.[1] Wir zeigen auf, wie ökonomische Effekte regional und national wirken und wie durch Grossveranstaltungen ein positives Vermächtnis entstehen kann.

Was sind überhaupt Sportgrossveranstaltungen? Wir verstehen darunter Veranstaltungen mit einem grossen Budget, einer Vielzahl von Teilnehmenden – Zuschauende und Athleten – sowie einer hohen Medienpräsenz. Ein Beispiel ist das Diamond-League-Meeting «Weltklasse Zürich», eine Serie von Leichtathletikveranstaltungen mit rund 25’000 Zuschauern im Stadion und 17 Millionen vor dem TV.

Drei Wertschöpfungsarten

Die ökonomische Bedeutung solcher Anlässe lässt sich anhand der Wertschöpfung, also der zusätzlich generierten wirtschaftlichen Leistung, messen. Hierbei werden drei Arten unterschieden: die direkte Wertschöpfung, die indirekte Wertschöpfung und die induzierte Wertschöpfung. Die direkte Wertschöpfung ist vereinfacht der Umsatz eines Sportevents abzüglich der Vorleistungen. Wenn beispielsweise Bratwürste während des Events verkauft werden, entspricht der Verkaufspreis abzüglich des Einkaufspreises der Bratwürste einem kleinen Teil der gesamten direkten Wertschöpfung. Indirekte Wertschöpfung entsteht, indem der Metzger die Bratwürste herstellt, welche als Vorleistungen bezogen werden. Die dritte Art, die induzierte Wertschöpfung, umfasst die Entschädigung der Produktionsfaktoren, wie zum Beispiel den Lohn des Personals der Essensstände, welches diesen wiederum für Konsum verwenden kann. Indirekte und induzierte Wertschöpfung lösen wiederum weitere Wertschöpfung aus, und es entsteht eine Wertschöpfungskette. Folglich ist die ökonomische Wirkung eines Anlasses insgesamt höher als die unmittelbare, direkte Wertschöpfung. Ausgedrückt werden diese verstärkenden Effekte mit dem Multiplikator, einer seit Keynes in Ökonomielehrbüchern viel genannten Kennzahl.

Zusätzlich zur Unterscheidung der drei Wertschöpfungsarten müssen die ökonomischen Wirkungen hinsichtlich der Zeitdimension differenziert werden: Investitionen in die Infrastruktur, beispielsweise in ein Stadion oder neue Hotelanlagen, erfolgen teilweise schon Jahre vor dem Event. Auch tourismuswirtschaftliche Impulse lösen vor, während und nach dem Event wirtschaftliche Wirkungen aus. Beispielsweise, wenn Teilnehmende und Zuschauende ihren Aufenthalt in Zürich verlängern. Langfristig können die gesteigerte Attraktivität des touristischen Angebots sowie die grössere Bekanntheit dank dem Event langfristig zu mehr Nachfrage in der Destination führen.

Aktuelle Zahlen, wie wichtig Grossveranstaltungen sind, gibt es nicht – sie existieren nur für den Sport allgemein. Gemäss einer Studie im Auftrag des Bundesamts für Sport (Baspo) löste der Sport 2017 einen Umsatz von 22,2 Milliarden Franken und eine Bruttowertschöpfung von 11,4 Milliarden Franken aus.[2] Damit trägt der Sport mit 1,7 Prozent zum Bruttoinlandprodukt (BIP) und 2,4 Prozent zur Gesamtbeschäftigung in der Schweiz bei. Darin enthalten sind auch Umsätze, die durch Sportveranstaltungen von privaten Organisationen und nationalen Sportvereinen und Sportverbänden generiert wurden – also nicht nur durch Grossveranstaltungen. Die Wertschöpfung des Sports ist in den Jahren 2005 bis 2017 absolut angestiegen (siehe Abbildung), relativ als Anteil des BIP jedoch nicht.

Wertschöpfung des Sports in der Schweiz ist von 2005 bis 2017 gestiegen (brutto)

INTERAKTIVE GRAFIK
Quelle: Studien im Auftrag des Baspo[3] / Die Volkswirtschaft

Wirkungen nicht überschätzen

Wertschöpfungseffekte von Sportgrossanlässen müssen kritisch reflektiert werden. Der oben genannte Multiplikator hängt wesentlich vom berücksichtigten geografischen Perimeter, in welchem die indirekten und induzierten Wertschöpfungswirkungen anfallen, ab. Wenn diskutiert wird, ob ein Anlass regionalökonomisch bedeutend ist, dürfen nur regional bezogene Vorleistungen berücksichtigt werden, weil sonst die regionalökonomische Wirkung von Sportgrossanlässen überschätzt wird. Gerade für ein Land wie die Schweiz mit einer starken Aussenwirtschaftsorientierung ist das wichtig. Im Jahr 2022 importierte die Schweiz beispielsweise Waren und Dienstleistungen in der Höhe von fast 500 Milliarden Franken, was rund 63 Prozent des BIP der Schweiz entspricht.[4]

Auch besteht das Risiko ungewollter Verdrängungseffekte: Wenn Hotels während einer Ski-Weltmeisterschaft in der Austragungsregion auch ohne den Anlass ausgebucht gewesen wären, wird die touristische Wertschöpfungswirkung auch hier überschätzt. Zusätzlich gilt zu berücksichtigen, dass die Wertschöpfung für ein Land nicht komplett entfällt, wenn der Anlass nicht durchgeführt wird: Besuchende gehen stattdessen vielleicht an ein Rennen des Ski-Weltcups oder machen einen Wochenendausflug in der Schweiz.

