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80 Jahre Internationaler Währungsfonds

Die Aufgaben des Internationalen Währungsfonds haben sich seit seiner Gründung stark verändert. Wie reagiert er auf neue Herausforderungen?
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Vertreter aus Kanada, den USA und der Sowjetunion in Bretton Wood, USA, wo der Internationale Währungsfonds (IWF) 1944 gegründet wurde. (Bild: Keystone)

Der Internationale Währungsfonds (IWF) befindet sich in einem ständigen Wandel. Wie hat er sich im Laufe der Zeit entwickelt, und vor welchen Herausforderungen steht er derzeit?[1] Dieser Artikel befasst sich mit diesen Fragen.

Der IWF wurde zusammen mit einer Reihe anderer Institutionen wie der Weltbank und dem Gatt – dem Vorgänger der Welthandelsorganisation (WTO) – gegründet. All diese Institutionen hatten das gemeinsame Ziel, nach dem Zweiten Weltkrieg eine stabile internationale Wirtschaftsordnung zu errichten. Der IWF strebte an, einen Währungs- und Finanzrahmen zu schaffen, der den ungehinderten Fluss der Finanzströme im Welthandel und damit die Konvertierbarkeit von Leistungsbilanztransaktionen ermöglichen sollte. So sollte letztlich das Wirtschaftswachstum gefördert werden. Um dies in einem System fester Wechselkurse zu erreichen, sollten diskriminierende Devisenbeschränkungen abgeschafft und kompetitive Währungsabwertungen verboten werden. Wechselkursanpassungen mussten vom IWF genehmigt werden. Kurzfristige Kredite, die an Wirtschaftsreformen gekoppelt waren, sollten Ländern mit Zahlungsbilanzdefiziten (wie Grossbritannien) helfen, ihr finanzielles Gleichgewicht wiederherzustellen. Zusätzlich wurden Kapitalflusskontrollen eingesetzt, um gegen Spekulation vorzugehen. Mehrere Länder, darunter insbesondere die UdSSR, waren dem IWF bei seiner Gründung nicht beigetreten. Diese Zurückhaltung, das geringe wirtschaftliche Gewicht der Entwicklungsländer im IWF und die Dominanz des US-Dollars führten dazu, dass die Institution anfänglich vom Westen dominiert wurde.

Der IWF nahm seine Tätigkeiten schrittweise auf. Erst in den späten 1950er-Jahren wurde das Ziel erreicht, Leistungsbilanztransaktionen zwischen den Ländern mit den wichtigsten europäischen Währungen konvertierbar zu machen. Im Lauf seiner Geschichte machte der IWF immer wieder grössere Veränderungen durch. So brach das System fester Wechselkurse Anfang der 1970er-Jahre zusammen und wurde weltweit durch ein Regime flexibler Wechselkurse ersetzt. Auch das System der Kapitalkontrollen stiess an seine Grenzen, woraufhin der IWF eine grössere Kapitalmobilität zuliess. Später warfen der Beitritt neuer Mitgliedsstaaten nach dem Zusammenbruch der UdSSR und das zunehmende wirtschaftliche Gewicht der Schwellen- und Entwicklungsländer Governance-Fragen auf. Schliesslich zeigte sich, dass die haushalts- und geldpolitischen Massnahmen, die in den Empfehlungen des IWF eine zentrale Rolle spielen, als Instrumentarium nicht mehr ausreichten. Um sich an die Entwicklungen anzupassen und seine Legitimität zu wahren, weitete der IWF daher seine Aktivitäten über die Kreditvergabe hinaus aus. Er bietet seinen Mitgliedern nun auch wirtschaftspolitische Beratung und technische Hilfe.

Neue Instrumente der Wirtschaftspolitik

Der IWF ist vor allem bekannt dafür, Kredite an Länder in Krisensituationen zu vergeben. Jahrzehntelang gewährte er Finanzhilfen jedoch nur an Staaten, die sich bereits in der Krise befanden, und verlangte von ihnen im Gegenzug einschneidende makroökonomische Anpassungen. Dieser Ansatz erwies sich jedoch angesichts tiefgreifender systemischer Veränderungen wie der Globalisierung der Finanzmärkte zunehmend als ungeeignet. Dies zeigte sich zum Beispiel in der Asienkrise von 1997/1998.[2] Das Instrumentarium des IWF wurde daraufhin erweitert. Möglich waren fortan auch makroprudenzielle Massnahmen, die darauf abzielen, das Finanzsystem stabiler zu machen, auf dem Devisenmarkt zu intervenieren und die Kapitalströme zu steuern. Letzteres nennt man auch Capital Flow Management (CFM).

