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Covid-19: Pragmatische Hilfe für Grossveranstalter

Der Föderalismus funktioniert: Das zeigt der «Schutzschirm Publikumsanlässe», der vom Bund während der Coronavirus-Pandemie entwickelt und von den Kantonen erfolgreich umgesetzt wurde. Zu diesem Schluss kommt ein kürzlich veröffentlichter Bericht.
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Während der Corona-Pandemie wurden mehrere Grossveranstaltungen abgesagt, darunter auch das Davoser Eishockeyturnier Spengler-Cup vom Dezember 2021. Das Maskottchen des Cups heisst Hitsch. (Bild: Keystone)

Anfang 2020 hat sich das Coronavirus rasch ausgebreitet. Das hat den Bundesrat dazu bewogen, gewisse bürgerliche Freiheitsrechte und wirtschaftliche Aktivitäten in der Schweiz einzuschränken. Diese ausserordentlichen gesundheitspolizeilichen Massnahmen führten bei vielen Unternehmen zu Umsatzeinbussen und erhöhten das Risiko von Konkursen und Massenentlassungen. Deshalb beschloss der Bundesrat ab März 2020 gezielte wirtschaftliche Unterstützungsmassnahmen wie die Covid-19-Solidarbürgschaft, die Härtefallmassnahmen oder die Kurzarbeitsentschädigung.

Auch die Sport- und Kulturbranche wurde bei der Durchführung von Publikumsanlässen stark eingeschränkt. Von Ende Februar bis Ende September 2020 waren Grossveranstaltungen mit mehr als 1000 Personen im Sport-, Kultur- und Geschäftsbereich untersagt. Anschliessend war bis zum 17. Februar 2022 eine kantonale Bewilligung für solche Anlässe erforderlich. Je nach epidemiologischer Entwicklung konnte diese Bewilligung jedoch jederzeit entzogen werden. Für die Veranstalter bedeutete dies eine Absage und einen erheblichen finanziellen Schaden.

Um die davon besonders stark betroffene Eventbranche zu unterstützen, wurde am 19. März 2021[1] auf Anregung des Parlaments der «Schutzschirm Publikumsanlässe» geschaffen. Das Instrument sollte Veranstaltern von öffentlichen Grossanlässen mehr Planungssicherheit bieten. Ein kürzlich veröffentlichter Bericht des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) hat die Umsetzung des Schutzschirms analysiert und Bilanz gezogen.[2]

Ein neues Instrument

Im Gegensatz zu anderen wirtschaftlichen Hilfen in der Pandemie war der Schutzschirm ein völlig neues Instrument. Deshalb konnte bei der Umsetzung nicht auf bestehende Strukturen zurückgegriffen werden. Nach dem Inkrafttreten vereinbarten Bund und Kantone eine pragmatische Umsetzung, damit der Schutzschirm seine Wirkung rasch entfalten konnte. Das Seco war bei diesem Projekt federführend und arbeitete unter anderem mit dem Bundesamt für Gesundheit (BAG), dem Bundesamt für Sport (Baspo), dem Bundesamt für Kultur (BAK) und der Eidgenössischen Finanzverwaltung (EFV) zusammen.

Um die Eckpfeiler des Instruments festzulegen, sondierte das Seco umgehend die Bedürfnisse der Kantone und ermittelte anschliessend die Anliegen der wichtigsten Verbände der Event- und Sportbranche. Diese intensive Arbeit und ein beschleunigtes Konsultationsverfahren im Rahmen des Covid-19-Gesetzes ermöglichten es, dass die «Covid-19-Verordnung Publikumsanlässe»[3] des Bundes bereits am 27. Mai 2021[4] in Kraft treten konnte – also nur zwei Monate nach der Einführung des Schutzschirms im Covid-19-Gesetz.

Der Schutzschirm ist mit einer kostenlosen staatlichen Versicherung vergleichbar und wurde vom zuständigen Kanton auf Gesuch eines Veranstaltungsunternehmens ausgestellt. Musste eine Veranstaltung unter dem Schutzschirm aufgrund einer behördlichen Anordnung wegen der Covid-19-Epidemie verschoben oder abgesagt werden, übernahm der Kanton die ungedeckten Kosten des Veranstalters nach Abzug einer Franchise von 5000 Franken und einem Selbstbehalt von 10 Prozent. In der Verordnung war eine Kostenübernahme pro Veranstaltung von höchstens 5 Millionen Franken vorgesehen. Der Bund vergütete anschliessend dem betroffenen Kanton die Hälfte der Kosten.

Autonome Kantone

Der Schutzschirm wurde im Sinne des Föderalismus entworfen. Da es den Kantonen freistand, ob sie die Veranstalter durch den Schutzschirm unterstützen wollten, war der Grundsatz der Kantonsautonomie respektiert. Die Kantone waren für den Vollzug verantwortlich. Das heisst, sie mussten eine kantonale Rechtsgrundlage schaffen sowie die Zusicherung und die Entschädigungsverfügung im Schadensfall gewähren. Um regionalen Besonderheiten Rechnung zu tragen, beschränkte sich die Bundesverordnung zudem auf Mindestanforderungen, welche die Kantone verschärfen oder ergänzen konnten.

