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Wer kontrolliert die Regierung und die Departemente?

Wenn Hinweise auf unzulängliche, fehlerhafte oder gar unrechtmässige Geschäftsführung der Bundesbehörden bekannt werden, wird der Ruf laut nach den Geschäftsprüfungskommissionen der beiden Räte. Mit ihren Untersuchungen stärken sie das Vertrauen in die Demokratie.
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Die Geschäftsprüfungskommissionen des National- und des Ständerats kontrollieren die Geschäftsführung der Bundesbehörden. Im Bild: Bundesrätin Karin Keller-Sutter und der Präsident der Geschäftsprüfungskommission des Ständerats, Charles Juillard. (Bild: Keystone)

Die Gewaltenteilung zwischen den drei Staatsebenen der Legislative, der Exekutive und der Judikative ist ein grundlegendes Prinzip in demokratischen Staaten. Sie soll verhindern, dass sich die Macht bei einzelnen Institutionen oder Personen konzentriert. In der Schweiz wurde diese 1848 mit der Gründung des Bundesstaats eingeführt. Ein wesentliches Element davon ist die politische Kontrolle des Parlaments (Legislative) über die Amtsführung der Exekutive, also Bundesrat und Bundesverwaltung, die sogenannte parlamentarische Oberaufsicht. Das geschieht hauptsächlich[1] durch die beiden ständigen Geschäftsprüfungskommissionen des National- und des Ständerats sowie deren Delegation, die Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel).

Von der Prüfung des Geschäftsberichts zur Aufsicht über die Nachrichtendienste

Die politische Kontrolle des Parlaments über die Geschäftsführung des Bundesrats und der Verwaltung ist in ihren Grundzügen seit 1848 in der Bundesverfassung verankert. Bis in die 1960er-Jahre bestand der gesetzliche Hauptauftrag der GPK in der Prüfung des Geschäftsberichts des Bundesrats, der Bundesbetriebe sowie der Gerichte.[2] Einen ersten bedeutenden Entwicklungsschub erfuhr die parlamentarische Kontrolle mit der Mirage-Affäre 1964, bei der es um Kostenüberschreitungen bei der Kampfflugzeugbeschaffung ging. Diese hatte verwaltungsinterne Missstände und Probleme der parlamentarischen Kontrolle offengelegt. Infolgedessen wurden die Informationsrechte der GPK 1966 erstmals gesetzlich verankert, damit sie die für ihre Abklärungen notwendigen Informationen von allen Behörden und Amtsstellen des Bundes einholen konnten.

Unter dem Eindruck der Fichenaffäre, bei der aufgedeckt wurde, dass die Bundes- und Kantonalbehörden seit 1900 im Geheimen Informationen über Bürgerinnen und Bürger sammelten, erfolgte 1992 die Schaffung der Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel). Sie besteht aus je drei Mitgliedern der GPK des National- und des Ständerats und hat zur Aufgabe, die Oberaufsicht über den Nachrichtendienst und den Staatsschutz auszuüben. Die Delegation überwacht Bereiche, die geheim bleiben müssen, weil sie ansonsten dem Landesinteresse schweren Schaden zufügen könnten. Mit der Totalrevision der Bundesverfassung und der nachfolgenden Totalrevision des Parlamentsrechts[3] wurden 1999 und 2003 die Informationsrechte der Kommissionen geklärt und der GPDel umfassende Informationsrechte eingeräumt.[4]

Die GPK heute – ihre Arbeit und ihre thematischen Schwerpunkte

Heute vertiefen die Geschäftsprüfungskommissionen beider Räte und die GPDel jährlich eine Vielzahl unterschiedlicher Fragestellungen. Der Fokus der Kommissionen liegt auf der Problemerkennung bei der Geschäftsführung des Bundesrats, der Bundesverwaltung und aller übrigen Träger von öffentlichen Aufgaben auf Bundesebene. Zu Letzteren gehören auch ehemalige Bundesbetriebe wie Swisscom und SBB. Ihnen gegenüber ist die parlamentarische Oberaufsicht jedoch eingeschränkt. Sie reicht vereinfacht gesagt nur so weit wie die Aufsicht des Bundesrats.

