
Gerade im Winter ist die Schweiz auf Stromimporte aus den Nachbarländern angewiesen. (Bild: Keystone)
Die Schweizer Energieversorgung wird durch viele verschiedene Akteure sichergestellt. Diese reichen von kommunalen Versorgungsbetrieben bis hin zu den grossen Namen im weltweiten Energiehandel. Zuständig für die Versorgungssicherheit sind hauptsächlich die in der Energiebranche tätigen Unternehmen, die gemäss den Wettbewerbsregeln handeln, eine internationale Diversifizierung sicherstellen und die Grundsätze der Nachhaltigkeit berücksichtigen.
Der Bund verantwortet gemäss dem im Energiegesetz verankerten Subsidiaritätsprinzip die nationale Energiepolitik und koordiniert die internationale Energiepolitik. Zu diesem Zweck schliesst er internationale Abkommen und setzt sich dafür ein, dass Massnahmen von Drittstaaten nicht den Energiebinnenmarkt verzerren und dadurch einheimische Betriebe gefährden. Ausserdem beteiligt sich die Schweiz an internationalen Klimaschutzbemühungen, die eine wichtige Rolle für die Entwicklung der heimischen Energiepolitik spielen.
Heutige Energieabhängigkeit historisch niedrig
Die Schweiz ist eng in die internationalen Energiemärkte eingebunden: Über 70 Prozent der im Inland verbrauchten Energie stammen aus dem Ausland in Form von fossilen Brenn- oder Treibstoffen (z. B. Rohöl, Benzin oder Kerosin) und Kernbrennstoffen wie Uran. Damit ist die internationale Abhängigkeit der Schweiz im Jahr 2023 historisch tief. Bis in die Nullerjahre hinein lag diese nämlich bei über 80 Prozent (siehe Abbildung 1). Die wichtigsten einheimischen Energiequellen der Schweiz sind erneuerbar: 30 Prozent der benötigten Energie produziert die Schweiz mit Wasserkraft, Holz, Sonnenenergie, Windenergie, Biogas, biogenen Treibstoffen und mittels Wärmepumpen aus Umgebungswärme.
Abb. 1: Historisch tiefe Energieabhängigkeit der Schweiz im Jahr 2023
INTERAKTIVE GRAFIK
Beim Strom ist die Schweiz durch über 40 grenzüberschreitende Stromleitungen eng mit dem Netz der Nachbarländer verflochten. Für eine sichere Stromversorgung und ein stabiles nationales Stromnetz ist die Schweiz vor allem in den Wintermonaten auf Stromimporte und im Sommer auf Stromexporte angewiesen (siehe Abbildung 2). Doch für die Zusammenarbeit in diesem Bereich besteht bislang kein stabiler Rechtsrahmen. Ein Stromabkommen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union (EU) wird entscheidend zu einer solchen Stabilisierung beitragen. Über ein solches Abkommen wurde zunächst zwischen 2007 und 2014 verhandelt, dann wurden die Verhandlungen sistiert und zuletzt im Rahmen der Paketverhandlungen zwischen der Schweiz und der EU abgeschlossen. Das Abkommen soll künftig den Zugang der Schweiz zum europäischen Strommarkt regeln, es senkt die Risiken durch ungeplante Stromflüsse und stärkt die Versorgungssicherheit. Die weitere Entwicklung des europäischen Rechtsrahmens und der Regulierung der Energieimporte und -exporte ist daher für die Versorgungssicherheit der Schweiz zentral.
Abb. 2: Saisonal schwankende Schweizer Stromimporte (Dezember 2023 bis März 2025)
Schweizer Gasversorgung sicherstellen
Der Grund für die gegenseitigen Abhängigkeiten zwischen der Schweiz und ihren Nachbarländern im Energiebereich liegt insbesondere darin, dass in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg viele grenzüberschreitende Infrastrukturen wie Stromleitungen, Öl- und Gaspipelines oder Wasserkraftwerke gebaut wurden. Damit diese reibungslos funktionieren und erneuert werden können, müssen die bilateralen Beziehungen im Energie- und Klimabereich vertieft werden.
Angesichts der angespannten Lage bei der Strom- und Gasversorgung sowie einer höheren Volatilität an den Energiemärkten seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine steht das Anliegen einer sicheren und bezahlbaren Energieversorgung mehr denn je ganz oben auf der Agenda der Schweiz bei bilateralen Treffen mit ausländischen Partnern. Um sich auf eine Krisensituation vorzubereiten, haben die Schweiz, Deutschland und Italien im Frühling 2024 ein Solidaritätsabkommen unterzeichnet. Dieses verpflichtet die Unterzeichnerstaaten, sich bei einer schweren Mangellage mit Gaslieferungen auszuhelfen, um die Versorgung der sogenannten geschützten Kunden zu gewährleisten. Dazu zählen insbesondere die Privathaushalte sowie wichtige öffentliche Einrichtungen wie Spitäler oder Schulen.
