Drei von vier Versicherten in der 2. Säule wählen eine Rente
Verheiratete Frauen wählen in der beruflichen Vorsorge deutlich häufiger einen Kapitalbezug als verheiratete Männer. (Bild: Keystone)
Wer an der Schwelle zur Pensionierung steht, muss mitunter grosse Entscheidungen fällen. Eine davon betrifft die 2. Säule der Schweizer Altersvorsorge: Soll man sich eine monatliche Rente oder das ganze angesparte Alterskapital auf einmal auszahlen lassen?
Das Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG) sieht eigentlich vor, dass bei Renteneintritt das Altersguthaben in Form einer Rente bezogen wird. Auf Antrag kann das Guthaben aber auch als einmaliger Kapitalbezug oder in einer Kombination von Rente und Kapital bezogen werden. Für welche Form man sich am besten entscheidet, hängt von verschiedenen Aspekten ab. Ausschlaggebend sind insbesondere die finanzielle und die familiäre Situation eines Haushalts sowie das eigene Interesse und das Wissen rund um Finanzfragen.
Das sind die Vorteile einer Rente
Für eine Rente spricht, dass man sich weder um Anlage- noch Langlebigkeitsrisiken kümmern muss. Jeden Monat wird lebenslänglich ein vordefiniertes Einkommen ausbezahlt. Im Todesfall erhält die Partnerin oder der Partner unter gewissen Voraussetzungen weiterhin einen Teil der Rente. Attraktiv ist diese Bezugsform somit für Personen, die sich nicht mit Finanzfragen auseinandersetzen möchten sowie guter Gesundheit sind und deshalb von einer langen Rentenbezugsdauer ausgehen können. Vorteile hat der Bezug einer Rente deshalb gerade auch für Personen, deren Lebenspartner wesentlich jünger und bester Gesundheit ist. Denn auch diese profitieren von einer lebenslangen Rente.
Zudem ist eine Rente eine attraktive Bezugsform für Personen mit mittlerem Einkommen, welches im obligatorischen Teil, also im BVG, versichert ist: Das BVG schreibt derzeit einen Mindestumwandlungssatz von 6,8 Prozent vor – sprich: Pro 100’000 Franken Altersguthaben wird jährlich eine Rente von 6800 Franken ausbezahlt. Eine Rendite in dieser Höhe könnte durch Eigenanlagen am Kapitalmarkt nur mit hohen Risiken erzielt werden.
Das sind die Vorteile eines Kapitalbezugs
Dennoch entscheiden sich viele für die Auszahlung des gesamten angesparten Altersguthabens. Denn der Kapitalbezug ermöglicht eine hohe Flexibilität, über das Geld zu verfügen. Gleichzeitig setzt dies eine hohe Eigenverantwortung voraus. Attraktiv ist diese Bezugsform nicht zuletzt aus steuerlichen Gründen. Denn im Gegensatz zur Rente fällt sie nicht unter die Einkommenssteuer, sondern unter die Vermögenssteuer, welche deutlich tiefer ist. Diese Bezugsform kann für Personen attraktiv sein, welche sich gut mit Finanzen auskennen oder sich damit beschäftigen möchten. Auch für Personen, die unterstützungspflichtige Kinder haben und die die eigene Gesundheit und die des Partners als eher schlecht einschätzen, hat ein Kapitalbezug Vorteile. Der Grund: Das verbleibende Altersguthaben kann man seinen Kindern vererben, was bei einer Rente nicht möglich ist. Zudem macht diese Bezugsform eher für besser verdienende Personen Sinn, da diese mit schwankenden Kapitalerträgen besser zurechtkommen.
Mit einer Kombination aus Rente und Kapitalbezug lassen sich die Vorteile der beiden Bezugsformen vereinen. Insbesondere die Risiken, die mit einem Kapitalbezug einhergehen, lassen sich so reduzieren.
Wer wählt welche Bezugsform?
So weit die Theorie. Doch wie sieht es tatsächlich aus? Wer bezieht das Alterskapital aus der 2. Säule in welcher Form? Die nachfolgende Analyse basiert auf den Daten des Schweizer Haushalt-Panels (SHP), welches jährlich erhoben wird. Untersucht wird jeweils das letzte erhobene Jahr, in welchem eine Person im Datensatz vorhanden ist. Neben den soziodemografischen Faktoren wie Alter, Geschlecht oder Bildung wird auch die finanzielle Zufriedenheit analysiert. Diese kann sich nach der Pensionierung verändern. Es werden daher nur Personen analysiert, die mindestens drei Jahre pensioniert sind und mit der gewählten Bezugsform bereits drei Jahre Erfahrung haben. Über die Jahre 2002 bis 2022 fliessen so insgesamt 3296 Personen in die Untersuchung ein.
