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Webtool analysiert Lohngleichheit zwischen Frau und Mann

Gleichwertige Arbeit – gleicher Lohn für Mann und Frau. Dem ist aber nicht immer so. Um Lohnungleichheiten in Unternehmen aufzuspüren, stellt der Bund kostenlos das Webtool Logib zur Verfügung. Auch international ist das Interesse daran gross.
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Frauen und Männer haben Anspruch auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit – so steht es in der Schweizer Bundesverfassung. (Bild: Keystone)

Frauen und Männer verdienen in der Schweiz nicht gleich viel. Nimmt man den durchschnittlichen und auf Vollzeit standardisierten Bruttolohn verdienten Frauen im Jahr 2020 18 Prozent weniger als Männer – das sind pro Monat rund 1500 Franken. Im internationalen Vergleich ist das eher hoch: So lag das geschlechtsspezifische Lohngefälle in der EU 2022 mit 12,7 Prozent deutlich unter dem schweizerischen Durchschnitt.

Heute weiss man: Etwas mehr als die Hälfte dieser Lohnunterschiede ist laut der Lohnstrukturerhebung (LSE) des Bundesamts für Statistik erklärbar. Beispielsweise weil Frauen ein tieferes Ausbildungsniveau haben oder weniger oft in Kaderpositionen anzutreffen sind. Die andere knappe Hälfte dieses Lohnunterschieds ist nicht erklärbar, das entspricht rund 7,8 Prozent des Durchschnittslohns oder 717 Franken pro Monat.

Die Aufschlüsselung in erklärbare und nicht erklärbare Lohnunterschiede ist schwierig. Doch bei der Analyse auf Ebene Unternehmen kann ein Webtool helfen: Logib. 2024 wird die Software 20 Jahre alt. Sie hat bisher eine erstaunliche Karriere hingelegt.

Auslöser war das Beschaffungswesen

Die Entwicklung von Logib begann 1996. Damals trat das Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB) in Kraft. Dieses Gesetz schrieb erstmals vor, dass die Bundesverwaltung Aufträge nur an Bietende vergeben darf, welche die Lohngleichheit zwischen Frauen und Männern gewährleisten – das heisst: nur Unternehmen, welche den verfassungsrechtlichen Grundsatz «Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit» einhalten.[1]

Doch 1996 existierten noch keine Instrumente zur Überprüfung der Lohngleichheit. Deshalb gaben das Eidgenössische Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann (EBG) und die Beschaffungskonferenz des Bundes (BKB) die Entwicklung des heutigen Logib-Modells in Auftrag. Mit Logib Modul 1 kann die Lohngleichheit in mittleren und grossen Unternehmen kontrolliert werden. Im Jahr 2004 wurde Logib erstmals der Öffentlichkeit präsentiert, 2006 wurde es als Excel-Tool allen Interessierten kostenlos für Selbsttests zur Verfügung gestellt. Und auch im Rahmen des Beschaffungswesens des Bundes wurden in Unternehmen stichprobenmässig erste Kontrollen mit Logib durchgeführt.[2]

Logib Modul 1 basiert auf einer Regressionsanalyse. Diese Methode ermöglicht es, den Einfluss des Geschlechts auf die Löhne zu identifizieren, während gleichzeitig verschiedene andere Faktoren berücksichtigt werden. Dazu gehören etwa individuelle Charakteristika wie Ausbildung, potenzielle Berufserfahrung und Dienstjahre wie auch funktionsspezifische Gegebenheiten wie die berufliche Stellung und das Anforderungsniveau. Das Ergebnis zeigt, ob nach Berücksichtigung dieser objektiven Faktoren immer noch geschlechtsspezifische Lohnunterschiede bestehen bleiben.

Logib wird zum Standard

In den vergangenen 20 Jahren hat sich Logib in der Schweiz als unverzichtbares Werkzeug zur Überprüfung der Lohngleichheit etabliert. Nebst Kontrollen im öffentlichen Beschaffungswesen dient es als Möglichkeit, einen Nachweis im Beschaffungs- oder Subventionswesen zu erbringen. Ausserdem steht das Instrument stets für freiwillige Lohngleichheitsanalysen zur Verfügung. Erst mit der Revision des Gleichstellungsgesetzes (GlG) 2020 wurden Arbeitgebende mit 100 oder mehr Angestellten zur Durchführung einer Lohngleichheitsanalyse verpflichtet (siehe Kasten). Dazu müssen sie nicht unbedingt Logib verwenden. Grundsätzlich ist jede wissenschaftliche und rechtskonforme Methode erlaubt.