2009 schloss die Schweiz auch ein bilaterales Abkommen mit Frankreich. Dieses garantiert eine solidarische Gasversorgung zwischen den beiden Ländern bei Engpässen sowie den Zugang von Schweizer Unternehmen zu den Gasreserven in den unterirdischen Gasspeichern in Frankreich. Die Schweizer Gasimporte aus Deutschland, Frankreich, Italien und Österreich sowie die Exporte in die Nachbarländer werden über zwölf Ein- und Ausspeisepunkte in der Schweiz geleitet. In den letzten Jahren befand sich der wichtigste Einspeisepunkt im aargauischen Wallbach, das an der deutschen Grenze liegt. Wallbach liegt an der Transitgas-Erdgasleitung, einer Hauptachse des europäischen Erdgastransportnetzes. Über die Transitgas-Leitung werden rund 80 Prozent der Schweizer Erdgasimporte geführt, von denen ein Grossteil für die Nachbarländer bestimmt ist.
Die Schweiz beobachtet die aktuellen Entwicklungen auf den weltweiten Gasmärkten aufmerksam. Ein aktueller Trend ist die steigende Bedeutung von Flüssiggas, das mit speziellen Tankern transportiert wird. Die Schweiz bereitet sich auch auf ein künftiges Energiesystem mit erneuerbarem «grünem» Wasserstoff als Eckpfeiler vor. Dazu sondiert sie mit der Europäischen Union die Möglichkeit einer vertieften Zusammenarbeit bei der Entwicklung des Markts für grünen Wasserstoff. Seit 2024 beteiligt sich die Schweiz auch am Projekt «SoutH2Corridor», einer trilateralen italienisch-deutsch-österreichischen Initiative zum Aufbau eines Wasserstoff-Pipeline-Netzes, mit dem grüner Wasserstoff aus Algerien und Tunesien nach Europa transportiert werden soll.
Engagement der Schweiz im internationalen Energiebereich
Um ihre Versorgungssicherheit international zu gewährleisten und um das Netto-null-Ziel bei den CO2-Emissionen bis 2050 zu erreichen, arbeitet die Schweiz eng mit den internationalen Organisationen im Energiebereich zusammen, in denen sie Mitglied ist. Ein Beispiel ist die Internationale Energieagentur (IEA). Sie spielt eine Schlüsselrolle für die Energieversorgungssicherheit ihrer Mitgliedsländer, indem sie gemeinsame Regeln definiert für die Verwaltung strategischer Erdölvorräte. Die Schweiz wirkt in der IEA auch an der Entwicklung internationaler Forschungsprojekte mit (z. B. Energy Storage) und unterstützt die Energietransition, insbesondere indem sie die Auswirkungen der Elektrifizierung auf die Energiesysteme modelliert. Im Bereich der zivilen Kernenergie trägt die Schweiz im Rahmen der Internationalen Atomenergie-Agentur (IAEA) der UNO aktiv zur weltweiten nuklearen Sicherheit bei: Sie überwacht die Einhaltung der Zusicherungen, welche die Mitgliedsstaaten gegenüber der IAEA abgeben, und beteiligt sich am Programm für technische Zusammenarbeit, das den Transfer von Nukleartechnologien zwischen den IAEA-Mitgliedern bezweckt.
Um die globale Energieabhängigkeit zu verringern, fördert die Schweiz den Einsatz einheimischer erneuerbarer Energien und die Energieeffizienz. Dazu engagiert sie sich in der Internationalen Organisation für erneuerbare Energien (Irena) in Abu Dhabi und im Ausschuss für nachhaltige Energie der UNO-Wirtschaftskommission für Europa (Unece). Aktiv ist sie dabei primär bei der digitalen Innovation und der Anwendung von künstlicher Intelligenz bei der Entwicklung einer effizienten, klimaneutralen Energiepolitik sowie bei der technischen Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern.
Die Sicherheit der Energieversorgung hängt von robusten internationalen Märkten und von langfristigen Investitionen in neue Energiequellen ab. Deshalb braucht es internationale Regeln, die den Handel und den Transit von Energie sowie den Schutz von Energieinvestitionen gewährleisten. In diesem Bereich investieren Schweizer Unternehmen und Fonds fast ausschliesslich in den Mitgliedsländern der EU und der Europäischen Freihandelsassoziation (Efta) und mehrheitlich in Kraftwerke, die Strom aus erneuerbaren Energien erzeugen. Auch internationale Konzerne mit Sitz in der Schweiz investieren in die Energieinfrastruktur im Ausland und in der Schweiz. Für möglichst optimale Rahmenbedingungen zur Sicherung dieser Investitionen ist die Schweiz Vertragsstaat des Vertrags über die Energiecharta (ECT). Der ECT bietet ein Rechtsinstrument zum Schutz privater Investoren gegenüber Staaten. Der Vertrag enthält ein Zusatzprotokoll zur Förderung der Energieeffizienz und wurde im Dezember 2024 modernisiert, damit auch Investitionen in erneuerbare Energien abgedeckt sind und die Verpflichtungen aus dem Pariser Abkommen erfüllt werden.
Derzeit verfügt die Schweiz somit im Energiebereich über ideale Rahmenbedingungen und Infrastrukturen, die ihr eine möglichst nachhaltige Energieversorgung zu wettbewerbsfähigen Preisen ermöglichen. Zudem spielt sie eine führende Rolle bei Innovationen zugunsten einer effizienten und verantwortungsvollen Nutzung von Energieressourcen und ist gleichzeitig Garantin für eine internationale Rechtsordnung, die private Investitionen und einen konstanten Energiefluss fördert.
Zitiervorschlag: Cassaigneau, Guillaume (2025). Strom, Erdöl, Uran: Die Energieimporte der Schweiz. Die Volkswirtschaft, 31. Januar.