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Handel für die Umwelt: Die Schweiz vereinbart neues Abkommen

Die Schweiz hat das Abkommen über Klimawandel, Handel und Nachhaltigkeit – kurz ACCTS – unterzeichnet. Das Abkommen ist innovativ, steht allen offen und fördert die Nachhaltigkeit. Aktuell sind vier Länder mit dabei.
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Umweltgüter wie Windturbinen profitieren vom Abkommen über Klimawandel, Handel und Nachhaltigkeit. (Bild: Keystone)

Klimawandel, Umweltverschmutzung und der Verlust der biologischen Vielfalt schreiten voran. Der Weltklimarat (IPCC) hat den dringenden globalen Handlungsbedarf klar aufgezeigt. Viele Regierungen haben deshalb Massnahmen eingeführt zur Verringerung der Treibhausgasemissionen sowie für einen Wandel hin zu einer ökologischeren Kreislaufwirtschaft. Auch die Schweiz hat reagiert. Unter anderem will sie bis 2050 netto null Emissionen erreichen. Dieses Ziel hat sie in das neue Klima- und Innovationsgesetz[1] aufgenommen.

Die weltweiten Massnahmen für den Klimaschutz greifen zunehmend auch auf die Handelspolitik über. Besonders bedeutend sind derzeit etwa der Grenzausgleichsmechanismus für Kohlenstoff (CBAM) der Europäischen Union und des Vereinigten Königreichs sowie die Subventionen der USA für Unternehmen, die in grüne Technologien investieren (Inflation Reduction Act). Ausserdem implementieren etliche Staaten zunehmend Anti-Dumping-Zölle auf Umweltgüter wie Solarmodule, Windturbinen oder Elektrofahrzeuge zum Schutz der eigenen Industriebetriebe vor subventionierten Importen. Alle diese Massnahmen lösen auch internationale Spannungen aus.[2]

Die schweizerische Aussenwirtschaftspolitik muss ebenfalls einen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten.[3] Die Schweiz hat dazu einen neuen Ansatz gewählt. Sie hat zusammen mit Costa Rica, Island und Neuseeland das Abkommen über Klimawandel, Handel und Nachhaltigkeit (Agreement on Climate Change, Trade and Sustainability, ACCTS) ausgehandelt und am 15. November 2024 unterzeichnet. Mit dem Abkommen werden der Handel mit Umweltgütern und -dienstleistungen wie etwa Elektrofahrzeugen oder Fotovoltaikanlagen sowie deren Finanzierung und Installation vereinfacht, Subventionen für fossile Energien abgebaut und Umweltlabels gestärkt.

Innovative Definition von Umweltgütern und -dienstleistungen

Konkret verpflichten sich die Vertragsparteien, die Zölle auf 360 Umweltgüter abzuschaffen (siehe einige Beispiele in der Tabelle).[4] Ein betroffener Bereich ist etwa die Fotovoltaik. Sie erzeugt kostengünstige Energie und begünstigt so eine «grüne» Entwicklung. Eine Studie des WTO-Sekretariats schätzt, dass die Beseitigung von Zöllen und nicht tarifären Handelshemmnissen auf bestimmte Umweltgüter deren Handel um 14 Prozent steigern und dadurch die globalen CO2-Emissionen um 0,6 Prozent senken würde.[5] Das ist ein Mehrfaches der in der Schweiz ausgestossenen Emissionen.

Umweltgüter und -dienstleistungen aus dem ACCTS-Abkommen (Beispiele)

Umweltgüter Umweltdienstleistungen
Fotovoltaikanlagen Stadtplanung
Windturbinen Recyclingdienstleistungen
Holz inkl. vorgefertigter Holzhäuser Wartung und Reparatur von Maschinen und Geräten
Mikroorganismen und Tenside für Schadstoffabbau Isolationsarbeiten (an Gebäuden)
Elektrofahrzeuge Schienentransport
Fahrräder Ingenieurdienstleistungen (Design und Bau)
Quelle: Seco

Auch der Handel mit Dienstleistungen kann einen Beitrag zu internationalen Umweltzielen leisten. Bislang sind allerdings nur wenige Umweltdienstleistungen von den bestehenden Verpflichtungen des Allgemeinen Übereinkommens über den Handel mit Dienstleistungen (GATS) der WTO erfasst. Um den Handel zu erleichtern, wollen die ACCTS-Teilnehmer die Verpflichtungen des GATS nun auf eine Liste von «umweltbezogenen» Dienstleistungen anwenden.

Um vom ACCTS berücksichtigt zu werden, muss ein Umweltgut oder eine Umweltdienstleistung einen wesentlichen Beitrag zu mindestens einem Umweltziel leisten, ohne ein anderes Ziel erheblich zu beeinträchtigen. Solche Umweltziele sind beispielsweise die Luftreinhaltung, der Gewässerschutz, die Biodiversität, die Erhaltung der natürlichen Ressourcen oder der Klimaschutz.

Bei der Auswahl solcher Umweltgüter und -dienstleistungen orientiert sich das ACCTS am System of Economic and Environmental Accounting (SEEA), das 2012 von der UNO genehmigt wurde[6] und einen universellen Rahmen zur Konzeptualisierung der Wechselwirkungen zwischen Wirtschaft und Umwelt darstellt. Mit den Kriterien dieses Systems wurden Listen von Umweltgütern und Dienstleistungen ausgehandelt, die besonders glaubwürdig und fundiert sind. Die Definitionen und die Auswahl der Umweltgüter und -dienstleistungen können von den ACCTS-Teilnehmern in Zukunft weiterentwickelt werden.

