Suche

Abo

Die Schweiz vertraut ihren Institutionen mehr als andere Länder

Die Bevölkerung der Schweiz vertraut ihrer Politik, Justiz, Polizei und ihren anderen Institutionen. Für dieses Vertrauen erhält sie von der OECD international die Bestnote.
Schriftgrösse
100%

Platz eins für das Vertrauen der Schweizer Bevölkerung in ihre Institutionen. Im Bild: Die Schweizer Goldmedaillengewinnerin Chiara Leone bei den Olympischen Spielen 2024 in Paris. (Bild: Keystone)

Kurz vor dem Start der Sommerolympiade in Paris wurden am 10. Juli 2024 die Resultate des Trust Survey der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) veröffentlicht.[1] Gewissermassen vorgängig zu den sportlichen Wettkämpfen konnte die Schweiz in der Disziplin des Bürgervertrauens bereits eine Goldmedaille einheimsen.

In der Schweiz gaben 62 Prozent der Befragten an, ihr Vertrauen in die Landesregierung sei hoch oder mässig hoch, im OECD-Durchschnitt sind es nur 39 Prozent (siehe Abbildung 1). Nur ein Viertel der Teilnehmenden in der Schweiz hat kein oder nur ein geringes Vertrauen in die Institution Landesregierung. Damit schneidet die Schweiz in dieser Kategorie OECD-weit am besten ab. Dies ist beachtlich, denn in vielen Ländern hat mehr als die Hälfte der Befragten kein oder geringes Vertrauen, im Durchschnitt sind es 44 Prozent.

Abb. 1: Das Vertrauen in die Institutionen ist in der Schweiz am höchsten (2023)

INTERAKTIVE GRAFIK
Anmerkung: «Hoch oder mässig hoch» entspricht den Antworten 6–10 auf die Frage «Auf einer Skala von 0 bis 10, wobei 0 ‹Ich stimme überhaupt nicht zu› und 10 ‹Ich stimme vollumfänglich zu› bedeutet, wie sehr vertrauen Sie der nationalen Regierung?» «Neutral» entspricht der Antwort 5 und «Kein oder geringes Vertrauen» den Antwortmöglichkeiten 0–4.
Quelle: OECD (2024b) / Die Volkswirtschaft

Am wenigsten Vertrauen in Medien und Parteien

Abgesehen vom Bundesrat als nationale Regierung geniessen auch beinahe alle anderen Institutionen und Akteure in der Schweiz mehr Vertrauen als andernorts (siehe Abbildung 2). Was sich mit anderen Umfragen deckt, zum Beispiel mit dem jährlichen Bericht «Sicherheit» der ETH, ist das weniger ausgeprägte Vertrauen in die Medien und in die Parteien. Dass Parteien wenig Vertrauen geniessen, korreliert wohl direkt mit der auch in der Schweiz schwindenden Parteienbindung. Im Gegensatz dazu bringt die Bevölkerung der Polizei und der Justiz das grösste Vertrauen entgegen.

OECD-weit ist das Vertrauen in die Institutionen gegenüber 2021 um 2 Prozentpunkte gesunken. Der Rückgang ist stärker bei Frauen und bei Menschen mit geringer Bildung, nämlich 5 Prozentpunkte. Die provisorische Analyse der OECD zeigt, dass zwischen Stadt und Land zum Teil sehr grosse Unterschiede bestehen: Das Vertrauen ist bei der städtischen Bevölkerung höher als auf dem Land. In der Schweiz wie auch in Korea und Lettland lässt sich das jedoch nicht beobachten.

Wenn es darum geht, sich am politischen Prozess zu beteiligen, sind Wahlen immer noch das Hauptinstrument: OECD-weit hat gut die Hälfte angegeben, auf Gemeindeebene gewählt zu haben. 82 Prozent haben angegeben, an den letzten nationalen Wahlen gewählt zu haben. In der Schweiz sind es 66 Prozent. Das ist höher als die effektive Stimmbeteiligung an den Nationalratswahlen 2019 (45,1%) und 2023 (46,6%). Der Unterschied könnte auf eine nicht repräsentative Stichprobe oder unehrliche Antworten zurückzuführen sein.

