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Wer dem Staat vertraut, zahlt lieber Steuern

In Entwicklungsländern ist die Bereitschaft tief, Steuern zu bezahlen. Das liegt vor allem daran, dass die Bevölkerung dem Staat nicht vertraut. Nationale Reformen sowie die internationale Entwicklungszusammenarbeit sollten hier ansetzen.
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Für mehr als die Hälfte der befragten Steuerpflichtigen in Afrika ist es schwierig, herauszufinden, welche Steuern sie bezahlen müssen. (Bild: Keystone)

Steuern sind die wichtigste Einnahmequelle von Staaten. In den meisten Entwicklungsländern ist das Steueraufkommen, gemessen an der Wirtschaftsleistung, jedoch mit 10 bis 20 Prozent nicht einmal halb so hoch wie in einem durchschnittlichen Land in der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Entwicklungsländern stehen entsprechend weniger Mittel zur Verfügung, um grundlegende öffentliche Güter wie Gesundheit, Bildung, soziale Sicherheit und dazugehörige Infrastrukturen bereitzustellen. Sehr oft sind diese Länder zusätzlich hoch verschuldet. Einerseits ist dies eine Folge der geringen Einnahmen, andererseits schränken die Verschuldung und die hohen Zinszahlungen den Spielraum des Staats ein.

Steuererträge zu erhöhen, ist daher seit vielen Jahren ein wichtiges Ziel der nationalen Regierungen und der internationalen Zusammenarbeit und eine Grundlage, um die nachhaltigen Entwicklungsziele – auch Sustainable Development Goals (SDGs) genannt – zu erreichen. Entsprechende Reformen haben bisher allerdings weniger Erfolg gebracht als erhofft. Besonders in Afrika bleiben die Steuereinnahmen frustrierend tief (siehe Abbildung). Ein wichtiger Grund dafür ist, dass die Bevölkerung nicht bereit ist, Steuern zu bezahlen.

Vertrauen in staatliche Institutionen gering

Die Bereitschaft, Steuern zu zahlen, hängt stark damit zusammen, wie die Bevölkerung den Staat und seine Institutionen wahrnimmt: Glaubt sie, dass der Staat die Steuereinnahmen nutzt, um der Bevölkerung öffentliche Güter bereitzustellen, ist die Zahlbereitschaft höher. Wenn Steuerpflichtige aber den Eindruck haben, dass ihre Gelder in ineffizienten Strukturen verschwinden oder gar veruntreut werden, sinkt die Zahlungsbereitschaft. Systematische Umfragen zeigen, dass Steuerpflichtige, beispielsweise in Subsahara-Afrika, bereit wären, Steuern zu bezahlen, damit der Staat öffentliche Güter zur Verfügung stellen kann.[1] Ihnen fehlt jedoch das Vertrauen in die Regierung und besonders in die Steuerbehörden, weshalb ein Grossteil der Bevölkerung versucht, Steuern zu minimieren.

Erschwerend kommt hinzu, dass es in den Steuersystemen in vielen Entwicklungsländern oft willkürlich erscheinende Ausnahmen gibt, die bestimmte Interessengruppen und Eliten von Steuerpflichten befreien. Auch eine ungleiche Verteilung der Steuerlast, häufig auf Kosten von schwachen Einkommensgruppen, vermittelt den Eindruck, dass das Steuersystem weder fair noch gerecht ist. In ländlichen Gebieten fehlen zudem oft die nötigen Verwaltungsstrukturen, um Steuern effizient zu erheben.

Die Steuereinnahmen bleiben insbesondere in Afrika trotz Reformen tief

INTERAKTIVE GRAFIK
Quelle: OECD – Global Revenue Statistics Database / Die Volkswirtschaft

Steuerkonformität verbessern

Traditionelle Ansätze zur Verbesserung der Steuerkonformität, also der Einhaltung der Steuerpflicht, haben sich bisher vor allem darauf konzentriert, die Steuergesetze durchzusetzen. Dabei werden Steuerpflichtige intensiver überwacht und Vergehen höher bestraft. In Entwicklungsländern funktioniert das nur bedingt, weil die Steuerbehörden selbst von mangelnder Transparenz profitieren. Während eine Verschärfung der Durchsetzung kurzfristig zu höheren Steuereinnahmen führen kann, birgt sie auch das Risiko, das Misstrauen der Bevölkerung weiter zu verstärken, insbesondere wenn die Strafmassnahmen als unfair oder willkürlich wahrgenommen werden.

Ein weiterer traditioneller Ansatz wäre, durch den Abbau von bürokratischen Hürden Steuerzahlungsprozesse zu vereinfachen und benutzerfreundlicher zu gestalten. So haben Steuerzahlende das Gefühl, die Steuerpflichten wären weniger belastend und einfacher zu erfüllen. Eine solche Massnahme wäre beispielsweise die Einführung digitaler Plattformen, die ebenfalls den persönlichen Kontakt zu den Steuerkommissären minimieren und so Korruption verhindern.