Abbau der Subventionen für fossile Energien

Das ACCTS leistet zudem einen wichtigen Beitrag zu internationalen Bemühungen, Subventionen für fossile Energien abzubauen. Gemäss der OECD[7] kosteten solche Subventionen die Staatshaushalte 2022 weltweit über 1’400 Milliarden Dollar und wirken den Netto-null-Zielsetzungen diametral entgegen.

Das ACCTS ist das erste internationale Abkommen, das schädliche Subventionen für fossile Brennstoffe klar definiert. Das ist eine wichtige Voraussetzung, um Regeln zu vereinbaren. Gemäss dem ACCTS umfassen solche Subventionen nicht nur direkte Subventionen, sondern auch steuerliche Begünstigungen bei Energie- und Klimasteuern.

Konkret verpflichten sich die ACCTS-Vertragsparteien dazu, grundsätzlich keine neuen Subventionen einzuführen sowie Subventionen auf Kohle und andere stark verschmutzende Energieträger aufzuheben. Zudem dürfen bereits bestehende Subventionen für weniger umweltschädliche Energieträger wie Benzin oder Diesel nicht erweitert werden. Das betrifft etwa die Mineralölsteuerrückerstattungen in der Schweiz für verschiedene Sektoren. Für Subventionen, die wegen legitimer politischer Ziele unverzichtbar sind, enthält das Abkommen eine begrenzte Anzahl Ausnahmen. Eine solche Ausnahme betrifft in der Schweiz zum Beispiel die Finanzierung der Pflichtlager für Brenn- und Treibstoffe zwecks Versorgungssicherheit.

Mit Umweltlabels Transparenz verbessern

Mangelndes Wissen über den ökologischen Fussabdruck von Produkten erschweren einen nachhaltigen Konsum. Sogenannte Umweltlabels können die Marktakteure unterstützen, Produkte anhand ihrer Umweltwirkung zu unterscheiden. Zudem können Hersteller so den ökologischen Mehrwert ihres Produkts im Markt hervorheben.

Solche freiwilligen Labels haben in der Schweiz an Bedeutung gewonnen, zum Beispiel die Biolabels bei Nahrungsmitteln und Textilien. Aber auch im globalen Handel etwa bei Holz, Meeresfischen oder Palmöl sind Umweltlabels nicht mehr wegzudenken. Mit unverbindlichen Leitlinien strebt das ACCTS an, die Qualität solcher freiwilliger Umweltlabels zu unterstützen. Dies soll dazu beitragen, den Handel mit nachhaltigen Produkten zu fördern, indem das Vertrauen der Konsumenten gestärkt wird und unnötige Kosten für die Produzenten und den Handel vermieden werden.

Ein innovatives Abkommen

Das ACCTS geht mit seinem neuartigen Ansatz über traditionelle handelspolitische Abkommen hinaus. Es steht aber im Einklang mit dem bestehenden WTO-Recht und entwickelt dieses weiter. Alle WTO-Mitglieder sind eingeladen, dem Abkommen beizutreten. Das ACCTS ist nicht diskriminierend, und alle WTO-Mitglieder profitieren von den gleichen Vorteilen wie die ACCTS-Teilnehmer. Dies ist ein wichtiger Fortschritt. Denn im Abkommen geht es nicht primär darum, den Export zu erhöhen, sondern der eigentliche Nutzniesser ist die Umwelt. Dass den Teilnehmerländern dieses Anliegen wichtig ist, wird auch durch die verbindliche Streitbeilegung unterstrichen.

Natürlich hat das ACCTS mit den vier gleich gesinnten Teilnehmerländern momentan nur einen beschränkten Einfluss auf das globale Klima. Doch das Ziel ist, dass das Abkommen durch den Beitritt neuer Länder wächst und zudem die Diskussionen über diese Themen in der WTO vorantreibt. Das ACCTS hat also das Potenzial, eine Vorreiter- und Vorbildfunktion einzunehmen und die positive Rolle des internationalen Handels zugunsten der Nachhaltigkeit besser auszuschöpfen.

  1. SR FF 2022 2403[]
  2. Siehe Chinas Panelantrag gegen die USA im Fall «United States – Certain Tax Credits Under the Inflation Reduction Act» (DS623) vom 26. Juli 2024. Es wurden zudem mehrere Anträge auf Konsultationen im WTO-Streitbeilegungssystem wegen dieser verschiedenen Massnahmen gestellt: «EU – Provisional CVDs on BEVs (China) (DS626)», «Canada – Certain Products (China) (DS627)», «China – CVD Investigation on Dairy Products (EU) (DS628)», «Türkiye – EVs (China) (DS629)» und «EU – Definitive CVDs on BEVs (China) (DS630)». []
  3. Siehe WBF (2021), S. 41. []
  4. Die Liste basiert auf früheren Arbeiten im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO), insbesondere den nicht abgeschlossenen plurilateralen Verhandlungen von 2016, wobei diese aktualisiert und weiterentwickelt wurden, um den heutigen ökologischen Herausforderungen und den neuesten Technologien Rechnung zu tragen. []
  5. Siehe Bacchetta et al. (2023), S. 5, 20. Die darin verwendete Liste ist allerdings nicht unbedingt deckungsgleich mit der des ACCTS. []
  6. Siehe UNO (2014). []
  7. Siehe OECD (2023). []

Literaturverzeichnis

Bibliographie

Zitiervorschlag: Chakowski, Nelly; Morard, Sébastien; Roth, Thomas (2024). Handel für die Umwelt: Die Schweiz vereinbart neues Abkommen. Die Volkswirtschaft, 15. November.