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Landwirtschaftssubventionen: Ein Entscheid gegen den Markt

3,6 Milliarden Schweizer Franken Subventionen fliessen allein 2024 in die Landwirtschaft. Die Transfers sind aber nicht nur teuer, sondern haben auch unerwünschte Nebenwirkungen.
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Ein Grossteil der Direktzahlungen erfolgt für bewirtschaftete Flächen und dient der reinen Produktionssteigerung. Zuckerrübenernte in Villars-le-Terroir VD. (Bild: Keystone)

Obwohl landwirtschaftliche Produkte vornehmlich private Güter sind, gehört der Sektor zu den am stärksten subventionierten Branchen in Industrieländern. So auch in der Schweiz. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) schätzt, dass staatliche Transfers gut die Hälfte der Bruttoeinnahmen der hiesigen Landwirtschaftsbetriebe im letzten Jahr ausmachten. Auch im internationalen Vergleich mit der OECD oder der EU ist das überdurchschnittlich (siehe Abbildung 1).[1] Die Landwirtschaft in der Schweiz zu erhalten, entspricht dem politischen Willen und wird von der Bundesverfassung gefordert. Es ist aber ein Entscheid gegen den Markt.

Seit 2014 hat der Bund inflationsbereinigt 40,9 Milliarden Schweizer Franken an die Landwirtschaft gezahlt. Allein für das Jahr 2024 sind 3,6 Milliarden vorgesehen. Das ist zwar eine leichte reale Reduktion über das letzte Jahrzehnt. Jeder Einwohner in der Schweiz finanziert jedoch weiterhin beträchtlich via Steuern mit. Im Durchschnitt zahlt er beispielsweise 300 Franken als Direktzahlung an die Landwirtschaft. Dazu kommen etwa 40 Franken für die Milchwirtschaft, unabhängig davon, wie viel er von diesen Produkten letztlich konsumiert.

Abb. 1: Fast die Hälfte der Bruttoeinnahmen der Schweizer Landwirtschaftsbetriebe stammt aus Subventionen (2023)

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Quelle: OECD (2024b) / Die Volkswirtschaft

Subventionen sinken real

Man muss fairerweise festhalten, dass die aggregierten Landwirtschaftssubventionen bis 2027 real um 5,4 Prozent gekürzt werden sollen. Allein die produktionsunabhängigen Direktzahlungen als grösster Subventionsposten in der Landwirtschaft (siehe Abbildung 2) sollen inflationsbereinigt um 157 Millionen Schweizer Franken reduziert werden – eine seltene Ausnahme bei grossen Subventionsposten.[2] Ein Teil der Direktzahlungen ist zudem daran geknüpft, öffentliche Güter bereitzustellen. Der Schutz der Kulturlandschaft oder eine aktive Biodiversität sind positive Externalitäten, die etwa dadurch entstehen, dass zusammenhängende Flächen nicht bewirtschaftet werden.

Ein Grossteil der Zahlungen erfolgt aber für bewirtschaftete Flächen und dient der reinen Produktionssteigerung. Zwar sind diese Zahlungen durch das verfassungsmässige Ziel der Versorgungssicherheit motiviert. Es kann aber kaum behauptet werden, dass die Subventionierung die Schweizer Nahrungsmittelversorgung umfassend gegen externe Schocks abgesichert hat. Der Netto-Selbstversorgungsgrad der Schweiz lag 2022 bei nur 46 Prozent, wobei der Import von Düngemitteln, Saatgut oder Treibstoff unberücksichtigt bleibt.[3] Die Schweiz wäre wohl nicht in der Lage, eine (semi)autarke Versorgung zu gewährleisten, und bleibt trotz umfangreicher Subventionen auch im Krisenfall auf offene Märkte angewiesen.