Die Untersuchungen der GPK erfolgen mit dem Ziel, die demokratische Verantwortlichkeit und das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Institutionen zu stärken. Hierzu ermitteln sie Optimierungsspielräume in der Geschäftsführung und bezwecken, einen konformen Gesetzesvollzug sicherzustellen.[5] Ihre Prüfungen richten sie nach den gesetzlich verankerten Kriterien[6] der Rechtmässigkeit, der Zweckmässigkeit und der Wirksamkeit aus. Konkret bedeutet dies: Handeln die Bundesbehörden rechtmässig? Sind die vom Staat getroffenen Massnahmen zweckmässig, um das anvisierte Ziel zu erreichen? Sind die vom Staat getroffenen Massnahmen wirksam?

Erkennen die Kommissionen Handlungsbedarf, so wenden sie sich mit Empfehlungen an die oberste zuständige Exekutivbehörde, in der Regel ist dies der Bundesrat. Dieser ist verpflichtet, hierzu öffentlich Stellung zu nehmen. Lehnt die Regierung eine Empfehlung ab, muss sie dies begründen. Darüber hinaus können die Kommissionen parlamentarische Vorstösse einreichen, wenn sie einen gesetzgeberischen Handlungsbedarf ermitteln. Dies war 2022 beispielsweise im Bereich des Grundwasserschutzes oder bei der Pandemiebewältigung der Fall.[7]

Im Jahr 2023 veröffentlichten die GPK insgesamt 15 Untersuchungsberichte. Themen waren etwa die Pandemiebewältigung, Wirtschaftssanktionen sowie die Indiskretionen im Zusammenhang mit Covid-19-Geschäften des Bundesrats (siehe Kasten). Generell verfolgen die Kommissionen laufend das aktuelle Geschehen und reagieren rasch auf neue Entwicklungen. So kündigte die ständerätliche GPK im September 2024 – drei Tage nach Bekanntwerden von mutmasslichen Unregelmässigkeiten bei Unterschriftensammlungen – eigene Abklärungen an.[8]

Kompetenzen und Grenzen der Oberaufsicht

Damit die parlamentarische Oberaufsicht ihre Rolle effektiv wahrnehmen kann, benötigt sie die entsprechenden Instrumente. Dreh- und Angelpunkt sind dabei ihre weit gefassten Informationsrechte, die wie eingangs erwähnt in den letzten Jahrzehnten erweitert worden sind. So dürfen die Kommissionen direkt bei den von ihnen beaufsichtigten Behörden, Ämtern und Institutionen auf allen Hierarchieebenen Informationen verlangen.

Die Informationsrechte gelten auch gegenüber ehemaligen Bundesratsmitgliedern und Bundesangestellten. Einzige Einschränkung stellen für die GPK die Bundesratsprotokolle und die als geheim klassifizierten Dokumente dar. Letztere sind der GPDel vorenthalten. Aus den weit gefassten Informationsrechten ergeben sich besondere Informationsschutzerfordernisse, denen die GPK umfassend Rechnung tragen müssen.[9] Zudem gelten besondere Ausstandspflichten für die GPK-Mitglieder, um die Objektivität und die Unabhängigkeit der Untersuchungen zu garantieren.

Gerade wegen der Gewaltenteilung sind die Kompetenzen der parlamentarischen Oberaufsicht auch begrenzt. So haben die Akteure der Oberaufsicht kein Recht, Entscheide von Bundesrat, Ämtern oder der Gerichte aufzuheben oder zu ändern. Deshalb untersuchen die GPK in der Regel keine Fragestellungen, die Gegenstand von laufenden Verfahren sind. Zudem erfolgt die parlamentarische Oberaufsicht subsidiär zur Aufsicht des Bundesrats und der Departemente, sie kann diese nicht ersetzen. Das heisst, die direkte Führungsverantwortung bleibt bei den hierarchisch übergeordneten Stellen.

Spannungsfeld Parlament und Bundesrat?

