Exportschlager Textilmaschine: Das war einmal. Wird sie es wieder?

Textilmaschinen werden immer häufiger dort produziert, wo sie eingesetzt werden: In Asien. (Bild: Keystone)
Die europäische Textilmaschinenindustrie kämpft mit sinkenden Exportzahlen. Besonders die Schweiz ist betroffen. So sind die jährlichen Exporte von Schweizer Textilmaschinen seit 1990 nominal von über 2,9 Milliarden Schweizer Franken auf etwa 500 Millionen im Jahr 2023 gesunken (siehe Abbildung).
Seit den 1960er-Jahren verlagert sich die Textilproduktion aufgrund der tieferen Lohnkosten kontinuierlich nach Asien und damit auch die Textilmaschinenherstellung. Im Premium-Markt, der sich auf Textilien mit einer sehr hohen Qualität konzentriert, dominieren Schweizer Textilmaschinenhersteller auch heute noch in einigen Sektoren: zum Beispiel Rieter bei Spinn- und Webmaschinen, Steiger bei Strickmaschinen, Autefa[1] in der Vlies-Technik, Uster und Gebrüder Loepfe in der Qualitätskontrolle von Stoffen und Garnen. Der Premium-Markt sichert weiterhin gute Gewinnmargen. Der generelle Marktanteilsverlust führt aber zum Verlust der kritischen Grösse, um ausreichend Umsatz und Gewinne für die Weiterentwicklung zu generieren. Eine Marktexpansion in den Midrange-Markt könnte die Lösung für Schweizer Textilmaschinenhersteller sein.
Schweizer Textilmaschinenexporte sind stark gesunken (1990–2023)
INTERAKTIVE GRAFIK
Kampf um den Midrange-Markt
Der Midrange-Markt bezieht sich auf das Kundensegment zwischen Low End (Budget) und High End (Premium). Dieses Kundensegment bevorzugt Produkte und Dienstleistungen, die eine ausgewogene Balance zwischen Qualität und Preis bieten. Charakteristisch für dieses Kundensegment ist dessen Bereitschaft, moderate Kompromisse in der Qualität, der Leistung und der Langlebigkeit einzugehen, um von einem attraktiveren Preisniveau zu profitieren.[2] Das hohe Wirtschaftswachstum der letzten Jahrzehnte in Schwellenländern wie China und Indien hat dort zu einer wachsenden Mittelschicht geführt, die den Midrange-Markt in allen Bereichen vorantreibt. Konsumenten in entwickelten Ländern folgen auch zunehmend dem Trend des sogenannten Smart Shopping und suchen nach der besten Kombination aus Qualität und Preis. Dies treibt auch dort die steigende Nachfrage nach Midrange-Produkten. Sowohl Unternehmen aus Schwellenländern als auch solche aus Industrieländern versuchen, diesen vielversprechenden Markt zu erschliessen.
Unternehmen aus Schwellenländern dominieren nach wie vor das untere Marktsegment der Textilmaschinen. Dort herrscht ein starker Preiswettbewerb. Um in den Midrange-Markt aufzusteigen, standen sie bisher vor zwei grossen Herausforderungen: Zum einen war da die Technologielücke – viele Unternehmen wussten nicht, wie man hochqualitative Maschinen entwickelt und produziert. Zum anderen die Marktkenntnislücke, die es ihnen erschwerte, sich flexibel an die Kundenwünsche auf globalen Märkten anzupassen.[3]
In den letzten 25 Jahren ist es vielen Unternehmen gelungen, diese Hürden erfolgreich zu meistern.[4] Hierbei waren einige Strategien sehr erfolgreich: Unternehmen aus Schwellenländern kooperierten mit westlichen Firmen, um Technologie und Marktwissen zu erwerben. Sie imitierten und reenginierten westliche Produkte und gestalteten sie mit einem besseren Preis-Leistungs-Verhältnis um. Auch strategische Übernahmen westlicher Firmen, um Zugang zu Technologie, Marken und Marktkenntnissen zu erlangen, waren gewinnbringend.[5]
Herausforderungen für Schweizer Unternehmen
Im Gegensatz zur umfangreichen Forschung über Midrange-Markt-Strategien von Unternehmen aus Schwellenländern gibt es nur wenige Studien über westliche Unternehmen. Zwar senken westliche Unternehmen ihre Kosten und können so den Midrange-Markt erobern.[6] Darüber hinaus ist aber bislang wenig über ihre Strategien bekannt. Das liegt unter anderem daran, dass im Westen deren Bedeutung kaum wahrgenommen wird und Midrange-Markt-Strategien noch nicht priorisiert werden.
