Banken: Neuer CEO, neue Strategie

Wechselt die UBS mit Sergio P. Ermotti ihre Strategie? Pressekonferenz in Zürich. (Bild: Keystone)
Viele Banken wurden herausgefordert: Die globale Finanzkrise 2008 und der Kollaps der Silicon Valley Bank und der Credit Suisse 2023 haben zu Verschärfungen der regulatorischen Rahmenbedingungen geführt.[1] Die Geldpolitik der Zentralbanken – auch in der Schweiz – hat zeitweilig ein Negativzins-Umfeld geschaffen.[2] Hinzu kommen die Digitalisierung, die Bedürfnisse und Verhalten der Bankkundschaft verändert, sprich das Aufkommen von E-Banking und Mobile-Banking, sowie Markteintritte zusätzlicher Akteure, sogenannter Fintechs.[3]
Analyse von fünf Banken
Veränderungen innerhalb oder ausserhalb des Unternehmens führen oft zu einer Anpassung in der Strategie.[4] Mit Strategie wird die grundlegende Ausrichtung einer Organisation für den langfristigen Erfolg verstanden.[5] Gerade in einem solchen dynamischen Umfeld, wie es Banken in den letzten Jahren erlebt haben, sind Strategien ein wirkungsvolles Steuerungsinstrument für Verwaltungsräte und CEOs. Aufgrund des turbulenten Marktumfelds im Bankensektor in den letzten Jahren lässt sich vermuten, dass zahlreiche Strategien nicht nur leicht angepasst, sondern auch klar verändert wurden. Um diese Annahme zu prüfen, haben wir Geschäftsberichte von fünf international tätigen Banken – UBS, Credit Suisse, Deutsche Bank, ING und HSBC – über den Zeitraum von zehn Jahren (2013 bis 2022) untersucht. Mittels einer explorativen Inhaltsanalyse haben wir für jede Bank Ausführungen zur Strategie anhand von Schlagworten des Strategischen Managements erfasst. Des Weiteren haben wir Medienmitteilungen und -berichte zu CEO-Wechseln bei diesen fünf Banken analysiert.
Die Daten zeigen, dass im untersuchten Zeitraum bei den fünf Banken insgesamt elf Strategieänderungen vorgenommen wurden. Bei Credit Suisse und HSBC wurden je drei neue Strategien kommuniziert, bei Deutsche Bank und ING waren es zwei und bei der UBS eine. Mit drei Neubesetzungen der CEO-Position kam es bei der Credit Suisse am häufigsten zu Rochaden, gefolgt von je zwei bei Deutsche Bank, ING und HSBC und einer bei der UBS. Bei den elf Strategieänderungen ist in zehn Fällen ein plausibler Zusammenhang zwischen der Neubesetzung der CEO-Position und einer zeitlich nachgelagerten Strategieentwicklung erkennbar (siehe Abbildung). In einem Fall änderte die Strategie ohne vorherigen CEO-Wechsel.
Aus den Medienmitteilungen und -berichten zu den CEO-Wechseln lässt sich lediglich in vier Fällen auf eine geregelte Nachfolge schliessen. Bei sechs von zehn Neubesetzungen deuten der Wortlaut und die Medienberichterstattung auf eine ungeplante Veränderung der obersten Führungsposition hin. In der Schweiz sorgte insbesondere die Credit-Suisse-Beschattungsaffäre und als Folge davon der Rücktritt von CEO Tidjane Thiam für grosses Aufsehen.[6]
Zehn von elf Strategieänderungen folgten auf einen CEO-Wechsel
Quelle: Geschäftsberichte der Banken / Die Volkswirtschaft
Agieren statt reagieren
Aus der Detailanalyse der elf Fälle von Strategieänderungen stechen einige Auffälligkeiten hervor. Bei allen fünf Banken werden Themen der alten Strategie auch in der neuen aufgeführt. Bemerkenswert sind die teilweise identischen oder sehr ähnlichen Formulierung zu «führende Marktposition», «Wachstum», «Kosten» und «Kundschaft». Zudem sind häufig Beschreibungen zum «Portfolio» zu finden, wozu oftmals die Begriffe «Optimierung», «Restrukturierung», «Verkauf», «Fokus» und «Konzentration» verwendet werden. Insgesamt lassen sich zwei Formen von Strategieähnlichkeiten erkennen. Erstens gleichen sich wesentliche inhaltliche Ausführungen zur alten und zur neuen Strategie bei den einzelnen Banken – also «more of the same». Zweitens sind thematische Ähnlichkeiten bei allen fünf Banken erkennbar – also «same but not different». Diese beiden Erkenntnisse lassen den Schluss zu, dass eine neue Strategie nicht gleichzusetzen ist mit einer radikalen Änderung der grundlegenden Ausrichtung einer Organisation.