Zu einer wirkungsvollen Oberaufsicht gehört letztlich auch die konsequente Nachverfolgung der ausgesprochenen Empfehlungen. Dies schliesst insbesondere einen regen Austausch mit dem Bundesrat ein. So setzen sich die GPK jeweils vertieft mit den Stellungnahmen des Bundesrats und den von der Exekutive getroffenen Massnahmen auseinander. Orten sie Bedarf, stellen sie der Regierung Nachfragen. Dieser Dialog funktioniert bis auf wenige Ausnahmefälle, was im Interesse beider Institutionen ist. Denn ihre Glaubwürdigkeit ist in einem demokratischen Staat ein kostbares Gut, dem es Sorge zu tragen gilt. Die GPK trägt dazu bei. Die Pflege und die Bewahrung dieser Glaubwürdigkeit gehört zu ihren Kernaufgaben.

  1. Dabei ist zu erwähnen, dass die Oberaufsicht über den Finanzhaushalt von den Finanzkommissionen und der Finanzdelegation wahrgenommen wird. []
  2. Geschäftsverkehrsgesetz 1962, Art.47ter Abs.1. []
  3. Ablösung des Geschäftsverkehrsgesetzes (GVG) durch das heute geltende Parlamentsgesetz. []
  4. Kommentar zum Parlamentsgesetz, 2024, S. 1256 ff. []
  5. Handlungsgrundsätze der GPK vom 13.5.24. []
  6. Art. 169 BV und Art. 26 und Art. 53 ParlG. []
  7. Siehe Motion 22.3874 «Klärung und Stärkung der Aufsichtsinstrumente und Interventionsmöglichkeiten des Bundes im Bereich des Grundwasserschutzes» sowie Motion 22.3507 «Rechtsgrundlagen für einen Fach-Krisenstab». []
  8. Medienmitteilung der GPK-S vom 6.9.2024: «Unterschriftenfälschungen bei Volksinitiativen – die GPK-S nimmt Abklärungen vor». []
  9. Zum Informationsschutz siehe die entsprechenden Weisungen der GPK über ihre Massnahmen zum Geheimnisschutz, 13.5.2024. Zu den Ausstandspflichten: Kommentar zum Parlamentsgesetz, 2024, 124ff. []

Zitiervorschlag: Jud Huwiler, Ursina (2024). Wer kontrolliert die Regierung und die Departemente? Die Volkswirtschaft, 05. November.

Die Tätigkeit der GPK 2023

Im Jahr 2023 haben die Geschäftsprüfungskommissionen (GPK) sowie die Geschäftsprüfungsdelegation des National- und des Ständerats 150 Themen an 130 Sitzungen vertieft.

Inspektionen und umfangreichere Abklärungen werden in einem Bericht publiziert. Insgesamt haben GPK und GPDel 15 solche Berichte publiziert. Ein Schwerpunkt bildeten dabei vier Berichte zu unterschiedlichen Aspekten der Geschäftsführung bei der Pandemiebewältigung. Je ein weiterer Bericht befasste sich mit der Behördenkommunikation vor Abstimmungen, der Wirksamkeitsmessung in der internationalen Zusammenarbeit wie auch mit der Beteiligung des Bundes an Wirtschaftssanktionen.

Darüber hinaus führten die GPK aktualitätsbedingt eine Inspektion zu Indiskretionen im Zusammenhang mit Covid-19-Geschäften des Bundesrats (sogenannte Corona-Leaks) durch. Auch tätigten sie im Nachgang zur Notfusion zwischen der UBS und der CS vom 19. März 2023 erste Abklärungen zur Geschäftsführung der Bundesbehörden. Ihre Erkenntnisse stellten sie der im Juni 2023 eingesetzten Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) zur Verfügung.[1]

Punktuelle Abklärungen werden im Rahmen des Jahresberichts publiziert. Dazu gehören beispielsweise Inspektionen zum Controlling von Offsetgeschäften, zum Transit von Asyl suchenden Personen sowie zur Unterstützung der Bundesanwaltschaft durch die Bundeskriminalpolizei.