Steuergelder von allen für wenige

Wie die Direktzahlungen sind auch die Subventionen für die Milch- und Viehwirtschaft überwiegend industriepolitisch motiviert. Sie führen dazu, dass Preise für tierische Nahrungsmittel im Vergleich zu alternativen, etwa veganen Lebensmitteln künstlich niedrig gehalten werden. Darüber hinaus verursachen die Industrien unter anderem durch Stickstoffemissionen und Treibhausgase negative Externalitäten, die nicht vollumfänglich eingepreist sind. Dabei ist die Umweltbelastung vieler Schweizer Agrarprodukte wohl nicht systematisch geringer als diejenige von Importen.[4]

Weitere Subventionen fliessen in die Förderung von Qualität landwirtschaftlicher Produkte und deren Absatz, etwa durch Marketingkommunikation, oder in ein landwirtschaftliches Beratungswesen, das unter anderem Informationsveranstaltungen, Projektbegleitungen oder auch Einzelberatungen zu betriebswirtschaftlichen Themen vorsieht. Solche Massnahmen kommen jedoch nur wenigen direkt zugute, werden aber durch alle Steuerzahler finanziert. Oder anders: privater Nutzen, finanziert durch die Öffentlichkeit. Eine solche Verwendung von Steuermitteln ist kritisch zu betrachten. Die Ungleichbehandlung zwischen Industrien kann zu Wettbewerbsverzerrungen, einer ineffizienten Verteilung von Ressourcen und der künstlichen Unterdrückung von Strukturanpassungen führen.

Abb. 2: Die Direktzahlungen sind mit Abstand der grösste Subventionsposten (2024)

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Anmerkung: Abgebildet sind die 10 grössten von 17 Subventionsposten.
Quelle: EFV (2024b) / Die Volkswirtschaft

Versteckte Subventionen?

Die Landwirtschaft ist überdies Empfängerin einnahmeseitiger Subventionen, deren Höhe aufgrund fehlender Daten leider unbekannt ist.[5] So gibt es Erleichterungen bei der Schwerverkehrsabgabe für land- und forstwirtschaftliche Fahrzeuge sowie beim Transport von offener Milch und landwirtschaftlichen Nutztieren. Bedeutender sind aber die ermässigten Mehrwertsteuersätze direkt auf Leistungen im Bereich der Landwirtschaft zur Bodenbearbeitung, wie Säen oder Pflügen, sowie indirekt auf Nahrungsmittel.

Diese Leistungen können zwar als Teil des Grundbedarfs angesehen werden, aber nicht alle Teile der Bevölkerung nutzen sie in gleichem Masse. Dadurch entstehen Verzerrungen, die ineffizient und nicht zwingend sozial sind. Auch Haushalte mit höheren Einkommen werden tendenziell entlastet, da sie teurere Lebensmittelvarianten kaufen oder häufiger auswärts essen. Deswegen haben die reduzierten Sätze eine regressive Komponente, was oftmals der verteilungs- oder sozialpolitischen Motivation der Massnahme widerspricht.[6] Würden die reduzierten Sätze für die Landwirtschaft aufgehoben, könnten die Preise steigen, gleichzeitig erhöhten sich aber auch die Steuereinnahmen. Durch eine aufkommensneutrale Ausgestaltung mittels einer Erhöhung von Sozialtransfers und einer Senkung des allgemeinen Mehrwertsteuersatzes könnte die Gesamtwohlfahrt wohl höher ausfallen.[7]

Negative Externalitäten

Ein reduzierter Mehrwertsteuersatz gilt auch für Dünger, Tierfutter und Pflanzenschutzmittel. Der verstärkte Einsatz solcher Mittel kann Umweltschäden nach sich ziehen, die derzeit nicht ausreichend eingepreist werden. Kraftstoffe wie Benzin oder Diesel unterliegen Verbrauchssteuern, welche die schädlichen Auswirkungen auf die Umwelt einpreisen und somit negative Externalitäten reduzieren. Durch den ermässigten Steuersatz im Landwirtschaftssektor kommt es hingegen zu einer Übernutzung der Mittel zulasten der Umwelt.

Ermässigte Sätze in der Landwirtschaft führen zudem zu mehr Bürokratie. Sie erfordern eine zusätzliche Prüfungsaufsicht, erhöhen Rückerstattungen, verursachen verschiedene Definitionsprobleme und laden zur Fehlklassifikation ein. Deshalb ist es nicht überraschend, dass 70 Prozent der Länder, die in den 1980er- und 1990er-Jahren die Mehrwertsteuer einführten, sich für einen einheitlichen Satz entschieden.[8]

