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Produktivität wächst in grossen Unternehmen schneller als in kleinen

Jedes Jahr werden Schweizer Unternehmen produktiver. Vor allem grosse Unternehmen im verarbeitenden Gewerbe ziehen das durchschnittliche Produktivitätswachstum nach oben.
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Die Chemie- und Pharmabranche trägt entscheidend zum Produktivitätswachstum in der Schweiz bei. Der zweite Turm auf dem Roche-Areal wurde 2022 eröffnet. (Bild: Keystone)

Die Schweiz ist im internationalen Vergleich sehr produktiv und wird immer produktiver. Das heisst, sie erzeugt mehr Wertschöpfung pro geleistete Arbeitsstunde. Seit der Finanzkrise 2008 ist die Arbeitsproduktivität in der Schweiz mit rund 1 Prozent pro Jahr und damit etwa im Durchschnitt der Länder der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) gewachsen. Im Jahrzehnt zuvor waren es noch rund 1,3 Prozent. Diese Verlangsamung des Produktivitätswachstums ist auch in vielen anderen OECD-Ländern zu beobachten.

Analysen der OECD offenbaren einen auffälligen Trend.[1] Einige wenige Unternehmen steigern ihre Produktivität nach wie vor stark, bei den anderen ist das durchschnittliche Produktivitätswachstum sehr tief. Ist dieses hohe Produktivitätswachstum auf Produkt- und Prozessinnovationen zurückzuführen, ist dies zu begrüssen. Sind die produktivsten Unternehmen jedoch stets dieselben, könnte dies ein Hinweis auf eine mangelnde Wettbewerbsdynamik und abnehmende Diffusion des technologischen Fortschritts zwischen den Unternehmen sein: Innovationen bleiben bei manchen Unternehmen und werden nicht von den anderen übernommen.

In der Schweiz fehlten bisher Daten zur Produktivitätsentwicklung nach verschiedenen Charakteristika wie der Unternehmensgrösse. Ein Datenset des Competitive Research Network (Compnet) bietet nun aber die Möglichkeit, verschiedene Informationen auf Unternehmensebene mit der Entwicklung der Produktivität zu verknüpfen (siehe Kasten).[2] Das ermöglicht auch für die Schweiz Einblicke in die Produktivitätsdynamik auf Unternehmensebene.

Abb. 1: Grosse Unternehmen haben ein höheres Produktivitätswachstum als kleine

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Anmerkung: Die Arbeitsproduktivität wird gemessen als Bruttowertschöpfung pro Beschäftigten in Euro.
Quelle: Compnet / Die Volkswirtschaft

Grosse Unternehmen sind im Durchschnitt erfolgreicher

Die Daten zeigen: Auch in der Schweiz gibt es deutliche Unterschiede zwischen grossen und kleinen Unternehmen. Besonders bemerkenswert ist das Wachstum der Arbeitsproduktivität bei grossen Unternehmen mit über 250 Beschäftigten. Zwischen 2009 und 2019 stieg ihre Produktivität um rund 32 Prozent. Im Gegensatz dazu war sie bei Mikrounternehmen mit weniger als 10 Beschäftigten sogar leicht negativ.

In anderen Ländern weisen grosse Unternehmen ebenfalls ein höheres Produktivitätswachstum auf (siehe Abbildung 1). Dieses Muster ist teilweise gut erklärbar: Nur erfolgreiche Unternehmen werden überhaupt erst zu grösseren Unternehmen. Von den knapp 620’000 Unternehmen in der Schweiz haben nur rund 1800 Unternehmen mehr als 250 Beschäftigte.[3] Zudem profitieren grosse Unternehmen stärker von Skalen- oder Netzwerkeffekten und anderen Grössenvorteilen. So kann ein grosses Unternehmen Fixkosten wie Ausgaben für Produktentwicklungen oder auch Kosten, die entstehen, um Regulierungsanforderungen zu erfüllen, auf eine grössere Verkaufsmenge verteilen.

Das Universum der vielen Klein- und Mikrounternehmen hingegen umfasst neben einigen innovativen und wachstumsstarken Start-ups eben auch viele weniger erfolgreiche Unternehmen, die das durchschnittliche Wachstum der Arbeitsproduktivität nach unten ziehen. Dies zeigt sich beispielsweise auch in den unterschiedlichen Konkursraten kleiner Unternehmen gegenüber den grossen. In der Schweiz schliessen pro Jahr nur 0,02 Prozent der Unternehmen mit mehr als 10 Beschäftigten, bei Unternehmen mit weniger als 10 Beschäftigten sind es 7,43 Prozent.[4]

Wichtig aus wirtschaftspolitischer Perspektive ist insbesondere, dass erfolgreiche Unternehmen unabhängig von ihrer Grösse schnell wachsen können. So können auch kleinere produktive Unternehmen, angestammte Wettbewerber in ihren Märkten herausfordern. In der Schweiz liegt der Anteil wachstumsstarker Unternehmen – also Unternehmen, die über drei Jahre ein durchschnittliches Beschäftigungswachstum von über 10 Prozent erreichen – relativ stabil bei rund 7,3 Prozent. Dieser Wert unterscheidet sich kaum zwischen den Grössenklassen.

