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Wie wirken sich kantonale Mindestlöhne aus?

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Unternehmen in Basel-Stadt erhöhten häufig die Preise, nachdem der Mindestlohn eingeführt wurde. So auch in der Gastrobranche. (Bild: Keystone)
Die Schweiz kennt keinen Mindestlohn, einzelne Kantone jedoch schon: Neuenburg, Jura, Tessin, Basel-Stadt und Genf. Wie hoch sind die Mindestlöhne?

Aktuell bewegen sich diese zwischen 20 und knapp 24.50 Schweizer Franken pro Stunde.

Empirische Studien zeigen: Hohe Mindestlöhne führen zu weniger Beschäftigung. Andere Studien wiederum finden keine negativen Effekte. Was gilt nun?

Es gibt eine Vielzahl anderer Möglichkeiten, wie Unternehmen auf Mindestlöhne reagieren können, die nicht über die Beschäftigung gehen. Die Auswirkungen hängen auch davon ab, ob Arbeitnehmende durch die höheren Löhne mehr konsumieren und dadurch positive Effekte auf die Wirtschaft generieren.

Wo ist sich die Forschung einig?

Die Wahrscheinlichkeit für negative Effekte auf den Arbeitsmarkt ist bei moderaten Mindestlöhnen wie zum Beispiel im Jura, in Neuenburg und in Basel-Stadt, die bei guter gesamtwirtschaftlicher Lage eingeführt werden, relativ gering. Sie steigt jedoch, je höher die Mindestlöhne sind, je mehr Arbeitskräfte betroffen sind und je schlechter es der Wirtschaft geht.

Wie haben die Unternehmen in Basel-Stadt kurzfristig reagiert, als der Mindestlohn Mitte 2022 eingeführt wurde?

Dazu haben wir sechs Monate nach Einführung eine anonyme Unternehmensbefragung durchgeführt. Auswertbar waren 150 Antworten von Unternehmen in Basel-Stadt. Diese haben am häufigsten drei Massnahmen genannt: Sie haben die Preise erhöht, weniger Personal neu eingestellt und Investitionen entweder reduziert oder zurückgestellt.

Wenn die Preise überall steigen, ist es leichter für Unternehmen, Preiserhöhungen aufgrund von Mindestlöhnen durchzusetzen.

Welche Auswirkungen hatte der Mindestlohn mittelfristig auf die Beschäftigung?

18 Monate nach Einführung des Mindestlohns gaben die Betriebe wiederum Preiserhöhungen als häufigste Massnahme an. Am zweithäufigsten griffen sie jedoch verstärkt auf Entlassungen zurück. Zudem plant ein erheblicher Teil, Arbeitskräfte durch Maschinen zu ersetzen. Leider fiel die Teilnahme bei der erneuten Befragung um zwei Drittel niedriger aus, was die Aussagekraft einschränkt.

Wie erklären Sie sich die Unterschiede zwischen den beiden Befragungen?

Erstens können wir nicht ausschliessen, dass an der zweiten Befragung Unternehmen teilgenommen haben, die anders reagierten. Schliesslich war der Rücklauf viel geringer. Wir untersuchen derzeit im Detail, wie sich die Unternehmen zwischen den Befragungen unterscheiden und welchen möglichen Einfluss das auf die Antworten hatte. Zweitens hat sich die Arbeitsmarktlage in der Schweiz seit der ersten Befragung verschlechtert. Es gibt weniger offene Stellen, und die Arbeitslosigkeit ist gestiegen. Dies erhöht die Wahrscheinlichkeit negativer Beschäftigungseffekte von Mindestlöhnen.

Könnte auch die abgeschwächte Inflation eine Rolle gespielt haben?

Ja, wenn die Preise überall steigen, ist es leichter für Unternehmen, Preiserhöhungen aufgrund von Mindestlöhnen durchzusetzen, da für die Kunden verschiedene Ursachen für die Preissteigerungen kaum nachvollziehbar sind. Dies ist nun schwieriger geworden, sodass andere Massnahmen, welche die Arbeitsnachfrage beeinflussen, wahrscheinlicher werden.

Interview: «Die Volkswirtschaft»

Zitiervorschlag: Nachgefragt bei Conny Wunsch, Universität Basel (2025). Wie wirken sich kantonale Mindestlöhne aus? Die Volkswirtschaft, 18. Februar.

Interviewpartnerin

Conny Wunsch ist Professorin für Arbeitsmarktökonomie an der Universität Basel