Stefan Brupbacher, Dr. iur., Direktor Swissmem, Zürich
Gute Nachrichten sind zurzeit rar für die Schweizer Exportwirtschaft sowie die Schweizer Techindustrie, zu der die Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie sowie verwandte Technologiebranchen gehören. Denn die Weltwirtschaft befindet sich im Umbruch, und die geopolitische Blockbildung nimmt zu. Wirtschaftspolitisch verabschieden sich die Grossmächte immer mehr vom Freihandel.
Als Exportnation muss die Schweiz Antworten auf diese Entwicklung finden. Unsere grössten Handelspartner sind die EU, die USA und China. Sich aussenpolitisch nur einer dieser Grossmächte anzuschliessen, ist keine Option. Die Exportwirtschaft liefe Gefahr, wichtige Märkte zu verlieren. Sie braucht einen möglichst hindernisfreien Zugang zu allen globalen Absatz- und Beschaffungsmärkten. In der Aussenpolitik ist deshalb Pragmatismus gefragt. Das bedeutet: mit möglichst vielen Ländern gute Beziehungen pflegen.
Freihandel ist auch in Zeiten von verstärktem Protektionismus möglich.
Das Freihandelsabkommen (FHA) mit Indien ist da ein Riesenerfolg. Denn es erleichtert den Zugang zu einem Markt mit 1,4 Milliarden Einwohnern. Die Güterexporte der Techindustrie nach Indien haben seit 2020 um 60 Prozent zugenommen und 2023 wertmässig die Milliardengrenze überschritten. Kein anderer Exportmarkt ist in den vergangenen drei Jahren dynamischer gewachsen.
Allerdings: Schweizer Exportfirmen sind auf dem indischen Markt zurzeit noch mit erheblichen Zugangshürden konfrontiert. Die Importzölle auf Industriegüter betragen zwischen 8 und 22 Prozent. Mit Inkrafttreten des FHA werden sie je nach Produkt sofort oder innerhalb der folgenden Jahre schrittweise aufgehoben oder substanziell reduziert. Das bietet insbesondere den Schweizer KMU, die nicht in Indien produzieren, neue Marktchancen. Das FHA stärkt somit den Werkplatz Schweiz und sichert Arbeitsplätze.
Auch Indien profitiert. Denn das Abkommen fördert Investitionen von Schweizer Firmen in Indien und schafft auch dort neue Arbeitsplätze. Zudem bringen Schweizer Unternehmen neue Ausbildungsmöglichkeiten mit. Das eröffnet Perspektiven für die lokale Bevölkerung. Dank den Direktinvestitionen und dem erleichterten Import von Schweizer Hochtechnologieprodukten kann Indien zudem seinen Weg zum globalen Fertigungshub weitergehen. Das Abkommen führt zu einer klassischen Win-win-Situation.
Nachdem die Schweiz Anfang dieses Jahres schon die Industriezölle auf fast alle Importgüter aufgehoben hat, sendet das FHA mit Indien ein weiteres wichtiges Signal an die Welt: Freihandel ist auch in Zeiten von verstärktem Protektionismus möglich. Das ist ermutigend. Denn Handel ist die beste Armutsbekämpfung. Dieser Coup ist gelungen, weil das Staatssekretariat für Wirtschaft eng mit der Privatwirtschaft zusammengearbeitet hat und alle auf Maximalforderungen verzichtet haben. Nun gilt es diesen Schwung für weitere Abkommen mitzunehmen – zum Beispiel eines mit dem Mercosur.
Zitiervorschlag: Brupbacher, Stefan (2024). Ein wichtiges Signal an die Welt. Die Volkswirtschaft, 10. September.