Abb. 2: Grosse Unternehmen im verarbeitenden Gewerbe haben ein besonders hohes Produktivitätswachstum

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Anmerkung: Die Arbeitsproduktivität wird gemessen als Bruttowertschöpfung pro Beschäftigten in Euro.
Quelle: CompNet / Die Volkswirtschaft

Chemie- und Pharmaindustrie wuchs besonders stark

Die Unterschiede in den Produktivitätswachstumsraten zwischen Unternehmensgrössen ist in anderen Ländern weniger stark ausgeprägt als in der Schweiz. Eine mögliche Erklärung liefert der Blick auf die einzelnen Sektoren. Im verarbeitenden Gewerbe[5] sind die Unterschiede besonders stark: Hier verzeichnen grosse Unternehmen deutlich höhere Wachstumsraten als kleinere. Vor allem die Chemie- und Pharmaindustrie trägt entscheidend zum starken Wachstum bei. Im Dienstleistungssektor hingegen fallen die Unterschiede moderater aus. Hier spielen Unternehmen im Grosshandel, einschliesslich des Transithandels, eine zentrale Rolle. Allerdings prägen nicht nur grosse, sondern auch einige mittelgrosse Unternehmen die positive Entwicklung.

Die starke Produktivitätsentwicklung konnte insbesondere die Chemie- und Pharmaindustrie in einen stark zunehmenden Anteil ihrer Branche an der gesamtschweizerischen Wertschöpfung umsetzen. Ihr Anteil stieg zwischen 2009 und 2022 von 4,7 auf 6,0 Prozent, während der des verarbeitenden Gewerbes ohne die Chemie- und Pharmaindustrie leicht sank.[6] Auch im Export wuchs ihre Bedeutung: Der Anteil chemisch-pharmazeutischer Produkte an den Schweizer Gesamtexporten stieg im selben Zeitraum von 40 auf fast 50 Prozent.

Mit den Daten von Compnet ist das Produktivitätswachstum nach Unternehmensgrösse nur auf Ebene des verarbeitenden Gewerbes analysierbar, jedoch nicht auf Ebene einzelner Branchen wie der Chemie- und Pharmaindustrie. Die Unterschiede im Produktivitätswachstum nach Unternehmensgrösse (siehe Abbildung 2) legen jedoch nahe, dass diese Entwicklung in der Chemie- und Pharmaindustrie stark durch grössere Unternehmen geprägt wurde.

  1. Siehe Andrews, Criscuolo und Gal (2016). []
  2. Siehe Compnet (2022). []
  3. Siehe Bundesamt für Statistik (2024d). []
  4. Siehe Bundesamt für Statistik (2024c). []
  5. Das verarbeitende Gewerbe in den Daten umfasst die Industrie (Noga-Sektor C) ohne Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden (Noga-Sektor B), ohne die Energie- und Wasserversorgung (Noga-Sektoren D und E) oder die Bauindustrie (Noga-Sektor F). []
  6. Siehe Bundesamt für Statistik (2024d). []

Literaturverzeichnis

Bibliographie

Zitiervorschlag: Lauter, Gregor; Nussbaumer, Timothey (2025). Produktivität wächst in grossen Unternehmen schneller als in kleinen. Die Volkswirtschaft, 11. Februar.

Was ist Compnet?

Das Competitiveness Research Network (Compnet) ist ein Forschungsnetzwerk, das 2012 vom Europäischen System der Zentralbanken ins Leben gerufen wurde. Seit 2017 ist es als unabhängiges Netzwerk am Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle angesiedelt. Compnet bietet detaillierte Mikrodaten zur Unternehmensleistung und Wettbewerbsfähigkeit für 22 europäische Länder an. Ein zentraler Vorteil des Compnet-Datensatzes liegt in der Harmonisierung der zugrunde liegenden Daten, die internationale Vergleiche erleichtert. Die Daten stammen aus nationalen Unternehmensregistern und werden auf Basis einheitlicher Methoden aufbereitet.

Für die Schweiz liefert das Bundesamt für Statistik (BFS) eine Auswahl von Unternehmensdaten, die von Compnet anonymisiert und nach einheitlichen Standards aggregiert werden. Je nach Verfügbarkeit können damit Analysen zu Produktivität, Exportleistung, Beschäftigungsentwicklung und weiteren wirtschaftlichen Indikatoren durchgeführt werden. Dabei werden Unternehmen nach Merkmalen wie Grösse, Alter und Branche differenziert.

Für die Schweiz gibt es jedoch einige Besonderheiten zu beachten. Die aggregierten Compnet-Daten sind nicht direkt mit den vom BFS veröffentlichten Daten zur Arbeitsproduktivitätsentwicklung vergleichbar. Zudem sind die Angaben im Compnet-Datensatz in Euro, wodurch Wechselkurseffekte auftreten können. Auch deckt Compnet nicht alle Branchen der Schweizer Wirtschaft ab. Insbesondere die Finanzbranche fehlt. Trotz dieser Einschränkungen bietet Compnet wertvolle Einblicke in die Entwicklung der Arbeitsproduktivität und die Unterschiede zwischen Unternehmensgrössen und Branchen in der Schweiz.