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Wettbewerb ist gut – ihn zu gestalten, schwieriger

Wettbewerb reduziert die Gewinne von Unternehmen. Die Versuchung von Preisabsprachen und Monopolbildung ist daher gross. Und dennoch: Die institutionellen Rahmenbedingungen für staatliche Eingriffe müssen gut durchdacht sein.
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In der Wettbewerbspolitik gibt es oft gegenläufige Interessen, die ausgewogen berücksichtigt werden müssen. (Bild: Keystone)

Wettbewerb in einer Volkswirtschaft ist wünschenswert: Mehr Anbieter im Markt bedeuten für Konsumierende niedrigere Preise, eine höhere Produktvielfalt sowie oft auch mehr Innovation. Auch Firmen schätzen Wettbewerb zwischen ihren Zulieferern – im eigenen Markt ist er aber lästig und die Versuchung, ihn zu beschränken, gross. Dafür gibt es viele Mittel: Anbieter können Preise absprechen oder sich zusammenschliessen, sodass weniger Firmen im Markt verbleiben. Mit Gebietsbeschränkungen verbieten Hersteller den Händlern, ihre Waren oder Dienstleistungen ausserhalb eines bestimmten geografischen Gebiets zu verkaufen. Diese Marktabschottung erlaubt es, geografisch differenzierte Preise zu setzen. Auch können dominante Firmen gezielt Markteintritte verhindern, indem sie zum Beispiel möglichen Konkurrenten den Zugang zu wesentlichen Inputs verwehren.

Wegen der erwarteten gesamtwirtschaftlich negativen Auswirkungen von Wettbewerbsbeschränkungen werden diese in vielen Ländern gesetzlich bekämpft. Solche Massnahmen erfreuen allerdings nicht alle Marktteilnehmer. Immerhin legen ökonomische Argumente nahe, dass manche staatlichen Eingriffe zum Schutz des Wettbewerbs die volkswirtschaftliche Effizienz verbessern: Die Gewinne der Nutzniessenden überwiegen die Verluste der Verlierer. In der Praxis ist es jedoch illusorisch, ausschliesslich effiziente Eingriffe vorzunehmen. Guter Wettbewerbspolitik sollte es aber wenigstens gelingen, Firmen von problematischen Verhaltensweisen abzuhalten oder Letztere wenigstens schnell zu unterbinden. Dabei sollten gleichzeitig schädliche Eingriffe und exzessiver bürokratischer Aufwand vermieden werden.

Die optimale Wettbewerbspolitik

Die Kernfrage lautet daher: Wie sollen wettbewerbspolitisch relevante Institutionen wie Gesetze, Behörden und Gerichte ausgestaltet werden? Die Möglichkeiten, aber auch die Fehlerquellen sind vielfältig, und das optimale Design ist folglich schwierig. Die gegenläufigen Interessen verschiedener Anspruchsgruppen verkomplizieren die Sache zusätzlich.

Folgende Herausforderungen und Grenzen sind zu beachten: Wettbewerbspolitik muss universell anwendbar sein. Das heisst, sie muss für die Bauindustrie ebenso funktionieren wie für den Telekommunikationssektor, sowohl für ausländische als auch für inländische Firmen, für Absprachen, Zusammenschlüsse und den Missbrauch von Marktmacht. Ein Kochrezept für den Umgang mit Einzelfällen kann Wettbewerbspolitik nicht bieten. Stattdessen muss sie stabile Regeln liefern, die aber flexibel genug für ein dynamisches Marktumfeld sind.

Zudem muss Wettbewerbspolitik alle Wettbewerbsbeschränkungen angemessen berücksichtigen. Tut sie das nicht, können Firmen auf andere problematische Methoden ausweichen: Wenn Unternehmenszusammenschlüsse beispielsweise sehr grosszügig behandelt werden und Kartelle nicht, werden Erstere attraktiver. Gefragt ist ein ausbalancierter Ansatz, der solche ungewünschten Reaktionen verhindert. Ebenso entscheidend sind gute Instrumente, um Fehlverhalten aufzudecken. Dazu gehören Kronzeugenregelungen, Hausdurchsuchungen und Selbstanzeigen. Insbesondere Letztere sind wichtig. Man nimmt dafür sogar in Kauf, dass Selbstanzeiger mit einem partiellen oder einem völligen Straferlass davonkommen. Strafen für ähnliche Vergehen fallen damit sehr unterschiedlich aus.