Vom Schutzschirm profitieren konnten nur Veranstaltungen, die unter anderem für mindestens 1000 Besuchende pro Tag geplant waren, von überkantonaler Bedeutung waren und keinen politischen oder religiösen Charakter hatten. Einige Kantone schlossen zudem bestimmte Sportveranstaltungen wie Eishockey- oder Fussballspiele vom Mechanismus aus oder verlangten ein Minimum von 3000 Besuchenden pro Veranstaltungstag.

Das Seco war für die korrekte Umsetzung der Bundesverordnung zuständig. Um einen reibungslosen Vollzug zu gewährleisten, fanden während der gesamten Dauer des Schutzschirms Telefonkonferenzen statt, die einen konstruktiven Austausch zwischen dem Seco und den Kantonsvertretungen ermöglichten. Die Kantone konnten so Fragen zur Auslegung der Verordnung stellen und Erfahrungen austauschen.

Eine pragmatische Lösung

Von Juni 2021 bis Dezember 2022 wurden insgesamt 504 Zusicherungen von 15 Kantonen[5] ausgestellt. Die drei Kantone mit den meisten Zusicherungen waren Zürich (239), St. Gallen (100) und Graubünden (71). Am wenigsten – nämlich nur zwei Zusicherungen – gewährte der Kanton Obwalden. Der Grossteil betraf Veranstaltungen in den Bereichen Kultur (259) und Sport (138) (siehe Abbildung). Das Gesamtvolumen der von den Kantonen eingegangenen Verpflichtungen in diesem Zeitraum belief sich auf 316,4 Millionen Franken. Dieser Betrag entspricht den Zusicherungen, die den Veranstaltern gewährt wurden, nicht den tatsächlich gezahlten Entschädigungen nach einer Absage durch die kantonalen Behörden.

Die meisten Zusicherungen wurden für Kulturveranstaltungen gewährt

INTERAKTIVE GRAFIK
Quelle: Plattform pubrep / Die Volkswirtschaft
Insgesamt mussten in den 19 Monaten, in denen der Schutzschirm bestand, aufgrund der epidemiologischen Situation 7 Veranstaltungen, die unter den Mechanismus fielen, auf Anordnung der kantonalen Behörden abgesagt werden. Die ausbezahlten Unterstützungsleistungen an die Veranstalter von Publikumsanlässen beliefen sich total auf 6,2 Millionen Franken, wovon der Bund gemäss Verordnung die Hälfte übernahm (siehe Tabelle).

Schutzschirm: Über 6 Millionen Franken Unterstützungsleistungen ausbezahlt

Anzahl und Umfang der ausbezahlten Unterstützungsleistungen

Kanton Anzahl Schadensfälle Veranstaltungskategorie Vom Kanton ausbezahlte Unterstützung, in Franken Vom Bund ausbezahlte Unterstützung, in Franken Total, in Franken
GR 1 Sportveranstaltung 1 652 898,60 1 652 898,60 3 305 797,20
LU 2 Fach- oder Publikumsmesse 256 244,50 256 244,50 512 489,00
209 277,50 209 277,50 418 555,00
TG  1 Kulturveranstaltung 727 256,50 727 256,50 1 454 513,00
ZH  3 Sportveranstaltung 144 125,65 144 125,65 288 251,30
Fach- oder Publikumsmesse 90 076,95 90 076,95 180 153,90
Sportveranstaltung 33 502,65 33 502,65 67 005,30
Total  7 3 113 382,35 3 113 382,35 6 226 764,70
Quelle: covid19.easygov.swiss / Die Volkswirtschaft

 

Der schnelle Aufbau des Schutzschirms hat gezeigt, dass durch die Zusammenarbeit von Bundes- und Kantonsbehörden pragmatische, innovative und hilfreiche Lösungen möglich sind – selbst in unruhigen Zeiten mit gesellschaftlichen, gesundheitspolitischen und wirtschaftlichen Spannungen. Der Schutzschirm achtete den Grundsatz des Föderalismus und erwies sich als sinnvolles Kriseninstrument. Denn Veranstalter, die während der Pandemie in Schwierigkeiten geraten waren, erhielten gezielte Unterstützung. Gezielt deshalb, weil der Vollzug bei den Kantonen lag, die besser auf die regionalen Bedürfnisse eingehen konnten.

  1. Siehe Art. 11a des Covid-19-Gesetzes (SR 818.102). []
  2. Siehe Staatssekretariat für Wirtschaft (2024). Schutzschirm für Publikumsanlässe. Bericht über den Vollzug und die Wirkung. 21. Februar. []
  3. SR 818.101.28. []
  4. Der Schutzschirm war ursprünglich für den Zeitraum vom 1. Juni 2021 bis zum 30. April 2022 vorgesehen und wurde vom Parlament bis zum 31. Dezember 2022 verlängert. []
  5. Dabei handelte es sich um die folgenden Kantone: Aargau, Bern, Basel-Landschaft, Basel-Stadt, Freiburg, Genf, Graubünden, Luzern, Obwalden, St. Gallen, Schaffhausen, Solothurn, Thurgau, Wallis und Zürich. []

Zitiervorschlag: Papaux, Benjamin (2024). Covid-19: Pragmatische Hilfe für Grossveranstalter. Die Volkswirtschaft, 23. September.