Aus dieser qualitativen Studie lassen sich zwei Handlungsempfehlungen für das Strategische Management in Unternehmen ableiten. Erstens ist es sinnvoll, Strategie als kontinuierliche Managementaufgabe zu verstehen – und nicht erst in kritischen Situationen strategisch zu führen.[7] Strategisches Denken beinhaltet vorausschauendes Handeln der obersten Führungsgremien, um die langfristige Ausrichtung und den nachhaltigen Erfolg einer Organisation sicherzustellen.[8] Dabei gilt es, den Denkmodus von «reagieren» auf «agieren» umzustellen. Damit wird der bei den Banken aufgezeigte Zusammenhang zwischen CEO-Wechsel und einer Strategieänderung entkoppelt. Sofern die obersten Führungsebenen das Strategische Management nicht vernachlässigen, wird für die Entwicklung und Umsetzung einer neuen Strategie nicht per se ein neuer CEO benötigt.
Zweitens weisen die Ergebnisse unserer Untersuchung darauf hin, bei der Strategie auf die explizite Differenzierung gegenüber Konkurrenzunternehmen zu achten. Um langfristig erfolgreich zu sein, ist es entscheidend, andere Aktivitäten als die Wettbewerber oder ähnliche Aktivitäten in einer anderen Art und Weise auszuführen.[9] Strategische Führung heisst somit auch, eine spezifische Marktposition in Abgrenzung zu den Standardthemen aufzubauen. Die Herausforderung besteht darin, bei der Strategie auch auf einzigartige Kompetenzen oder Leistungen zu achten. Ein gutes Anschauungsbeispiel dazu ist die UBS-Strategie 2021. Die neue Strategie wird eingebettet in den sogenannten Purpose, den Zweck des Unternehmens. Im Weiteren wird die Rolle der UBS als «Orchestrator» in einem globalen Ökosystem hervorgehoben. Zudem wird auf einer ganzen Seite beschrieben, wie durch den gezielten Einsatz von digitalen Technologien strategischer Wert geschaffen werden soll, nämlich mit Agilität, Automatisierung und einer digitalen Kultur.
- Siehe Ewerhart et al. (2022), Finma (2024) und NZZ (2023). []
- Siehe NZZ (2022). []
- Siehe Finma (2024). []
- Siehe Agarwal und Helfat (2009). []
- Siehe Whittington et al. (2021). []
- Siehe NZZ (2021) und Credit Suisse (2020). []
- Siehe Kaplan und Norton (2001). []
- Siehe Hungenberg (2014) und Whittington et al. (2021). []
- Siehe Porter (1996), S. 62. []
Literaturverzeichnis
- Agarwal, R. und C.E. Helfat (2009). Strategic Renewal of Organizations. Organization Science, Vol. 20, No. 2, S. 281–293.
- Credit Suisse (2020). Änderungen in der Konzernleitung.
- Ewerhart, C. et al. (2022). Nobelpreis 2022: Von Banken und Krisen. Die Volkswirtschaft, 10. November.
- Finma (2024). Jahresbericht 2023.
- Hungenberg, H. (2014). Strategisches Management in Unternehmen (8. Auflage). Springer Gabler.
- Kaplan, R.S. und D.P. Norton (2001). Die strategiefokussierte Organisation. Schäffer Poeschel.
- NZZ (2021). Die Finma lanciert in der Credit-Suisse-Beschattungsaffäre ein Verfahren gegen drei Einzelpersonen. 19. Oktober.
- NZZ (2022). Die Zinswende gewinnt an Schwung. 23. September.
- NZZ (2023). Dasselbe Schicksal wie die Credit Suisse. 15. September.
- Porter, M.E. (1996). What is strategy? Harvard Business Review, Vol. 74, No. 6, S. 61-78.
- Whittington, R. et al. (2021). Strategisches Management (12. Auflage). Pearson.
Bibliographie
- Agarwal, R. und C.E. Helfat (2009). Strategic Renewal of Organizations. Organization Science, Vol. 20, No. 2, S. 281–293.
- Credit Suisse (2020). Änderungen in der Konzernleitung.
- Ewerhart, C. et al. (2022). Nobelpreis 2022: Von Banken und Krisen. Die Volkswirtschaft, 10. November.
- Finma (2024). Jahresbericht 2023.
- Hungenberg, H. (2014). Strategisches Management in Unternehmen (8. Auflage). Springer Gabler.
- Kaplan, R.S. und D.P. Norton (2001). Die strategiefokussierte Organisation. Schäffer Poeschel.
- NZZ (2021). Die Finma lanciert in der Credit-Suisse-Beschattungsaffäre ein Verfahren gegen drei Einzelpersonen. 19. Oktober.
- NZZ (2022). Die Zinswende gewinnt an Schwung. 23. September.
- NZZ (2023). Dasselbe Schicksal wie die Credit Suisse. 15. September.
- Porter, M.E. (1996). What is strategy? Harvard Business Review, Vol. 74, No. 6, S. 61-78.
- Whittington, R. et al. (2021). Strategisches Management (12. Auflage). Pearson.
Zitiervorschlag: Stadler, Michael; Michel, Severin; Müller, Frithjof (2024). Banken: Neuer CEO, neue Strategie. Die Volkswirtschaft, 18. Juni.