Trotz der gesetzlichen Vorgaben bleibt Behörden und Gerichten grosser Spielraum. Durch ihre Entscheidungen beeinflussen sie, welche konkreten Fälle aufgedeckt, publik gemacht und sanktioniert werden, und damit indirekt, von welchen Praktiken Firmen zukünftig Abstand nehmen werden. Langfristig haben die Gerichte ein grösseres Gewicht als die Behörden, gleichzeitig ist es nicht immer leicht, deren Verhalten vorherzusehen. Während das Bundesgericht etwa in zwei Grundsatzurteilen[1] einen harten Umgang mit Absprachen respektive dem Missbrauch von Marktmacht unterstützte, wies es die Wettbewerbskommission (Weko) jüngst im Fall der Ausschreibung eines internen Netzwerks der Schweizerischen Post in die Schranken, sprich, die Weko habe zu hart geurteilt.

Grenzen der Wettbewerbspolitik

Auch die beste Wettbewerbspolitik stösst an Grenzen. So kann Wettbewerb sich auch selbst zerstören: Firmen mit technologischen Vorteilen und besseren Produkten wachsen meist schneller als ihre Konkurrenz und können so in der langen Frist marktbeherrschend werden wie zum Beispiel Microsoft, Google-Alphabet oder Apple. Die Wettbewerbspolitik lässt solche Entwicklungen zu, um Qualität und Anstrengung zu belohnen. Davon profitieren Konsumierende zunächst, am Ende steht aber oft eine Marktstruktur, in der die erfolgreichste Firma sich wenig Sorgen um ihre dominante Stellung machen muss.

Auch ist Wettbewerb nicht immer zielführend. So wäre es ökonomisch unklug, teure Infrastrukturen wie das Stromnetz mehrfach zu bauen. Deshalb werden in solchen Fällen oft Monopole gewährt, zumeist verbunden mit direkter Preisregulierung anstelle von Wettbewerb.

Eine weitere Beschränkung für die Gestaltung der Wettbewerbspolitik in der Schweiz ist, dass manchmal das Ausland mitredet: Grenzüberschreitende Kartelle mit Schweizer Beteiligung werden von der EU und den Behörden in den USA verfolgt, so etwa die Vitaminkartelle Ende des letzten Jahrhunderts. Damals gab es Absprachen unter den grossen Pharmaproduzenten, darunter auch die Schweizer Firma Hoffmann-LaRoche, um die Preise für Vitamine hoch zu halten. Ebenso werden Zusammenschlüsse international tätiger Firmen wie beispielsweise die Fusion der UBS und der Credit Suisse nicht nur in der Schweiz geprüft. Das Wettbewerbsumfeld für die Schweiz wird also nicht nur von der Wettbewerbspolitik in der Schweiz bestimmt.

Viele Zielkonflikte

Wettbewerbspolitik muss vielen Anforderungen gerecht werden. Zielkonflikte sind die Folge. Oft hängen die Auswirkungen möglicher Wettbewerbsbeschränkungen von Details ab. Diese zu identifizieren, ist aufwendig, teuer und oft nicht zweifelsfrei möglich. Deshalb sind derartig detaillierte Prüfungen nur dort sinnvoll, wo wesentliche Einsichten zu erwarten sind. Komplexe Fusionen und Fälle des Missbrauchs von Marktmacht drängen sich dafür auf. Horizontale Kartelle, das heisst wettbewerbswidrige Absprachen zwischen Unternehmen auf der gleichen Produktions- oder Handelsstufe, sind dagegen so problematisch, dass man auf Detailanalysen verzichten kann.

Wettbewerbspolitische Eingriffe, etwa gegen solche horizontalen Kartelle, bringen es mit sich, dass die betroffenen Märkte weniger profitabel werden. Das kann zu Marktaustritten führen, wodurch vordergründig der Wettbewerb geschwächt wird. Diese Befürchtung ist aber zu relativieren: Ein Markt mit wenigen kompetitiv operierenden Firmen ist zumeist einem Kartell mit vielen Firmen vorzuziehen.

  1. Dies war der Fall bei Absprachen des zahnmedizinischen Unternehmens Gaba International mit seiner österreichischen Lizenznehmerin Gebro sowie bei Swisscom und ihrer Monopolstellung im Bereich ADSL-Dienste. []

Zitiervorschlag: Schmutzler, Armin (2024). Wettbewerb ist gut – ihn zu gestalten, schwieriger. Die Volkswirtschaft, 05. November.