Zusammengefasst ist die Landwirtschaft Empfängerin milliardenschwerer und intransparenter Subventionszahlungen, die relativ gesehen über dem internationalen Durchschnitt liegen. Die Vielzahl von Transfers oder Steuervergünstigungen hat Verzerrungen zur Folge, die den Strukturwandel künstlich aufhalten und negative Effekte für Klima und Umwelt mit sich bringen, während eine autarke Selbstversorgung im Krisenfall zweifelhaft ist. Gleichzeitig unterlag der Sektor bereits Sparbemühungen: So wurden die ausgabenseitigen Subventionen im letzten Jahrzehnt bereits real reduziert, und sie sollen bis 2027 um weitere 5 Prozent gekürzt werden. Eine stärkere Fokussierung der staatlichen Unterstützung auf Externalitäten statt auf Industriepolitik wäre – trotz des möglichen Widerstands durch die gut organisierte Interessenvertretung – wünschenswert.

  1. Siehe OECD (2024a). []
  2. Siehe Mosler et al. (2024). []
  3. Siehe Bundesamt für Landwirtschaft (2024). []
  4. Siehe Nemecek und Alig (2016). []
  5. Siehe Moes (2011). []
  6. Siehe Bettendorf und Cnossen (2015). []
  7. Siehe Crawford et al. (2010). []
  8. Siehe Ebrill et al. (2011). []

Literaturverzeichnis
  • Bettendorf, L. und S. Cnossen (2015). The Long Shadow of the European VAT, Exemplified by the Dutch Experience. FinanzArchiv/Public Finance Analysis, 118–139.
  • Bundesamt für Landwirtschaft – BWL (2024). Agrarbericht 2024. Selbstversorgungsgrad.
  • Crawford, I., Keen, M. und S. Smith (2010). Value Added Tax and Excises. Dimensions of Tax Design: the Mirrlees Review, 1:275–362.
  • Ebrill, L. P., Keen, M. und V. J. Perry (2001). The Modern VAT. International Monetary Fund.
  • Eidgenössische Finanzverwaltung (2024a). Datenbank der Bundessubventionen.
  • Eidgenössische Finanzverwaltung (2024b). Voranschlag 2024 mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan 2025–2027. Bundesbeschlusse.
  • Mosler, M., Schaltegger, C. und S. Schmitter (2024). IWP-Subventionsreport 2024: Deskriptive Entwicklung und ökonomische Diskussion der Bundessubventionen. IWP Policy Papers, Nr. 20, September 2024.
  • Moes, A. (2011). Welche Steuervergünstigungen gibt es beim Bund? Eine Studie der Eidgenössischen Steuerverwaltung.
  • Nemecek, T. und M. Alig (2016). Life Cycle Assessment of Dairy Production Systems in Switzerland: Strengths, Weaknesses and Mitigation Options. Integrated Nutrient and Water Management for Sustainable Farming.
  • OECD (2014). The Distributional Effects of Consumption Taxes in OECD Countries. OECD Tax Policy Studies. No. 22.
  • OECD (2024a). Agricultural Policy Monitoring and Evaluation 2024: Innovation for Sustainable Productivity Growth, OECD Publishing, Paris.
  • OECD (2024b). Agricultural Policy Monitoring and Evaluation 2024: Innovation for Sustainable Productivity Growth. Datensatz: Agricultural Policy Monitoring and Evaluation: All Data. OECD Publishing, Paris. Abgerufen von OECD Data Explorer.

Bibliographie
  • Bettendorf, L. und S. Cnossen (2015). The Long Shadow of the European VAT, Exemplified by the Dutch Experience. FinanzArchiv/Public Finance Analysis, 118–139.
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  • Moes, A. (2011). Welche Steuervergünstigungen gibt es beim Bund? Eine Studie der Eidgenössischen Steuerverwaltung.
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  • OECD (2014). The Distributional Effects of Consumption Taxes in OECD Countries. OECD Tax Policy Studies. No. 22.
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  • OECD (2024b). Agricultural Policy Monitoring and Evaluation 2024: Innovation for Sustainable Productivity Growth. Datensatz: Agricultural Policy Monitoring and Evaluation: All Data. OECD Publishing, Paris. Abgerufen von OECD Data Explorer.

Zitiervorschlag: Mosler, Martin; Schmitter, Simon (2024). Landwirtschaftssubventionen: Ein Entscheid gegen den Markt. Die Volkswirtschaft, 09. Dezember.