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Wie steht es um die Schweizer Entwicklungshilfe?

Wie steht es um die Schweizer Entwicklungshilfe?

Hilfe in den ärmsten Gegenden ist am wirkungsvollsten: Zum Beispiel ein besserer Zugang zu sauberem Wasser im Jemen. (Bild: Keystone)
Frau Pomeranz, was versteht man unter dem Begriff «Entwicklungsländer»?

Der Begriff ist sehr unpräzis, denn natürlich «entwickeln» sich sowohl reiche wie arme Länder ständig weiter und wachsen auch wirtschaftlich. Nur ungefähr 16 Prozent der Weltbevölkerung leben in Ländern mit hohen Einkommen. Dazu zählen jene Länder mit einem Durchschnittseinkommen von über rund 12’000 Franken pro Jahr. Alle anderen werden gemeinhin als Entwicklungsländer bezeichnet.

Wie ist die Entwicklung in diesen Ländern?

Die weltweite Armutsbekämpfung hat enorme Erfolge gezeitigt. Die extreme Armut wurde in den letzten zwei Jahrzehnten um mehr als die Hälfte reduziert. Trotzdem muss immer noch fast jeder zehnte Mensch auf der Welt mit weniger als 2 Franken pro Tag auskommen.

Wie viel gibt die Schweiz für die Entwicklungszusammenarbeit aus?

Wenn man die Ausgaben für das Asylwesen im Inland nicht mit einrechnet, gab die Schweiz 2022 0,4 Prozent des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungszusammenarbeit aus, wobei nur 0,12 Prozent in die allerärmsten Länder flossen. Selbst wenn man die Kosten für das Asylwesen dazuzählt, liegt die Schweiz immer noch weit unter dem von ihr mehrmals bekräftigten UNO-Ziel von 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens und weit hinter Ländern wie Deutschland oder Norwegen.

Dabei zeigt die Sicherheitsstudie der Militärakademie und der ETH, dass rund zwei Drittel der Schweizer Stimmbevölkerung eine Erhöhung der öffentlichen Entwicklungshilfe wünschen.

 

Die Forschung zeigt, dass viele Projekte einen enorm hohen Wirkungsgrad haben – und dies in ganz verschiedenen Bereichen.

 

Was wissen wir über die Wirkung der Entwicklungsarbeit?

Die wissenschaftlichen Methoden zur Wirkungsmessung von Entwicklungsprojekten haben sich in den letzten Jahren enorm verbessert, unter anderem Dank randomisierten Studien, für deren Entwicklung 2019 der Wirtschaftsnobelpreis vergeben wurde. Unterdessen gibt es Hunderte von qualitativ hochstehenden Studien zu den unterschiedlichsten Themen der Entwicklungszusammenarbeit – basierend auf randomisierten Feldexperimenten oder auf anderen statistischen Methoden, welche die kausalen Effekte verlässlich messen können.

Diese Forschung zeigt, dass viele Projekte einen enorm hohen Wirkungsgrad haben – und dies in ganz verschiedenen Bereichen. Sei es im Gesundheitsbereich, etwa durch Malarianetze oder Impfkampagnen, in der Bildung, zum Beispiel durch Gratis-Schulmahlzeiten oder Stipendien, bei Infrastrukturprojekten, beispielsweise durch Zugang zu sauberem Wasser oder durch den Bau von Brücken oder Strassen, oder sei es im Bereich der Gouvernanz, zum Beispiel durch international unterstützte Gerichts- oder Steuerreformen.

Was könnte verbessert werden?

Obschon die Wirkung der Entwicklungszusammenarbeit bereits hoch ist, könnte sie auf zwei Arten weiter erhöht werden. Einerseits, indem die Gelder vermehrt in die ärmsten Gegenden investiert werden; denn dort kann der gleiche Betrag einen grösseren Effekt erreichen. Andererseits, indem die neuen Methoden der Wirkungsmessung noch stärker zur Anwendung kommen. Wenn die Erkenntnisse aus den vielen existierenden, qualitativ hochstehenden Studien noch systematischer in die Projekte einfliessen würden, könnte die Wirkung noch gesteigert werden.

Zitiervorschlag: Die Volkswirtschaft / La Vie économique (2024). Wie steht es um die Schweizer Entwicklungshilfe. Die Volkswirtschaft, 08. April.

Interviewpartnerin

Dina Pomeranz ist Assistenzprofessorin für angewandte Ökonomie am Institut für Volkswirtschaftslehre der Universität Zürich