Lenkungsabgaben, zum Beispiel auf Dünge- und Pflanzenschutzmittel, würden mehr Spielraum für die Landwirtschaftsbetriebe schaffen. (Bild: Keystone)
Die Schweiz verfolgt ehrgeizige agrarpolitische Ziele. Sie gehört auch zu den Ländern mit der höchsten staatlichen Unterstützung für den Agrarsektor. So liegt der Producer Support Estimate für die Schweizer Landwirtschaft bei rund 50 Prozent. Das heisst, von jedem Franken, den die Landwirtschaftsbetriebe einnehmen, stammen rund 50 Rappen vom Staat, zum Beispiel durch Direktzahlungen oder den Grenzschutz – denn durch die Zölle erhöhen sich die Preise für importierte Produkte in der Schweiz, und somit ermöglicht der Grenzschutz auch höhere Preise für einheimische Produzenten. Insgesamt entspricht dies einer Unterstützung von rund 6000 Schweizer Franken pro Hektare landwirtschaftlicher Nutzfläche und Jahr.[1]
Diese staatliche Intervention basiert auf dem politischen Auftrag, dass die Landwirtschaft neben der Produktion von Nahrungsmitteln auch verschiedene gemeinwirtschaftliche Leistungen erbringen soll. Dazu gehören die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen und die Pflege der Kulturlandschaft. So sind rund 40 Prozent der Direktzahlungen an ökologische Aspekte gebunden, etwa die Biodiversität zu erhalten, die Kulturlandschaft zu pflegen oder nachhaltige Produktionssysteme zu verwenden.
Agrarpolitik ist komplexer geworden
Die Schweizer Agrarpolitik wurde in den letzten Jahrzehnten stark angepasst: Mittlerweile besteht sie aus diversen Gesetzen und Instrumenten, viele davon neu eingeführt. Dadurch hat die Komplexität stark zugenommen, was sich auch darin zeigt, dass es im Jahr 2022 über hundert verschiedene Direktzahlungsmassnahmen mit oft komplexen Abstufungen gab.[2] Der damit verbundene administrative Aufwand wird von den Landwirtinnen oft als belastend empfunden und hat zu den Bauernprotesten beigetragen.[3] Trotz hoher Kosten und grosser Anstrengungen der Landwirte und vieler weiterer Akteure sind verschiedene Ziele noch nicht erreicht. Dies betrifft beispielsweise die Bereiche Klima und Luft, Biodiversität sowie Gewässer- und Bodenschutz, obwohl hier in den letzten Jahren viel verbessert wurde.[4]
Es ist also eine Situation entstanden, in der ein immenser Aufwand betrieben wird, verschiedene Ziele nicht erreicht werden und viele Akteure, darunter auch die Landwirte, mit der Situation unzufrieden sind. Langfristig ist deshalb eine Neukonzeption der Agrarpolitik notwendig, die es erlaubt, die vorhandenen Mittel besser einzusetzen und die Ziele einfacher und effizienter zu erreichen. Die Abbildung fasst schematisch mögliche Stossrichtungen zusammen.
Instrumentenmix für eine effektivere und effizientere Agrarpolitik
Mittel einfacher und effizienter einsetzen
Drei Aspekte sind dabei von zentraler Bedeutung. Erstens: stärker auf Ergebnisse fokussieren statt auf Handlungen und Inputs. Die agrarpolitischen Instrumente setzen heute oft auf Vorschriften, was wann und wo gemacht werden darf und was nicht, zum Beispiel im Rahmen des ökologischen Leistungsnachweises oder der Direktzahlungsprogramme. Dies ist aber nicht unbedingt zielführend. Wenn zum Beispiel Schnittzeitpunkte und Düngereinsatz vorgegeben werden, erhöht das die Biodiversität nicht zwangsläufig. Sich stärker auf die eigentlichen agrarpolitischen Ziele und Ergebnisse zu konzentrieren, zum Beispiel darauf, bestimmte Biodiversitätsziele zu erreichen, wäre daher effektiver und effizienter. Dies kann durch ergebnisorientierte Anreizsysteme erreicht werden, bei denen Landwirtinnen Zahlungen erhalten, wenn sie bestimmte Ergebnisse erreichen.[5]