Damit die Unternehmen die Analysen möglichst niederschwellig und zeitgemäss durchführen können, ist Logib seit 2020 als kostenloses Webtool verfügbar. Zusätzlich wurde eine zweite Version für kleine und mittlere Unternehmen entwickelt. Anders als Modul 1 für mittlere und grosse Unternehmen berücksichtigt Modul 2 bei der Analyse sechs Faktoren, die Anforderungen und Belastungen der Aufgaben abbilden[3], beispielsweise wie intensiv man psychosozialen oder körperlichen Belastungen ausgesetzt ist.

Während mehrerer Pilotphasen zwischen 2020 und 2023 testeten zahlreiche Unternehmen unterschiedlicher Grössen und Branchen das Webtool und trugen mit ihren Erfahrungen zur Weiterentwicklung bei. Logib wurde insbesondere für seine Benutzerfreundlichkeit geschätzt sowie für die Möglichkeit, Lohngleichheitsanalysen ohne externe Beratung durchzuführen.

Auch international gefragt

Der Erfolg von Logib blieb nicht auf die Schweiz beschränkt. Auch international standen die Lohngleichheit und die Stärkung der wirtschaftlichen Autonomie von Frauen[4] schon länger im Fokus. Verschiedene Länder, insbesondere in der Europäischen Union, haben ähnliche Modelle entwickelt oder Logib sogar direkt übernommen.[5]

Ein erneutes Interesse der Staaten an Logib hat die 2023 vom Europäischen Parlament verabschiedete Entgelttransparenzrichtlinie[6] ausgelöst. Sie muss bis Juni 2026 in nationales Recht in den Mitgliedsstaaten umgesetzt werden. Gemäss der Richtlinie müssen Unternehmen in der EU ab 250 Arbeitnehmenden jährlich und kleinere Unternehmen ab 100 Angestellten alle drei Jahre öffentlich über geschlechterspezifische Lohnunterschiede informieren.

Zudem wurde Logib mehrfach international ausgezeichnet: Logib Modul 1 erhielt den Public Service Award der UNO, und beide Module wurden von der Equal Pay International Coalition (Epic), bestehend aus OECD, ILO und UN Women, mit dem Label «Epic Good Practice» prämiert.

Fortschritt durch Feedback

Trotz des Erfolgs: Auf den Lorbeeren ausruhen kann sich die Schweiz nicht. In den letzten zwei Jahrzehnten hat sich Logib kontinuierlich weiterentwickelt. Anlass dazu gaben Rückmeldungen der Nutzerinnen und Nutzer[7], Beiträge der Sozialpartner[8], Impulse aus der Politik[9], wissenschaftliche Erkenntnisse[10] und datenbasierte[11] Überlegungen.

Nebst der Einführung des Webtools und von Modul 2 gehörten auch wiederholte Überprüfungen der wissenschaftlichen und rechtlichen Konformität der Modelle zur kontinuierlichen Weiterentwicklung. Basierend auf einem juristischen Gutachten wurde auch eine klare Lohndefinition erstellt.

Nicht geändert wurde bisher der Grenzwert von 5 Prozent. Ab diesem Wert wird davon ausgegangen, dass die Forderung nach gleichem Lohn für Frauen und Männer beim öffentlichen Beschaffungswesen nicht erfüllt ist. Im Rahmen einer Überprüfung hat ein breites Hearing mit Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Praxis sowie den Sozialpartnern ergeben, den Grenzwert unverändert zu belassen. Allerdings wurde er von «Toleranzschwelle» in «Grenzwert» umbenannt, um nicht den Anschein zu erwecken, dass Lohndiskriminierung in irgendeiner Höhe toleriert wird. Zudem wurden Massnahmen ergriffen, um Verstösse gegen die Lohngleichheit zuverlässiger aufzuzeigen.[12]

Chancen für die Zukunft

Die Bedeutung von Kriterien der sozialen Nachhaltigkeit nimmt zu. Das gilt insbesondere bei der Gleichstellung. Logib kann hier in Zukunft einen wichtigen Beitrag leisten. Durch die erwähnte EU-Transparenzrichtlinie müssen die EU-Mitgliedsstaaten Lösungen erarbeiten, die in vielen Belangen von Logib bereits abgedeckt werden – beispielsweise bei der Zerlegung der Löhne in verschiedene Lohnkomponenten wie Grundlohn und Sonderzahlungen und bei der Ausgabe der Löhne für Gruppen von gleichwertigen Funktionen. Sollte Logib in weiteren Ländern übernommen oder als Grundlage für internationale Standards genutzt werden, können Schweizer Unternehmen, die im europäischen Wirtschaftsraum tätig sind, auf ihrem bereits bestehenden Know-how aufbauen. Damit sind sie für die Herausforderungen von morgen bestens gerüstet.