Die Position des IWF zu den CFM-Massnahmen hat sich im Lauf der Zeit erheblich verändert.[3] Bei einer institutionellen Prüfung im Jahr 2012 wurde festgestellt, dass die Kapitalströme sehr volatil sind, dass sie finanzielle Anfälligkeiten, wie beispielsweise Immobilienblasen, begünstigen können und dass ihre Liberalisierung schrittweise erfolgen muss. Im Rahmen einer Aktualisierung der IWF-Position zu diesem Thema[4] erhielten die CFM-Massnahmen eine eigene Rolle – vorausgesetzt, sie zielen darauf ab, eine Häufung finanzieller Anfälligkeiten zu verhindern. Die CFM-Massnahmen werden als letztes Mittel betrachtet und sollen andere politische Massnahmen nicht ersetzen. Ausserdem führte der IWF vorab genehmigte Kreditinstrumente ein, die von den Mitgliedsstaaten schneller genutzt werden können. Diese machen derzeit 40 Prozent der Gesamtunterstützung des IWF aus.[5]

Die grosse Frage lautet, wie man diese neuen Instrumente richtig verwendet und miteinander kombiniert. Hierzu hat der IWF einen integrierten Handlungsrahmen, ein Integrated Policy Framework[6], entwickelt. Das Analysetool deckt sämtliche Instrumente sowie alle relevanten finanziellen Probleme ab und soll sicherstellen, dass die wirtschaftspolitischen Empfehlungen auf einem kohärenten Rahmen basieren. Anhand dieses Rahmens lässt sich beispielsweise zeigen, dass Devisenmarktinterventionen nur wirksam sind, wenn eine unzureichende Marktteilnahme privater Investoren das Funktionieren des Markts behindert. Die Vielseitigkeit des Rahmens ist seine grösste Stärke. Gleichzeitig ist es schwierig, aus den vielen Einzelfällen allgemeine Lehren zu ziehen. Vielleicht sollte man aber auch keine allgemeingültigen wirtschaftlichen Rezepte erwarten, sondern die Massnahmen stattdessen an die Besonderheiten jedes Landes anpassen.

Herausforderungen im Bereich der Governance und der Legitimität

Ursprünglich wurde der IWF von den fortgeschrittenen Volkswirtschaften dominiert, die 70 Prozent der Quoten und Stimmrechte an der Institution hielten. Allein die USA hatten 35 Prozent (siehe Abbildung). Dieser Anteil hat sich zwar nach und nach verringert, ist aber immer noch hoch und verleiht den USA bei wichtigen Entscheidungen ein echtes Vetorecht. Obwohl das Gewicht der Schwellen- und Entwicklungsländer – insbesondere Chinas – zugenommen hat, ist es immer noch geringer als der Anteil dieser Staaten am weltweiten Bruttoinlandprodukt (BIP). Diese Ungleichheit zeigt sich auch in der Zusammensetzung des Sonderziehungsrechts (SZR), der Recheneinheit des IWF: Sie setzt sich hauptsächlich aus dem US-Dollar und dem Euro zusammen und berücksichtigt aus dem Kreis der Schwellenländerwährungen nur den chinesischen Renminbi.

Vor diesem Hintergrund wird dem IWF seit Langem vorgeworfen, dass er zu wenig repräsentativ und glaubwürdig sei. Regelmässig erklingen daher auch Forderungen nach Reformen, die aber nur langsam vorankommen. Das birgt die Gefahr, dass sich manche Länder anderen Institutionen anschliessen könnten – wie der Chiang-Mai-Initiative in Südostasien oder dem Kontingentreserveabkommen der Brics-Länder[7]. Dies führt zu einer Fragmentierung der globalen Finanzarchitektur, welche die Legitimität des IWF untergräbt. China, das seinen Einfluss im Bereich der Entwicklungsfinanzierung und der Krisenhilfe ausbaut, entwickelt sich allmählich zu einer Alternative zum IWF.[8]