Ebenfalls von zentraler Bedeutung ist es, zwischen wiederkehrenden und einmaligen Sportgrossanlässen zu unterscheiden. Wiederkehrende Veranstaltungen können langfristig positive Wirkungen in den Bereichen Sport, Wirtschaft und Tourismus auslösen. Bei einmaligen Grossanlässen ist dies schwieriger umzusetzen. Hinzu kommt, dass die Kosten vorgängig schwer abzuschätzen sind. Die Auktionstheorie hat in diesem Zusammenhang den Begriff des «Winner’s Curse» – des Fluchs des Gewinners – geprägt.[5] Dieser entsteht, weil konkurrierende Austragungsorte aufgrund von Unsicherheiten beispielsweise ihre Kosten unterschätzen und deshalb eine für sie finanziell unvorteilhafte Bewerbung abgeben. Am Ende bekommt der optimistischste Austragungsort den Zuschlag, für welchen die Austragung zu einem Fluch werden kann.

Vermächtnis von Sportgrossanlässen

Austragungsregionen und Veranstalter stehen vor der Herausforderung, nicht nur die finanziellen Risiken bei der Durchführung von Sportgrossanlässen zu minimieren, sondern Investitionen zu tätigen, die langfristig der Region, dem Sport und der Gesellschaft einen positiven Nutzen stiften. Neben den wirtschaftlichen Effekten von Veranstaltungen kann sich das sogenannte Vermächtnis von Events – abhängig von der Grösse – über zahlreiche Bereiche erstrecken.[6] Bauten wie neue Stadien, Verkehrswege und Unterkünfte entstehen unter anderem durch Grossveranstaltungen. Diese Anlagen dienen nicht nur dem Sport, sondern schaffen langfristig einen Mehrwert für die Region und ihre Bevölkerung. Darüber hinaus haben Gastgeberregionen oder -länder die Möglichkeit, sich der Welt in einem positiven Licht zu präsentieren. Ein erfolgreicher Event stärkt damit das nationale und internationale Image. Über alle Bereiche hinweg bieten Sportgrossveranstaltungen eine Plattform für Innovationen und den Aufbau und die Weiterentwicklung von Know-how.

Insgesamt zeigen die vielfältigen Wirkungen von Sportgrossveranstaltungen, dass diese weit über den eigentlichen Event hinausgehen können. Es liegt an den Veranstaltern und Austragungsregionen, die Chancen zu nutzen und sicherzustellen, dass neben relevanten ökonomischen Wirkungen das Vermächtnis von Sportgrossveranstaltungen positiv und nachhaltig in möglichst vielen Bereichen wirkt.

  1. Siehe Stettler et al. (2008). Internationale Sportorganisationen mit Sitz in der Schweiz (z. B. der Weltfussballverband Fifa) beeinflussen das Schweizer BIP. Für Ausführungen dazu siehe z. B. Wegmüller, Fischer und Kemeny (2023). In diesem Artikel fokussieren wir hauptsächlich auf Anlässe, die in der Schweiz stattfinden. []
  2. Siehe Hoff et al. (2020). []
  3. Siehe Baspo (2024). []
  4. Siehe SNB (2023) und BFS (2023). []
  5. Siehe Andref (2012). []
  6. Siehe Stettler, Müller und Wallebohr (2018). []

Literaturverzeichnis
  • Andref, W. (2012). The Winner’s Curse: Why Is the Cost of Sports Mega-Events So Often Underestimated? International Handbook on the Economics of Mega Sporting, 37–69.
  • Bundesamt für Sport Baspo (2024). Sport und Wirtschaft Schweiz.
  • Bundesamt für Statistik BFS (2023). Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung.
  • Hoff, O. et al. (2020). Sport und Wirtschaft Schweiz – Wirtschaftliche Bedeutung des Sports in der Schweiz. Rüschlikon: Rütter Soceco.
  • SNB (2023). Zahlungsbilanz der Schweiz – Übersicht – Jahr.
  • Stettler, J. et al. (2008). Wirtschaftliche Bedeutung der Sportveranstaltungen in der Schweiz. Luzern.
  • Stettler, J., Müller, H. und A. Wallebohr (2018). Nachhaltigkeit, Innovation und Vermächtnis von Grossveranstaltungen (NIV). Leitfaden. Luzern.
  • Wegmüller, P., Fischer, S. und F. Kemeny (2023). Warum die WM in Katar das Schweizer BIP erhöht. Die Volkswirtschaft. 28. Februar.

Bibliographie
  • Andref, W. (2012). The Winner’s Curse: Why Is the Cost of Sports Mega-Events So Often Underestimated? International Handbook on the Economics of Mega Sporting, 37–69.
  • Bundesamt für Sport Baspo (2024). Sport und Wirtschaft Schweiz.
  • Bundesamt für Statistik BFS (2023). Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung.
  • Hoff, O. et al. (2020). Sport und Wirtschaft Schweiz – Wirtschaftliche Bedeutung des Sports in der Schweiz. Rüschlikon: Rütter Soceco.
  • SNB (2023). Zahlungsbilanz der Schweiz – Übersicht – Jahr.
  • Stettler, J. et al. (2008). Wirtschaftliche Bedeutung der Sportveranstaltungen in der Schweiz. Luzern.
  • Stettler, J., Müller, H. und A. Wallebohr (2018). Nachhaltigkeit, Innovation und Vermächtnis von Grossveranstaltungen (NIV). Leitfaden. Luzern.
  • Wegmüller, P., Fischer, S. und F. Kemeny (2023). Warum die WM in Katar das Schweizer BIP erhöht. Die Volkswirtschaft. 28. Februar.

Zitiervorschlag: Wallimann, Hannes; Wallebohr, Anna; Stettler, Jürg (2024). Lohnen sich Sportgrossanlässe volkswirtschaftlich? Die Volkswirtschaft, 02. April.