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Ist ein hoher Anteil an Teilzeitarbeit Ausdruck von Reichtum?

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Auch Männer arbeiten immer häufiger in Teilzeit, vor allem, um sich um Familie und Haushalt zu kümmern. (Bild: Keystone)
Herr Kopp, der Anteil der Teilzeitbeschäftigten in der Schweiz stieg in den letzten 20 Jahren um 7 Prozentpunkte auf 37 Prozent. Wird dieser Trend anhalten?

Ein Grund für diese Entwicklung sind die Frauen: Sie sind häufiger erwerbstätig als früher – und das oft in Teilzeit. Da die Erwerbstätigenquote in der Schweiz bereits hoch ist, ist allerdings fraglich, ob noch deutlich mehr Frauen in den Arbeitsmarkt kommen. Wahrscheinlicher ist, dass die Frauen in Zukunft ihre (Teilzeit-)Pensen steigern. Die Teilzeitarbeit hat aber auch bei den Männern zugenommen. Sie haben ihre Arbeitszeit vor allem durch vermehrte Familien- und Haushaltsarbeit ersetzt. Sollte sich diese Entwicklung fortsetzen, dürfte die Teilzeitquote weiter steigen.

Wie kommt es, dass die Schweiz bei der Teilzeitarbeit zu den Spitzenreitern gehört?

Dies hängt vor allem damit zusammen, dass die Schweiz eine hohe Erwerbsquote hat – insbesondere wegen der Frauen. Viele Frauen sind erwerbstätig, weil sie in einem Teilzeitpensum arbeiten können. In anderen Ländern kommt es dafür häufiger vor, dass Frauen gar nicht arbeiten.

 

Weltweit gibt es keinen klaren Zusammenhang zwischen Reichtum und Teilzeitarbeit.

 

Ist Teilzeitarbeit ein Phänomen von reichen Ländern?

Weltweit gibt es keinen klaren Zusammenhang zwischen Reichtum und Teilzeitarbeit. So haben arme Länder wie Ghana und Ruanda hohe Teilzeitquoten, reiche Länder wie Singapur oder die Vereinigten Arabischen Emirate hingegen tiefe. Innerhalb Europas findet man den Zusammenhang eher. Dies hat aber nicht damit zu tun, dass sich reichere Länder Teilzeitarbeit eher leisten können. Denn eine hohe Teilzeitquote bedeutet nicht, dass insgesamt weniger gearbeitet wird. Das Arbeitsvolumen wird oft einfach auf mehr Schultern verteilt. Das zeigen die Wochenarbeitsstunden pro Person im erwerbsfähigen Alter. Diese sind wegen der steigenden Erwerbsquote in der Schweiz zwischen 2010 und 2022 leicht angestiegen – trotz gleichzeitig zunehmender Teilzeitquote.

Verschärft der Teilzeittrend den Fachkräftemangel?

Das ist unklar. Bleibt die Zahl der Erwerbstätigen gleich, und immer mehr arbeiten Teilzeit – dann verschärft das den Fachkräftemangel. Wenn dank Teilzeitarbeit aber mehr Menschen am Arbeitsmarkt teilnehmen, kann sie ihn gar lindern. In der Schweiz scheint eher Letzteres der Fall zu sein, wie die steigende Pro-Kopf-Wochenarbeitszeit der 15- bis 64-Jährigen zeigt.

Braucht es Anreize für Vollzeitarbeit?

Anreize zur Vollzeitarbeit bergen die Gefahr, dass Männer wieder vermehrt Vollzeit arbeiten und Frauen ihr Pensum reduzieren.

Würde die Individualbesteuerung dazu führen, dass Ehepaare ihre Teilzeitpensen aufstocken?

Es ist möglich, dass dadurch vor allem Zweitverdiener ihr Pensum erhöhen, weil das zusätzliche Einkommen weniger stark besteuert würde. Das Ausmass ist allerdings unklar, da wir nicht genau wissen, wie stark Haushalte auf solche finanziellen Anreize reagieren.

Vor allem Frauen arbeiten in der Schweiz Teilzeit. Dennoch schreiben Sie in Ihrer Studie[1]: «Männer, die eine Teilzeitstelle suchen, werden benachteiligt.» Wieso?

Männer, die eine Teilzeitstelle suchen, treffen bei Firmen auf stärkere Ablehnung als Frauen. Vermutlich, weil sie den traditionellen Geschlechterrollen widersprechen.

Interview: «Die Volkswirtschaft»

  1. Kopp, D. (2024). Do Recruiters Penalize Men Who Prefer Low Hours? Evidence from Online Labor Market Data. IZA Working Paper 16845. []

Zitiervorschlag: Nachgefragt bei Daniel Kopp, ETH Zürich (2024). Ist ein hoher Anteil an Teilzeitarbeit Ausdruck von Reichtum? Die Volkswirtschaft, 16. Dezember.

Interviewpartner

Daniel Kopp ist höherer wissenschaftlicher Mitarbeiter an der KOF Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich