
Mammut-CEO Heiko Schäfer am Firmensitz im aargauischen Seon: «In der Textilwelt gibt es keine stabile Beschaffung über mehrere Jahre. Sie müssen Ihr Portfolio jedes Jahr immer wieder neu beurteilen.» (Bild: Keystone / Til Bürgy)
Meine erste Begegnung mit Mammut hatte ich ungefähr mit Mitte zwanzig. Ein Freund nahm mich mit in einen Mammut-Laden. Er kaufte eine Jacke und sagte, das sei das beste Equipment. Das halte ewig.
Softshell-Jacken verkaufen wir wie warme Brötchen in hoher Stückzahl. Bekleidung macht insgesamt mehr als 60 Prozent unseres Umsatzes aus. Der Rest ist Bergausrüstung wie Rucksäcke, Schuhe und Klettergurte.
Jedes unserer Produkte ist für den Bergsport kreiert: Belastbarkeit, Widerstandsfähigkeit und Fokus auf Langlebigkeit. Wenn ein Konsument die Jacke anzieht, um den Hund Gassi zu führen, dann sind wir deswegen nicht beleidigt. Wir sind dankbar für jeden, der unsere Produkte schätzt.
Die Region Deutschland, Österreich und Schweiz ist die Nummer eins. Fast 40 Prozent unseres Umsatzes stammen von dort. Deutschland ist dabei der wichtigste Markt, noch vor der Schweiz. Regional folgen Asien und Nordamerika.
Den Barryvox – unser Lawinenverschütteten-Suchgerät. Die Endmontage findet hier statt. Es ist aber ein elektronisches Gerät. Das heisst, viele der Komponenten können Sie nicht in der Schweiz beziehen. Die kommen aus der ganzen Welt, wie auch die Softwareentwicklung für den Barryvox.
Circa 20 Prozent unseres Beschaffungswerts sind innerhalb Europas: Türkei, Rumänien oder Tschechien. 80 Prozent kommen aus Asien.
Sicherheitsrelevante Produkte wie den Barryvox oder technische Bergschuhe versuchen wir in Europa zu produzieren. Für viele andere Produkte sind jedoch mittlerweile die nötigte Produktionskapazität, die hohe Produktionsqualität und insbesondere alle Vorprodukte in Asien basiert. Vietnam ist ein wichtiges Beschaffungsland mit viel Fertigungs-Know-how. Wir produzieren aber auch in Indonesien und Bangladesch.
In China beschaffen wir nur noch einen verschwindend geringen Teil.
In China beschaffen wir nur noch einen verschwindend geringen Teil. Es gibt verschiedene Gründe: Die Kosten sind um ein Vielfaches höher als beispielsweise in Vietnam. Es wurde aber auch generell viel Produktionskapazität von China nach Vietnam verschoben.
Eine Softshell-Jacke hat im Allgemeinen zwei bis drei Obermaterialien. Dann kommen die Details dazu – also Reisverschluss, Laschen, Kordelzüge. Da sind sie schnell bei einem halben Dutzend und mehr Zulieferfirmen. Das wird je nach Produkt beliebig komplexer.
Nein. Sie wollen nie eine Komponente von nur einer Firma beschaffen. Der Reissverschlussmarkt ist allerdings kein gutes Beispiel, er ist oligopolistisch organisiert. Da gibt es zwei wirklich grosse Anbieter und nur wenige Spezialisten.
Das können Konzerne wie Nike machen. Uns fehlt dafür vielfach die Grösse. Aber unsere Produkte sind untereinander teils artverwandt und werden in verschiedenen Ländern produziert. So können wir bei Lieferengpässen Alternativen anbieten.
Heiko Schäfer: «Jedes unserer Produkte ist für den Bergsport kreiert. Wenn ein Konsument die Jacke anzieht, um den Hund Gassi zu führen, dann sind wir deswegen aber nicht beleidigt.» (Bild: Keystone / Til Bürgy)
In der Covid-19- und der Post-Covid-19-Zeit hatten einige Lieferanten ernsthafte Schwierigkeiten. Zudem gibt es Zulieferer, die besser oder schlechter performen. In der Textilwelt gibt es keine stabile Beschaffung über mehrere Jahre. Sie müssen ihr Portfolio jedes Jahr immer wieder neu beurteilen.
Die Lieferzeiten haben sich verlängert. Früher benötigte ein Container von Asien nach Europa rund 45 Tage. Heute rechnen wir mit bis zu 70 Tagen. Viele Reeder fahren unter anderem wegen der Huthi-Rebellen am Roten Meer nicht mehr die kürzere Passage durch den Suezkanal – sondern nehmen den 14 Tage längeren Weg.
Das ist mir hier in meiner Zeit noch nicht passiert, in meinen Jobs vorher jedoch schon einige Male. Aber das ist ein geringer Anteil. Häufiger kommt es vor, dass ein Lieferant aus ökonomischen Schwierigkeiten die Produktion einstellt.
Wir schauen uns kontinuierlich Nearshoring-Möglichkeiten für jede Absatzmarktregion an. Wo es ökonomisch sinnvoll ist, machen wir das teilweise. Allerdings: Wenn Sie die vorgelagerte Produktionsstufe im Textilbereich nicht in Europa haben, sind Sie automatisch auf eine Produktion in Asien angewiesen.