Logib hat in den vergangenen 20 Jahren eine bemerkenswerte Entwicklung durchlaufen: vom nationalen Kontrollinstrument zum internationalen Vorbild in der Lohngleichheitsanalyse. Es hat das Bewusstsein für Lohngleichheit in der Schweiz und darüber hinaus geschärft. Mit seiner breiten internationalen Anerkennung zeigt das Webtool, dass Lohngleichheitsanalysen einfach und verständlich durchgeführt werden können, um das Ziel von gleichem Lohn für gleichwertige Arbeit zu erreichen. Die nächsten Jahre werden zeigen, wie Logib weiterhin dazu beitragen kann, internationale Standards zu setzen, um die wirtschaftliche Gleichstellung von Frau und Mann zu fördern.

  1. Siehe Bundesverfassung Art. 8 Abs. 3[]
  2. Unternehmen, die im Beschaffungswesen den Zuschlag erhalten, werden gemäss einer Stichprobenziehung kontrolliert. Das EBG führt diese Kontrollen durch. []
  3. Logib Modul 2 beruht methodisch auf der arbeitswissenschaftlichen Arbeitsbewertung und ermöglicht die Prüfung, inwieweit die Anforderungen und Belastungen einer Funktion sowie persönliche Erfahrung und Ausbildung lohnbestimmend sind und ob es diesbezüglich Unterschiede zwischen Frauen und Männern gibt. []
  4. Die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (engl. Sustainable Development Goals, SDGs) der UNO sollen von allen Mitgliedsstaaten bis 2030 erreicht werden. Ziel 5 lautet: Geschlechtergleichstellung erreichen und alle Frauen und Mädchen zur Selbstbestimmung befähigen. []
  5. Deutschland, Luxemburg und Tschechien verfügen über angepasste Logib-Versionen. []
  6. Mehr Infos zur Transparenzrichtlinie. []
  7. Studie: Wirkungen der Lohngleichheitskontrollen des Bundes und internes Monitoring der Logib-Helpline. []
  8. Lohngleichheitsdialog und Engagement Lohngleichheit (Elep). []
  9. Postulat 14.3388: Erhebung zur Lohngleichheit. Verbesserung der Aussagekraft. Bericht zur Erfüllung des Vorstosses[]
  10. Entwicklungsbericht Logib Modul 2[]
  11. Z. B. Zusammenstellung der Grundlagen der Toleranzschwelle bei Lohngleichheitsanalysen mit dem Standard-Analyse-Tool Logib oder Monte-Carlo-Simulation der Lohngleichheitsanalyse in Logib Modul 1[]
  12. Mitteilung Anpassung der Toleranzschwelle 2024[]

Zitiervorschlag: Hilber, Simon (2024). Webtool analysiert Lohngleichheit zwischen Frau und Mann. Die Volkswirtschaft, 17. Oktober.

Lohngleichheitsanalysen

Unternehmen mit 100 oder mehr Mitarbeitenden müssen in der Schweiz seit Juli 2020 eine Lohngleichheitsanalyse durchführen und diese von einer unabhängigen Stelle, beispielsweise einem Revisionsunternehmen oder einer Arbeitnehmervertretung, überprüfen lassen. Weiter müssen sie Arbeitnehmende sowie Aktionärinnen und Aktionäre schriftlich über das Ergebnis informieren. Die Resultate der Lohngleichheitsanalyse von 2020 mussten bis zum 30. Juni 2023 kommuniziert werden. Wenn die Analyse zeigt, dass die Lohngleichheit eingehalten ist, muss keine weitere Analyse durchgeführt werden. Falls die Lohngleichheit nicht eingehalten ist bzw. den Grenzwert von 5 Prozent überschritten wird, muss die Analyse alle vier Jahre wiederholt werden.