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Nicht genügend Wohnungen: Tourismusgemeinden ergreifen Massnahmen

Die Lage auf dem Immobilienmarkt ist schon länger angespannt. Wohnungsknappheit betrifft neu neben urbanen Ballungszentren auch touristische Hotspots im Alpenraum. Die Gründe für diese Entwicklung sind vielfältig, ebenso die Lösungen.
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In touristischen Hotspots ist die Nachfrage nach Erstwohnungen gestiegen. Die Ursachen sind vielfältig. Kunstwerk in Leysin VD. (Bild: Keystone)

Im November 2023 hat die Bevölkerung von Flims GR auf die akute Wohnungsknappheit in ihrer Gemeinde reagiert. Wie in vielen touristischen Hotspots in den Bergen finden Einheimische und Arbeitskräfte dort kaum mehr bezahlbaren Wohnraum. Die Flimser haben deshalb mit einem Ja-Anteil von 70 Prozent eine Teilrevision der Ortsplanung beschlossen. Wer in Flims künftig Wohnungen abbricht und neu aufbaut oder im grossen Stil umbaut, muss mindestens die Hälfte der Wohnfläche den Einheimischen als Erstwohnung anbieten.

Eigentümerinnen, die keine oder zu wenig Erstwohnfläche schaffen, können eine Ersatzabgabe bezahlen. Sie fliesst in einen Fonds zur Förderung von preisgünstigem Wohnraum. Mit einer aktiven Bodenpolitik versucht Flims zudem, Bauparzellen und Immobilien zu erwerben, und gibt Bauland im Baurecht ab. So kann die Gemeinde Einfluss auf die Wohnraumentwicklung nehmen, indem sie unter Auflagen gemeinnützige und genossenschaftliche Bauträger mit der Immobilienentwicklung betraut. Schliesslich verbietet die Gemeinde die Umnutzung von Hotels in Zweitwohnungen – eine zusätzliche Massnahme, die potenziellen Erstwohnraum sichert.

Zweitwohnungen sind gefragt

Woher kommt die Wohnungsknappheit in Tourismusdestinationen in den Bergen? Die Ursachen sind vielfältig. Erstens ist die Nachfrage nach Zweitwohnungen während der Pandemie sprunghaft angestiegen. Gründe dafür sind unter anderem die Möglichkeit, mehr im Homeoffice zu arbeiten, sowie die temporär eingeschränkten Reisemöglichkeiten. Dies zeigt das im Frühjahr 2023 publizierte Monitoring zum Vollzug und zu den Wirkungen des Zweitwohnungsgesetzes. Der Angebotsüberhang an Zweitwohnungen, der in der Wirkungsanalyse von 2021 festgestellt wurde, schwand dahin.

Zweitens ist gerade in den touristischen Hotspots in den vergangenen zehn Jahren auch die Nachfrage nach Erstwohnungen gewachsen. Haupttreiber dafür sind laut Peder Plaz, Co-Geschäftsführer des Wirtschaftsforums Graubünden, neu geschaffene Arbeitsplätze. Jene, die pensioniert werden, bleiben hingegen im Ort. Das erhöht die Nachfrage nach Wohnraum zusätzlich.[1]

Drittens erschwert das Raumplanungsgesetz das Bauen auf der grünen Wiese: Insbesondere Gemeinden mit stagnierenden oder rückläufigen Bevölkerungsprognosen sind hier im Nachteil. Denn die Dimensionierung der Bauzonen richtet sich nach diesen Prognosen. Die betroffenen Gemeinden müssen also überdimensionierte Bauzonen verkleinern und stattdessen innere Baulandreserven mobilisieren. Das ist für viele Gemeinden eine Herausforderung.

Zuletzt trägt auch das Zweitwohnungsgesetz (ZWG) zur Wohnungsknappheit bei (siehe Kasten). Gemäss Artikel 11 des Zweitwohnungsgesetzes (ZWG) sind nämlich altrechtliche Wohnungen frei in der Nutzung. Damit sind Wohnungen und Immobilien gemeint, die vor der Annahme der Initiative im Jahr 2012 bereits gebaut oder bewilligt wurden. Dies hat zur Folge, dass rund 95 Prozent des Wohnungsbestands in sogenannten Zweitwohnungsgemeinden als Zweitwohnung genutzt, vermietet oder verkauft werden können. Zweitwohnungsgemeinden sind Gemeinden, die einen Zweitwohnungsanteil von über 20 Prozent haben und damit den Bestimmungen des ZWG unterstehen.