Isolieren können wir uns nicht. Jedes Unternehmen muss sich überlegen, was es von einer höheren Zolllast an die Konsumenten weitergeben muss. Wir haben uns sehr intensiv angeschaut, ob eine lokale Produktion in den USA sinnvoll wäre, und sind zum Schluss gekommen: Aktuell macht das keinen Sinn. Die Produktionsexpertise ist in Asien. Zum anderen sind Währungsschwankungen für uns ein grosses Thema.
Wir bilanzieren in Franken und machen einen Grossteil unseres Geschäfts ausserhalb der Schweiz. Der japanische Yen hat beispielsweise in den letzten zwei Jahren 20 Prozent seines Werts gegenüber dem Franken verloren. Beim chinesischen Yuan war die Abwertung geringer, aber auch zweistellig. Das merkt man natürlich.
In der Schweiz gibt es eine Tradition, was die Liebe zum Detail angeht.
Noch gut. Wir sind unglaublich stolz darauf, dass wir seit 163 Jahren unseren Sitz hier haben und viel traditionelle Schweizer Ingenieurs- und Handwerkskunst in unseren Produkten ist. In der Schweiz gibt es eine Tradition, was die Liebe zum Detail angeht. Aber auch die Art und Weise, wie ein Produkt entwickelt wird. Wir versuchen mit möglichst ressourcenschonendem Materialeinsatz eine möglichst hohe Funktionalität zu gewährleisten.
Die stärkste Konsumentenregion ist hier in den Alpen. Wir entwickeln dort, wo andere zum Fotoshooting hinkommen. Wir können die Produkte jeden Tag testen. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind alle extrem Outdoor-affin und leben diesen Lifestyle. Zudem passiert ein Grossteil der Entwicklungsleistung heute digital. Und Daten kann man weltweit gut austauschen. Deswegen sind wir weniger darauf angewiesen, dass alles hier direkt vor Ort ist.
Einhundert Prozent. Einhundert Prozent der Kreativleistung, der Ingenieurskunst, der Konzeptentwicklung finden hier statt. Es steckt verdammt viel Schweizer Spirit in unseren Produkten. Für Konsumenten in den USA oder in Asien ist die Schweizer Herkunft ein Gütesiegel. Wir sind stolz darauf, ein Schweizer Unternehmen zu sein.
Zum einen brauchen Sie ein gutes Verständnis davon, was es braucht, um erfolgreich zu sein. Das heisst lokale Teams aufbauen, Market-Research betreiben und ein Konsumentenverständnis entwickeln. Auf der anderen Seite müssen Sie investieren: Es geht nicht for free. All das haben wir in diesen Märkten getan, und wir sind in den letzten zwei Jahren in jedem Jahr und Markt zweistellig gewachsen. In China haben wir das Geschäft von 2023 auf 2024 sogar verdoppelt. Weltweit beschäftigen wir mittlerweile um die 850 Mitarbeitende, 260 von ihnen in der Schweiz.
Nein. Es muss ein anderes M sein, weil die Körperproportionen in Asien anders sind. Zudem ist die Fit-Präferenz in Asien weniger eng anliegend. Wir passen aber auch die Farbpräferenz an. In Korea ist beispielsweise Schwarz sehr beliebt.
Wir sind ein frühes Mitglied der Fair Wear Foundation. Sozialverträglichkeit ist für uns ein hohes Gut und wird entsprechend überwacht. Leute, die in der Wertschöpfungskette für uns arbeiten, sollen nicht nur fair, sondern gut behandelt werden.
Das sind für uns keine neuen Themen. Nachhaltigkeit kam bei uns in den 1970er-Jahren auf den Tisch, als wir das erste Mal Rezyklat in unseren Produkten verarbeitet haben. Mitte der 90er haben wir dann angefangen, das skaliert zu tun und zudem Ware zu reparieren. Wenn Sie zurückrechnen, ist Nachhaltigkeit seit 50 Jahren Kern unseres Selbstverständnisses. Sind wir am Ende des Weges? Natürlich nicht. Nachhaltigkeit ist immer eine Reise, egal ob es um soziale Aspekte oder um das Klima geht. Niemand wird jemals perfekt sein. Aber es ist unser Anspruch, immer besser zu werden.
Es gab zwei Aha-Erlebnisse. Das erste gab es schon, bevor ich angefangen habe. Ich war beflügelt, wie viele Leute auf mich zukamen und sagten: «Wow, we love the brand.» Der zweite Moment war, als ich den ehemaligen Mammut-CEO Rolf Schmid sprach, der lange vor mir hier war. Uns beschäftigen ähnliche Themen wie das Vorantreiben von Innovation oder die Frage: Wie kann man die Marke weiter pflegen?
Zitiervorschlag: Interview mit Heiko Schäfer, CEO Mammut Sports Group (2025). «Es steckt verdammt viel Schweizer Spirit in unseren Produkten». Die Volkswirtschaft, 05. März.
Der 51-jährige Heiko Schäfer ist seit September 2022 CEO der Mammut Sports Group AG. Unmittelbar davor war er COO und Teil des Hugo-Boss-Vorstands. Er hält ein Doktorat in Marketing von der Universität Mannheim und arbeitete unter anderem für Tom Tailor, Adidas und The Boston Consulting Group. Er ist deutscher Staatsbürger und lebt im Kanton Aargau.
Die Mammut Sports Group AG gehört Telemos Capital, einem Finanzinvestor mit Sitz in London. Mammut beschäftigt weltweit rund 850 Mitarbeitende – von ihnen 260 in der Schweiz am Firmenhauptsitz in Seon AG.