In den letzten fünf Jahren haben wir Führungskräfte und Ingenieure von schweizerischen und chinesischen Textilmaschinenherstellern interviewt und dabei drei wesentliche Gründe identifiziert, warum Schweizer Firmen im Midrange-Markt weniger erfolgreich sind als ihre asiatische Konkurrenz.
Schweizer Textilmaschinen leiden häufig unter Over-Engineering, da sie mit fortschrittlichster Technologie für die High-End-Produktion ausgestattet sind, die von vielen asiatischen Textilproduzenten, die auf Kosteneffizienz und einfache Bedienung setzen, nicht nachgefragt wird.
Gleichzeitig entsteht ein Qualitätsüberschuss, da die Maschinen aus hochwertigen Materialien gefertigt werden und für eine Lebensdauer von bis zu 30 Jahren ausgelegt sind. Asiatische Hersteller empfinden diese Langlebigkeit jedoch oft als überdimensioniert und vermeiden es, für eine Qualität zu zahlen, die sie nicht vollständig nutzen können.
Ein weiteres Problem ist die geografische und kulturelle Distanz der Schweizer Textilmaschinenhersteller zum asiatischen Zielmarkt. Das erschwert den direkten Zugang zu wertvollem Kundenfeedback. Solches Feedback ist jedoch von unschätzbarem Wert, da es als Katalysator für neue Ideen fungiert und entscheidende Innovationsimpulse liefert. Weil mehr als die Hälfte der globalen Textilproduktion in asiatischen Fabriken hergestellt wird, ist dies besonders schwerwiegend.
Erste Massnahmen und Ideen
Einige wenige Schweizer Unternehmen haben bereits neue Ideen für die Midrange-Markt-Strategie. Autefa und Steiger analysieren zum Beispiel Maschinen aus China, um herauszufinden, welche Merkmale von aufstrebenden Marktkonkurrenten nachgeahmt und umgestaltet werden können. Dies hilft insbesondere, zu verstehen, wie ein günstigeres Preis-Leistungs-Verhältnis erzielt werden kann.
Die Anpassung des Geschäftsmodells ist ein anderes Beispiel: Autefa bietet ihren asiatischen Kunden die Wahl, eine Maschine mit 30 Prozent Rabatt zu kaufen und sie nach zehn Jahren zurückzugeben oder die Maschine zum Vollpreis zu kaufen mit der Option, sie nach zehn Jahren zu 20 Prozent des Kaufpreises zu retournieren. Damit kommt man der asiatischen Kundschaft entgegen, die mehrheitlich ihre Maschinen nach zehn Jahren ersetzen will und deshalb nicht bereit ist, für Langlebigkeit einen Mehrpreis zu bezahlen.
Im August 2024 führte das Schweizer Textilmaschinenbau-Komitee von Swissmem, dem Verband der Schweizer Tech-Industrie, einen Workshop zum Thema Midrange-Markt-Strategie durch. Dabei wurden verschiedene strategische Ansätze diskutiert, darunter das Konzept des Smart Outsourcing. Dieses sieht vor, durch einen kontrollierten Know-how-Transfer Kosten zu senken. Schweizer Unternehmen arbeiten dabei mit Produktionspartnern aus Schwellenländern zusammen, insbesondere für die Fertigung von Standardelementen. Schlüsseltechnologien sowie die Produktion von Kern- und Spezialelementen verbleiben hingegen im eigenen Unternehmen.