Entwicklung der Quoten beim IWF (1950–2024, in % des Gesamtwerts)

INTERAKTIVE GRAFIK
Quelle: IWF / eigene Berechnungen / Die Volkswirtschaft

Der Klimawandel als neue Herausforderung

Wie die meisten wirtschaftspolitischen Institutionen steht auch der IWF vor neuen Herausforderungen, die sein Mandat beeinflussen könnten. Der Klimawandel steht zuoberst auf der Liste, zumal er seit 1989 mit seinen grossen wirtschaftlichen Auswirkungen als wichtiges weltpolitisches Thema anerkannt ist. Im Jahr 2021 wurde im Rahmen einer umfassenden Überprüfung der Überwachung, die auf den Mitte der 2010er-Jahre begonnenen Arbeiten basierte, ein neues langfristiges Finanzierungsinstrument vorgeschlagen. Es soll den Ländern dabei helfen, die Auswirkungen, die der Klimawandel auf die Zahlungsbilanz hat, zu begrenzen. So zum Beispiel die Folgen von Klimakatastrophen für den Importsektor. Das Unabhängige Evaluierungsbüro des IWF hat aber weitere Massnahmen gefordert, da der IWF im Vergleich zu anderen Institutionen hinterherhinke und es eine Diskrepanz zwischen den strategischen Zielen und den umgesetzten spezifischen Massnahmen gebe.[9]

Eine weitere Herausforderung für den IWF besteht darin, sich neuen Themen wie der zunehmenden Ungleichheit und der Entstehung digitaler Währungen anzunehmen. Die Institution wird jedoch künftig prüfen müssen, wie relevant diese Themen sind, um ihren Auftrag zu erfüllen. Der IWF muss sich nicht unbedingt um alle politischen Fragestellungen kümmern, mögen sie noch so bedeutsam sein. In unserer zunehmend fragmentierten Welt erschweren es die politischen Spannungen dem IWF-Exekutivrat noch zusätzlich, ehrgeizige Ziele zu definieren und umzusetzen.

  1. Siehe die Podcasts von Dembinski et al. (2022) für weitere Informationen über den IWF. []
  2. Die Krise führte dazu, dass mehrere asiatische Länder trotz zufriedenstellender Haushaltslage Probleme bei der Aussenfinanzierung hatten. Sie zeigte, welch zentrale Rolle das Banken- und Finanzsystems insbesondere durch seine Anfälligkeit für Wechselkursschwankungen spielt. []
  3. Siehe Ostry (2022). []
  4. Siehe IWF (2022). []
  5. Siehe Pazarbasioglu (2023). []
  6. Siehe Adrian und Gopinath (2020). []
  7. Brics ist eine Vereinigung von Staaten und steht für die Anfangsbuchstaben der ersten Mitgliedsstaaten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika. []
  8. Siehe Horn et al. (2023). []
  9. Unabhängiges Evaluierungsbüro des Internationalen Währungsfonds (2024). []

Literaturverzeichnis

Bibliographie

Zitiervorschlag: Dembinski, Paul; Panizza, Ugo; Swoboda, Alexandre; Tille, Cédric (2024). 80 Jahre Internationaler Währungsfonds. Die Volkswirtschaft, 05. November.

Die Schweiz im Internationalen Währungsfonds

Die Schweiz ist seit 1992 Mitglied des IWF.A Der Vorsteher bzw. die Vorsteherin des Eidgenössischen Finanzdepartements (EFD) vertritt die Schweiz im Ministergremium (International Monetary and Financial Committee, IMFC). Als Leiterin der Stimmrechtsgruppe bestehend aus Aserbaidschan, Kasachstan, der Kirgisischen Republik, Polen, Serbien, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan nimmt die Schweiz permanent Einsitz im Exekutivrat des IWF. Der Exekutivrat überwacht die laufenden Geschäfte des IWF und genehmigt Richtlinien für die Tätigkeit der Institution. Den Exekutivratssitz rotiert die Schweiz seit 2014 mit Polen. Die Stimmrechtsgruppe hat einen Stimmenanteil von 2,88 Prozent, wobei der Anteil der Schweiz 1,17 Prozent beträgt.

 

A Die Informationen in diesem Kasten stammen von der Website des Staatssekretariats für internationale Finanzfragen (SIF).