Zweitens: mehr Handlungsspielraum für die Landwirtinnen. In der heutigen Agrarpolitik geben Verwaltung und Politik oft vor, wie die Ziele zu erreichen sind. Einheitliche Vorgaben, die für jeden Betrieb und jedes Jahr gleich sind, werden aber weder den räumlichen und zeitlichen Unterschieden der natürlichen Bedingungen noch den grossen Unterschieden zwischen den Betrieben und ihren Strukturen gerecht. Sie sind daher teuer und aufwendig, aber oft wenig effizient. Zudem sind diese sehr detaillierten Vorgaben teilweise nur schwer kontrollierbar. Den landwirtschaftlichen Betrieben sollte daher mehr Freiheit bei der Umsetzung und der Zielerreichung eingeräumt werden.[6] Neben ergebnisorientierten Agrarumweltprogrammen können hier auch Lenkungsabgaben, zum Beispiel auf Dünge- und Pflanzenschutzmittel, mehr Spielraum für die Betriebe schaffen. So hätten Pflanzenschutzmittel mit grösseren Risiken für Mensch und Umwelt eine höhere Abgabe und würden damit teurer als die Produkte mit geringeren Risiken. Die Betriebe können dann selbst entscheiden, welche Pflanzenschutzmittel sie einsetzen. Wenn die Einnahmen aus den Abgaben an die Betriebe zurückfliessen, hat eine solche Abgabe zudem kaum Einfluss auf die Einkommen im Landwirtschaftssektor als Gesamtes.[7]
Überbetriebliche Massnahmen
Drittens sollte der Fokus der agrarpolitischen Instrumente vermehrt über den einzelnen Betrieb hinausgehen. Während die heutige Agrarpolitik stark einzelbetrieblich ausgerichtet ist, können Ziele wie Biodiversität, Gewässer- und Klimaschutz besser überbetrieblich angegangen werden. Überbetriebliche Kooperationen sollten daher gefördert werden. Gemeinsames Handeln kann auch die Zielerreichung erleichtern. Beispielsweise ist es wahrscheinlicher und günstiger, Klimaziele zu erreichen, wenn diese auf regionaler statt einzelbetrieblicher Ebene festgelegt werden, da Emissionen dort reduziert werden können, wo es am kostengünstigsten ist.[8]
All diese Schritte können dazu beitragen, die Agrarpolitik einfacher, effektiver und effizienter zu gestalten, das heisst, die agrarpolitischen Ziele zu geringeren Kosten zu erreichen. Ausserdem lässt sich der administrative Aufwand reduzieren, wenn zum Beispiel weniger Auflagen, Kontrollen und Dokumentationspflichten erforderlich sind. All diese Potenziale können aber nur ausgeschöpft werden, wenn bestehende Instrumente abgebaut und durch neue, innovative Ansätze wie ergebnisorientierte Anreizsysteme, Lenkungsabgaben und überbetriebliche Ansätze ersetzt werden. Dabei spielen auch digitale Technologien wie die Fernerkundung, Datenplattformen und neue Sensoren zu Messung von Erträgen, Verschmutzung und Biodiversität eine wichtige Rolle für die Agrarpolitik der Zukunft.[9] Darüber hinaus bedarf es stabiler Rahmenbedingungen, die den Betrieben eine langfristige Anpassung der Anbausysteme und Betriebsstrukturen ermöglichen.
Literaturverzeichnis
- Bundesamt für Umwelt (Bafu), und Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) (2016). Umweltziele Landwirtschaft-Statusbericht 2016.
- Ehlers, M. H., Huber, R. und R. Finger (2021). Agricultural Policy in the Era of Digitalisation. Food Policy, 100, 102019.
- El Benni, N., Ritzel, C. und G. Mack (2024). Why the Administrative Burden of Cross Compliance Matters. EuroChoices.
- Elmiger, N. et al. (2023). Biodiversity Indicators for Result-based Agri-environmental Schemes – Current State and Future Prospects. Agricultural Systems, 204, 103538.
- Finger, R. (2024). Lenkungsabgaben in der Landwirtschaft. Agrarpolitik Blog ETH Zürich, 26.08.2024.
- Finger, R. et al. (2024). Farmer Protests in Europe 2023–2024. EuroChoices.
- Huber, R., El Benni, N., und R. Finger (2024). Lessons Learned and Policy Implications from 20 Years of Swiss Agricultural Policy Reforms: A Review of Policy Evaluations. Bio-based and Applied Economics, 13(2), 121-146.
- Tarruella, M. (2023). Cost-effectiveness of Farm- vs. Regional-level Climate Change Mitigation Policies. Q Open, qoad022.
Bibliographie
- Bundesamt für Umwelt (Bafu), und Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) (2016). Umweltziele Landwirtschaft-Statusbericht 2016.
- Ehlers, M. H., Huber, R. und R. Finger (2021). Agricultural Policy in the Era of Digitalisation. Food Policy, 100, 102019.
- El Benni, N., Ritzel, C. und G. Mack (2024). Why the Administrative Burden of Cross Compliance Matters. EuroChoices.
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Zitiervorschlag: Finger, Robert (2024). Den ökologischen Fussabdruck der Landwirtschaft effizienter erreichen. Die Volkswirtschaft, 10. Dezember.