Hanspeter Hess, Direktor, Verband Schweizerischer Kantonalbanken, Basel
Der aktuelle Blick auf den Finanzplatz Schweiz ist nach wie vor wesentlich geprägt vom Niedergang der Credit Suisse (CS). Mit dem Verschwinden der traditionsreichen, bekannten Bankenmarke erlebte der hiesige Finanzplatz eine Zäsur. Gleichzeitig setzten intensive öffentliche und politische Diskussionen um Sicherheit, Regulierung und Aufsicht von Bankinstituten ein.
Die 24 Kantonalbanken werden dabei aufgrund ihres erfolgreichen Geschäftsgangs immer wieder als Krisengewinnerinnen bezeichnet. Sind sie dies wirklich? Sicher ist: In Krisenzeiten werden Verlässlichkeit, Stabilität und Kontinuität seitens Kundinnen und Kunden hoch gewertet. Die Kantonalbanken stehen wie keine andere Bankengruppe für diese Attribute. Sie werden oftmals als sichere Häfen in stürmischen Zeiten wahrgenommen.
Diese Wahrnehmung ist kein Zufall. Sie ist vielmehr das Ergebnis eines klaren, auch für Nicht-Bankexperten nachvollziehbaren Geschäftsmodells, einer verlässlichen Leistungserbringung und des Ausbleibens von grossen reputationsschädigenden Skandalen. Das vermeintlich langweilige und adrenalinfreie Banking ist ein Erfolgsfaktor und zentral für das Funktionieren unserer Wirtschaft. Die immer wieder ins Spiel gebrachten Staatsgarantien der Kantonalbanken mögen ein verstärkendes Element der wahrgenommenen Sicherheit sein, sie sind aber nicht der entscheidende Faktor. Dies zeigt sich nicht zuletzt daran, dass alle Kantonalbanken – ob mit oder ohne gesetzliche Garantie – erfolgreich am Markt operieren.
Kantonalbanken werden oftmals als sichere Häfen in stürmischen Zeiten wahrgenommen.
Die Kantonalbanken als Krisengewinnerinnen zu bezeichnen, ist aber trotzdem falsch. Eine stabile, skandalfreie Credit Suisse wäre im Interesse des gesamten Bankenplatzes und seiner in- und ausländischen Reputation gewesen. Zudem zeigt der Fall, dass das mit viel Aufwand entwickelte Too-big-to-fail(TBTF)-Regelwerk im Anwendungsfall (noch) nicht einwandfrei funktioniert. Es ist nicht verwunderlich, dass – obwohl der Finanzplatz bereits dicht reguliert ist – diverse Vorschläge für zusätzliche Regularien in den politischen Mühlen gemahlen werden.
Aus unserer Sicht ist eine Erkenntnis aus den diversen bisherigen Analysen zum CS-Fall zentral: Die Schweizer Banken sind sicher und stabil. Mit der CS ist eine einzige und aufgrund ihrer Grösse bedeutende Bank aus institutsspezifischen Gründen in massive Schwierigkeiten geraten. Es sind entsprechend keine pauschalen Massnahmen angezeigt. Solche würden die Wirtschaft unnötig bremsen und den Wohlstand reduzieren. Vielmehr müssen auf Basis der gezielten Aufarbeitung die richtigen Lehren gezogen und allfällige regulatorische Lücken mit punktuellen, zielgerichteten Massnahmen geschlossen werden.
Dabei gilt es, den Fokus auf eine nachhaltige Lösung des TBTF-Problems zu legen und nicht alle Institute über denselben Kamm zu scherren. Damit der Finanzplatz Schweiz seine belebende Vielfalt behält, braucht er einen regulatorischen Rahmen mit einer klaren – oder gar noch klareren – Differenzierung zwischen den international systemrelevanten Banken, den national systemrelevanten Banken, zu denen auch die Zürcher Kantonalbank gehört, und den restlichen, mittelgrossen und kleineren Banken.
Zitiervorschlag: Hess, Hanspeter (2024). Adrenalinfreies Banking als Erfolgsfaktor. Die Volkswirtschaft, 08. Oktober.