Die Übernahme von Mitbewerbern aus Asien ermöglicht zudem den Zugang zu Kundenbeziehungen, segmentspezifischen Technologien und spezialisierten Fachkräften. Ebenso können Ingenieure aus Schwellenländern abgeworben und Teams gebildet werden, die sich ausschliesslich dem Midrange-Markt widmen.
Günstiges Umfeld
Es bestehen günstige Voraussetzungen für die Wiederbelebung der Schweizer Textilmaschinenindustrie. Zum einen wächst der Markt signifikant: global von 2023 bis 2031 um 5,3 Prozent jährlich.[7] Zum anderen haben die Covid-Pandemie, der Ukraine- und der Nahostkonflikt sowie der Handelskrieg zwischen China und den USA zu einer Umgestaltung der globalen Wertschöpfungsketten geführt. Wie andere Regionen erkannte auch die Schweiz die Wichtigkeit der Textilmaschinenindustrie, deren Sicherheit und Unabhängigkeit gewährleistet werden muss. Dies hat zur Rückverlagerung der industriellen Lieferketten ins Heimatland (Reshoring), in Nachbarländer (Nearshoring) oder in Länder, die mit der Schweiz dieselben Werte teilen (Friendshoring), geführt.
Ebenso findet bei der Herstellung von Textilmaschinen ein technologischer Wandel statt. Automatisierung, umweltfreundliche Transformation, Digitalisierung und das Internet der Dinge werden immer wichtiger. Diese Trends verringern den Vorteil billiger Arbeitskräfte in den Schwellenländern, weil dadurch insgesamt weniger Arbeitskräfte benötigt werden. So entstehen Chancen für die Schweizer Textilmaschinenindustrie.
- Tätig in der Schweiz, Deutschland und Österreich. []
- Siehe Hoskisson et al. (2013). []
- Siehe Schmitz (2007). []
- Siehe Williamson et al. (2021). []
- Siehe Jiang et al. (2022), Wu und Morschett (2020), Wu et al. (2023) und Meyer (2015). []
- Siehe Brandt und Thun (2010). []
- Siehe Transparency Market Research (2022). []
Literaturverzeichnis
- Brandt, L., und E. Thun (2010). The Fight for the Middle: Upgrading, Competition, and Industrial Development in China. World Development, 38(11), 1555–1574.
- Hoskisson$, R. E. et al. (2013). Emerging Multinationals from Mid‐range Economies: The Influence of Institutions and Factor Markets. Journal of Management studies, 50(7), 1295–1321.
- Jiang, H. et al. (2022). Resource Dependence Theory in International Business: Progress and Prospects. Global Strategy Journal.
- Meyer, K. E. (2015). What Is «Strategic Asset Seeking FDI»? The Multinational Business Review, 23(1), 57–66.
- Schmitz, H. (2007). Reducing Complexity in the Industrial Policy Debate. Development Policy Review, 25(4), 417–428.
- Transparency Market Research (2022). Textile Machinery Market.
- Williamson, P. J., Guo, B. und E. Yin (2021). When Can Chinese Competitors Catch Up? Market and Capability Ladders and Their Implications for Multinationals. Business Horizons, 64(2), 223–237.
- Wu, J., und D. Morschett (2020). M&A by Chinese POEs in Developed Countries-Acquiring and Bundling Strategic Assets. European Journal of International Business, 21, 460–487.
- Wu, J., Wang, D. und D. Morschett (2023). Light Touch Goes Where? A Longitudinal Study of the Post-Acquisition Integration Paths Adopted by Chinese Multinational Enterprises. Journal of International Management, 29(5), 101063.
Bibliographie
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Zitiervorschlag: Wu, Juan; Schnauss, Martin; Kaiser, Esther; Barthelmess, Petra (2025). Exportschlager Textilmaschine: Das war einmal. Wird sie es wieder? Die Volkswirtschaft, 18. Februar.