Die Ergebnisse zeigen, dass die überwiegende Mehrheit der Pensionierten die Rente wählt (siehe Abbildung 1). Nur jeder zehnte entscheidet sich für einen reinen Kapitalbezug und 12 Prozent für eine Kombination aus Rente und Kapital. Auffällig ist zudem, dass Männer häufiger eine Rente beziehen als Frauen. Frauen wählen trotz höherer Lebenserwartung häufiger den Kapitalbezug sowie eine Kombination aus Kapital und Rente. Ob dieses Ergebnis mit dem Zivilstand und anderen Faktoren zusammenhängt, wird als Nächstes untersucht.
Abb. 1: Männer wählen deutlich häufiger eine Rente (2002–2022)
INTERAKTIVE GRAFIK
Männer und Frauen entscheiden anders
Wird zusätzlich nach dem Zivilstand unterschieden, fällt auf, dass sich Männer und Frauen auch hier anders verhalten: Während Singlemänner am häufigsten einen Kapitalbezug wählen, bevorzugen Singlefrauen am häufigsten eine Rente. Gerade umgekehrt verhalten sich die Geschlechter bei den beiden Bezugsformen, wenn sie verheiratet oder verwitwet sind: Frauen wählen deutlich häufiger einen Kapitalbezug, Männer ziehen häufiger eine Rente vor.
Abb. 2: Singlefrauen bevorzugen Rente, Singlemänner Kapital (2002–2022)
Wer älter ist, wählt eher eine Rente
Um differenziertere Aussagen darüber machen zu können, wer eher eine Rente und wer eher das Kapital bezieht, haben wir eine Logit-Regression durchgeführt.[1] Eine solche erlaubt es, die Wahrscheinlichkeit der bei der Pensionierung gewählten Bezugsform in Abhängigkeit unterschiedlicher Faktoren zu ermitteln. Im vorliegenden Fall: Alter, Geschlecht, Zivilstand, Bildung, Einkommen und finanzielle Zufriedenheit; diese beziehen sich auf den Zeitpunkt der Befragung, welche mindestens drei Jahre nach der Pensionierung erfolgt.
Unsere Schätzungen zeigen, dass sich Personen, die im Zeitpunkt der Befragung ein höheres Alter aufweisen, im Zeitpunkt der Pensionierung seltener für einen Kapitalbezug entschieden haben. Oder mit anderen Worten: Sie wählen eher die Rente. Dies könnte damit zusammenhängen, dass früher die Umwandlungssätze und damit die Renten höher waren als in der jüngeren Vergangenheit. Jüngere Generationen beziehen tendenziell öfter das Kapital als ältere Generationen.
Die Regression bestätigt auch das Ergebnis aus der deskriptiven Analyse für das Geschlecht. Demnach entscheiden sich Männer eher für eine Rente als einen Kapitalbezug (siehe Abbildung 1).
Hingegen haben sich verheiratete und verwitwete Personen eher für einen Kapitalbezug entschieden – anders als Singles, Geschiedene und Getrennte. Ebenfalls wählen Personen mit einem höheren Haushaltseinkommen eher einen Kapitalbezug. Ob jemand studiert hat oder nicht, hat hingegen keinen Einfluss auf die Wahl der Bezugsform.
Interessant ist zudem, dass sich die Bezugsform auch hinsichtlich der finanziellen Zufriedenheit nicht unterscheidet. Obwohl ein Kapitalbezug mit einem höheren finanziellen Risiko einhergeht, kann nicht festgestellt werden, dass Personen mit dieser Bezugsform finanziell unzufriedener sind als die Bezüger einer Rente oder einer Kombination von Rente und Kapital. Dies lässt die Schlussfolgerung zu, dass Personen vor Renteneintritt eine individuell passende Bezugsform wählen – sowohl bezüglich der finanziellen als auch der familiären Situation.
- Die Resultate werden auf Anfrage von den Autoren zur Verfügung gestellt. []
Zitiervorschlag: Seiler Zimmermann, Yvonne; Zimmermann, Heinz (2024). Drei von vier Versicherten in der 2. Säule wählen eine Rente. Die Volkswirtschaft, 04. Juli.