Andere Instrumente wie Petitionen, politische Diskussionen, Boykotte oder Demonstrationen werden markant weniger genutzt. Dabei fällt auf: Vertrauen in die Institutionen korreliert stark positiv mit der politischen Beteiligung, genauer dem Eindruck, dass das Volk einen Einfluss hat («people have a say»). Die Schweiz sticht dabei heraus, zweifellos weil sich die Bevölkerung auf allen drei Staatsebenen sachpolitisch einbringen kann. Es gibt jedoch hier einen deutlichen Unterschied zwischen Männern und Frauen bei der Einschätzung ihrer Fähigkeiten, sich am politischen Leben zu beteiligen: Männer schätzen sich höher ein. Dieser Geschlechterunterschied ist ausgeprägter als in anderen Ländern.

Abb. 2: Polizei und Justiz geniessen das höchste Vertrauen (2023)

INTERAKTIVE GRAFIK
Quelle: OECD (2024b) / Die Volkswirtschaft

Stärkster Treiber für Vertrauen auf Gemeindeebene

Gemäss OECD ist die Mitwirkungsmöglichkeit auf Gemeindeebene der deutlich stärkste Treiber für ein hohes Vertrauen und wichtiger als beispielsweise die effiziente Dienstleistungserbringung, Gleichbehandlung oder die Innovation der Behörden. Auf nationaler Ebene zählt vor allem die evidenzbasierte Politik: Basiert die Politik auf Evidenz, ist das Vertrauen höher (siehe Abbildung 3). Die Resultate hierzu sind jedoch ernüchternd: OECD-weit sind nur 41 Prozent der Bevölkerung der Ansicht, die Regierung handle auf der Grundlage der verfügbaren Evidenz, Forschung und Daten. In der Schweiz sind es immerhin 60 Prozent. Es lohnt sich daher, in der politischen Kommunikation sachlich zu argumentieren.

In der Schweiz besteht der Zwang, die Fakten vor Abstimmungen über Initiativen und Referenden darzulegen. Es wird sich zeigen, ob die kürzlich vorgefallenen Fehler bei den Daten zu den Finanzen der AHV oder die Unregelmässigkeiten bei den Unterschriftensammlungen das Vertrauen spürbar beeinträchtigt haben. Meiner persönlichen Einschätzung nach dürften das Offenlegen der Fehler und die erfolgten Korrekturen es den Behörden aber erlauben, das relativ hohe Vertrauensniveau zu bewahren.

Abb. 3: Starke Korrelation zwischen evidenzbasierter Politik und dem Vertrauen (2023)

INTERAKTIVE GRAFIK
Quelle: OECD (2024a) / Die Volkswirtschaft

Vertrauen in Zürich am höchsten

Zum Schluss lohnt sich der Blick auf die Unterschiede innerhalb der Schweiz. Die Daten pro Region zeigen, dass es Unterschiede gibt. Zürich, die Genferseeregion und die Innerschweiz weisen für das Vertrauen sowohl in den Bundesrat als auch in die Kantonsregierungen die höchsten Werte – über 60 Prozent – auf. Das Mittelland und die Ostschweiz folgen. Die Nordwestschweiz und das Tessin hingegen liegen ein wenig tiefer, aber immer noch über 50 Prozent.

Mit dem Trust Survey hat die OECD ein wertvolles Instrument geschaffen, um das aufgebaute Vertrauen der politischen Institutionen quer durch eine Vielzahl von politischen Systemen zu vergleichen. Ohne Vertrauen kann keine Politik dauerhaft Erfolg haben.

  1. Siehe OECD (2024a) und Kasten. []

Bibliographie

Zitiervorschlag: Descoeudres, Nicolas (2024). Die Schweiz vertraut ihren Institutionen mehr als andere Länder. Die Volkswirtschaft, 05. November.

Trust Survey der OECD

Seit 2021 misst der OECD Trust Survey alle zwei Jahre das Vertrauen ihrer Bürger in deren Regierungen und öffentliche Institutionen. Darin werden die Ergebnisse von dreissig Ländern verglichen, die mittels einer Stichprobe von 2000 Personen pro Land, letztmals im Oktober und November 2023, erhoben wurden. Die Umfrage erlaubt eine detaillierte Analyse nach sozioökonomischem Status, Geschlecht, Alter und Stadt-Land-Zugehörigkeit. Die Schweiz nahm letztes Jahr das erste Mal teil. Innerhalb der OECD wird der Trust Survey vom Public-Governance-Komitee verantwortet. Die Delegierten der Mitgliedsstaaten erarbeiten zusammen mit dem Sekretariat Daten, Analysen und Empfehlungen zum reibungslosen und bürgerfreundlichen Funktionieren der Staaten.