Vertrauen entscheidend

Neuere Studien haben gezeigt, dass das Vertrauen in staatliche Institutionen entscheidend ist – zu der Wichtigkeit von Institutionen wurde kürzlich auch der Nobelpreis verliehen.[2] Bürgerinnen und Bürger müssen einerseits das Steuersystem als fair und gerecht wahrnehmen. Andererseits müssen sie darauf vertrauen können, dass Steuergelder für öffentliche Güter und Dienstleistungen genutzt und die Regierung und die verantwortlichen Behörden zur Rechenschaft gezogen werden, falls die Gelder verschwenderisch eingesetzt oder veruntreut werden.

Fair bedeutet in diesem Kontext, dass die Steuerpflicht verständlich und vorhersehbar ist und Steuerhinterziehung sowie andere Vergehen angemessen und im gleichen Mass für alle bestraft werden. Erhebungen für Afrika zeigen, dass mehr als die Hälfte der Steuerpflichtigen es als schwer betrachten, herauszufinden, welche Steuern sie bezahlen müssen, und dass ihnen Strafen willkürlich und unangemessen hoch erscheinen.

Gerecht ist ein Steuersystem, wenn alle ihren Beitrag leisten und nach ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit besteuert werden. Denn die Bereitschaft, selbst Steuern zu bezahlen, sinkt, wenn man das Gefühl hat, die anderen würden nicht genug zahlen. In vielen Entwicklungsländern sind sowohl der Einbezug von Steuerpflichtigen als auch die Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit mangelhaft.

Vertrauensbildende Massnahmen

Wie sehen Massnahmen aus, die das Vertrauen in den Staat stärken? In Usbekistan etwa konnte das Vertrauen in die Steuerbehörde verbessert werden, indem der Fokus von vertieften Audits von Steuererklärungen risikobasiert bestimmt wurde. Dadurch wurden vorschriftsgemässe Steuerzahler nicht mit unnötigen Audits belastet. Ausserdem werden Steuern oft als gerecht wahrgenommen, wenn sie progressiv sind – also jene mit höherem Einkommen zahlen überproportional höhere Steuern. Vertrauensfördernd ist auch, wenn transparent aufgezeigt wird, wofür Steuermittel eingesetzt werden. So können Steuern an einen bestimmten Zweck gebunden sein. In der Schweiz werden zum Beispiel die Verkehrssteuern für den Strassenbau und den Erhalt der Infrastruktur eingesetzt.

Direktdemokratische Instrumente, wie partizipative Budgetprozesse, und eine wirksame Kontrolle der Steuerbehörden zur Vermeidung von Korruption können sinnvolle Massnahmen darstellen, um die verantwortlichen Behörden zur Rechenschaft zu ziehen. Wenn Steuerpflichtige institutionalisierte Möglichkeiten dazu haben, sind sie eher bereit, Steuern zu zahlen. In Ruanda haben Reformen zur Bekämpfung der Korruption und zur Verbesserung der Transparenz dazu beigetragen, das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu stärken, was wiederum die Steuereinnahmen erhöht hat. Genauso wichtig sind aber auch Investitionen, um eine Dienstleistungskultur und ein kundenfreundliches Verhalten aufseiten der Steuerbehörden aufzubauen.

Vertrauensbildende Massnahmen wirken komplementär zu Durchsetzung und Vereinfachung und sollten an den lokalen, spezifischen Kontext angepasst in Reformen eingebaut werden. Gerade in Entwicklungsländern, in denen die Steuerbehörden von allen Institutionen das geringste Vertrauen geniessen, kommt diesen Massnahmen grosse Bedeutung zu. Wenn das Vertrauen gestärkt wird – was bedeutet, dass Regierungen sowohl die positive Absicht als auch die technische Kompetenz besitzen, um Fairness und Gerechtigkeit des Steuersystems zu erhöhen –, führt dies zu einer gesteigerten Steuermoral. Die Steuermoral wiederum hat zwei weitreichende Auswirkungen: Sie fördert die Steuerkonformität und stärkt das Vertrauen in die Regierung für gegenwärtige und zukünftige Reformen, die benötigt werden, um die tiefen Einnahmen in Entwicklungsländern zu erhöhen.

  1. Siehe OECD (2019). []
  2. Siehe Dom, R. et al. (2022). []

Literaturverzeichnis
  • Dom, R. et al. (2022). Innovations in Tax Compliance: Building Trust, Navigating Politics, and Tailoring Reform. Washington, DC: World Bank.
  • OECD (2019). Tax Morale: What Drives People and Businesses to Pay Tax? OECD Publishing, Paris.

Bibliographie
  • Dom, R. et al. (2022). Innovations in Tax Compliance: Building Trust, Navigating Politics, and Tailoring Reform. Washington, DC: World Bank.
  • OECD (2019). Tax Morale: What Drives People and Businesses to Pay Tax? OECD Publishing, Paris.

Zitiervorschlag: Schmid, Juan Pedro; Vollenweider, Jürg (2024). Wer dem Staat vertraut, zahlt lieber Steuern. Die Volkswirtschaft, 04. November.