Weil die Preise von Zweitwohnungen hoch sind, ist die Umnutzung einer Erstwohnung zu einer Zweitwohnung äusserst lukrativ. Dadurch fällt Wohnraum für die Bevölkerung weg. Derartige Umnutzungen haben in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Mit der von Nationalrat Martin Candinas initiierten Lockerung von Artikel 11 ZWG, die voraussichtlich per 01. 01. 2025 in Kraft tritt, können bei Erweiterungen von bestehenden Gebäuden auch neue, in der Nutzung freie Wohnungen geschaffen werden. Das bietet weitere Anreize, zusätzliche Zweit- anstatt Erstwohnungen zu erstellen.

Erfahrungen austauschen

Vor diesem Hintergrund hat das Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) im Februar 2024 zusammen mit dem Bundesamt für Wohnungswesen (BWO) und dem Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) zu einem Erfahrungsaustausch zum Thema «Erstwohnraum in Tourismusgebieten im Alpenraum» eingeladen. Neben Vertreterinnen von Kantonen und Interessengruppen bot der Erfahrungsaustausch auch Gemeinden eine Möglichkeit, ihre Strategien im Umgang mit dem Wohnungsmangel zu präsentieren und zur Diskussion zu stellen.

Nicht nur Flims, sondern auch Davos GR hat eine Strategie im Kampf gegen die Wohnungsknappheit beschlossen. Bei Arealentwicklungen ermöglicht die Gemeinde mittels Gestaltungsplänen beispielsweise höhere Ausnützungsziffern und damit eine dichtere Bauweise. Im Gegenzug für derartige planerische Mehrwerte verlangt die Gemeinde einen Mietanteil von 50 Prozent, wovon wiederum die Hälfte zur Kostenmiete, also nicht renditeorientiert, anzubieten ist. In seiner Wohnraumstrategie fokussiert Davos unter anderem auf Liegenschaften, die der Gemeinde selbst gehören, und deren Potenzial für Erstwohnraum. Weiter will es die Umnutzung altrechtlicher Wohnungen in eine Zweitwohnung mit einem Monitoring erfassen. Ausserdem steht zur Diskussion, Umnutzungen an gut erschlossenen, zentralen Lagen zu beschränken.

Weitere Gemeinden wie Saanen BE und Chateau-d’Oex VD setzen primär auf gemeinnützige und genossenschaftliche Wohnbauprojekte, um Erstwohnraum zu schaffen oder zu erhalten. Surses GR ist bestrebt, bestehenden Wohnraum besser zu nutzen, beispielsweise indem die Gemeinde für ältere Menschen attraktiven Wohnraum erhält oder schafft.

Es braucht ein Umdenken

Wohnraum ist in Gemeinden mit einem Zweitwohnungsanteil von über 20 Prozent grundsätzlich genug vorhanden. Das Problem ist die Verteilung. Bestehenden Wohnraum gilt es für die einheimische Bevölkerung und Zuziehende zu sichern und weiterzuentwickeln. Ein Weiter-wie-bisher führt in eine ökonomische und gesellschaftliche Abwärtsspirale: Die einheimische Bevölkerung wird verdrängt, potenzielle Zuziehende finden keinen Wohnraum, Arbeitgeberinnen keine Angestellten, Dörfer und Talschaften entleeren sich weiter, und Schulen werden geschlossen.

In Artikel 12 ZWG ist klar formuliert, dass Kantone und Gemeinden bei Bedarf Massnahmen ergreifen sollen, die nötig sind, um diese unerwünschten Entwicklungen zu verhindern. Eine Entwicklung, die sich aufgrund einer unbeschränkten Nutzung altrechtlicher Wohnungen zu Zweitwohnungen ergeben hat. Dazu können die Kantone die Umnutzung von bisherigen Erstwohnungen zu Zweitwohnungen stärker einschränken als das ZWG. Gemeinden wie Flims und Davos haben es geschafft, innere und äussere Widerstände zu überwinden und solche Massnahmen zu ergreifen. Es bleibt zu hoffen, dass sie von den Kantonen unterstützt werden und Nachahmer finden.

  1. Siehe Marti und Plaz (2023). []

Literaturverzeichnis

Bibliographie

Zitiervorschlag: Weick, Gabriel (2024). Nicht genügend Wohnungen: Tourismusgemeinden ergreifen Massnahmen. Die Volkswirtschaft, 06. August.

Grundstückserwerb durch Personen im Ausland

Im Jahr 2022 erteilten die Kantone insgesamt 1020 Bewilligungen für den Erwerb von Ferienwohnungen durch Personen im Ausland. Wie in den Jahren zuvor steht der Tourismuskanton Wallis mit 446 Bewilligungen an der Spitze, gefolgt von Graubünden (183 Bewilligungen), dem Tessin (137) und der Waadt (117). Siehe auch die Statistiken zum Grundstückserwerb durch Personen im Ausland.