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Innovative Datenbank für internationale Investitionsabkommen

Seit den 1950er-Jahren gibt es Verträge, um ausländische Investitionen zu schützen. Mit der Zeit wurden die Verträge weltweit mehr, umfangreicher und komplexer. Eine neue Datenbank soll die Transparenz erhöhen.
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China hat weltweit die meisten Investitionsverträge abgeschlossen. (Bild: Keystone)

Ein internationales Regime zum Schutz ausländischer Investitionen gibt es schon seit einiger Zeit. Der erste Vertrag, der sich explizit diesem Zweck widmete, war der bilaterale Investitionsvertrag zwischen Deutschland und Pakistan aus dem Jahr 1959. Dieser enthielt einige Schutzstandards wie etwa den Schutz vor Enteignung. Auch die Schweiz gehörte zu den frühen Unterzeichnerinnen solcher Abkommen. Den ersten Vertrag, um Direktinvestitionen abzusichern, unterzeichnete sie 1961 mit Tunesien. Ab 1962 arbeitete die Schweizer Regierung bereits mit Modellverträgen, die sie dann aktiv bekannt machte und förderte.

Mit der Zeit entwickelten sich bilaterale Investitionsverträge weiter und gaben ausländischen Investoren zunehmend mehr Rechte. Dazu gehörte auch eine neue Form der Streitbeilegung, die über klassische Ansätze wie zwischenstaatliche diplomatische Mechanismen oder den Einbezug nationaler Gerichte hinausging. Ein neues System setzte sich sukzessive als Vorzeigemodell der Streitschlichtung durch. Es erlaubte Investoren, direkt ein internationales Schiedsverfahren einzuleiten, um das Verhalten des Gaststaats anzuprangern und Entschädigungen zu verlangen. Dieses System der sogenannten Investor-Staat-Streitbeilegung (ISDS) basierte auf dem Washingtoner Übereinkommen von 1965, mit dem das Internationale Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID) gegründet wurde. Der erste Vertrag, der diesen Ansatz verfolgte, war das Abkommen zwischen Italien und dem Tschad im Jahr 1969.

Globalisierung förderte die Nachfrage nach Investitionsabkommen

In den 70er- und 80er-Jahren war das Interesse an neuen Verträgen eher gering, und die Investor-Staat-Streitbeilegung wurde spärlich gebraucht. Nicht zuletzt, weil viele Entwicklungsstaaten die Verträge als einseitig zugunsten der Industriestaaten kritisierten und auch ein Streitbeilegungssystem ablehnten, das Investoren weitreichende Klagerechte einräumte. Die Situation änderte sich nach Ende des Kalten Kriegs. Im Zuge der Globalisierung öffneten sich die Märkte stärker, und Investitionen wurden aktiv gefördert. Damit stieg auch das Interesse an zusätzlichen Investitionsabkommen. Nicht überraschend nahmen Klagen gegen das Verhalten von Regierungen zu, und es entwickelte sich eine unsystematische Rechtsprechungspraxis bei der Interpretation verschiedenster Pflichten und Rechte.

Darüber hinaus brachte der Abschluss des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens Anfang der 90er-Jahre ein paar Neuerungen. Zum einen war es der Startschuss für Freihandelsabkommen mit spezifischen Bestimmungen zum Schutz und zur Förderung von Investitionen: Ähnliche Schutzstandards wie jene der bilateralen Investitionsverträge wurden zunehmend in ein grösseres Vertragswerk integriert und mit neuen Bereichen wie beispielsweise Dienstleistungen verknüpft. Zum anderen begann mit dem Nordamerikanischen Freihandelsabkommen der Trend, dass Industrieländer wie die USA und Kanada vermehrt solche Verträge untereinander abschlossen.

Direkte Ansprüche gegen Staaten

In den 1990er-Jahren nahm die Zahl von Investitionsabkommen stark zu. Die meisten dieser Verträge bieten Privatinvestoren die Möglichkeit, im Rahmen eines internationalen Schiedsverfahrens wegen Vertragsverletzung direkte Ansprüche gegen souveräne Staaten geltend zu machen. Infolgedessen ist das Investitionsregime zu einem der umstrittensten Bereiche des Völkerrechts geworden. Fast 1000 Streitfälle haben nationale Regulierungen in Bereichen wie etwa der Gesundheits- oder der Umweltpolitik infrage gestellt. Nicht zuletzt Entschädigungen in Höhe von mehreren Milliarden Dollar, die Gaststaaten zu tragen hatten, katapultierten das Investitionsregime in die öffentliche Wahrnehmung.

Der Investitionsschutz rückte daher in den letzten 20 Jahren stärker in den Fokus. Einige Entwicklungsländer wie zum Beispiel Bolivien, Ecuador, Indien, Indonesien, Südafrika und Venezuela haben begonnen, Verträge zu kündigen oder Neuverhandlungen zu fordern. Sogar in asiatischen Ländern, wie bei den Verhandlungen zum Mega-Freihandelsabkommen Regional Comprehensive Economic Partnership Agreement, gab es kritische Stimmen. Allerdings sind auch viele aufstrebende Entwicklungsländer, die mittlerweile Netto-Kapitalexporteure geworden sind, pragmatischer oder sogar enthusiastischer in ihrer Haltung. Das heisst, sie fördern aktiv die Unterzeichnung neuer Verträge. Heute sind China (126 Verträge) und die Türkei (124), gefolgt von Deutschland (120), an der Spitze der Top-3-Länder bezüglich der Anzahl von Verträgen. Die Schweiz liegt weiterhin an vierter Stelle mit 113 Verträgen. Vor allem die 1990er-Jahre sahen ein starkes Wachstum und Interesse an diesen Verträgen (siehe Abbildung).

In den 1990er-Jahren gab es zahlreiche neue Investitionsverträge (1959–2024)

INTERAKTIVE GRAFIK
Anmerkung: Die Abbildung zeigt den jährlichen Zuwachs von bilateralen Abkommen und anderen Investitionsabkommen, zum Beispiel Freihandelsabkommen, seit 1959.
Quelle: Electronic Database of Investment Treaties (Edit) / Die Volkswirtschaft

Datenbank für mehr Transparenz

Einige Industrieländer sind ihrerseits gegenüber Investitionsabkommen und Investor-Staat-Streitbeilegung skeptischer geworden. Die EU-Mitgliedsstaaten haben alle bilateralen Investitionsverträge innerhalb der EU gekündigt. Seit dem Vertrag mit Kanada (Ceta) hat die EU zudem die Investor-Staat-Streitbeilegung in Freihandelsabkommen durch ein Investitionsgerichtssystem ersetzt. Andere Länder wie Australien und Neuseeland verzichten weitgehend darauf, die Investor-Staat-Streitbeilegung in ihre Investitionsabkommen aufzunehmen. Die USA haben seit 2008 keinen klassischen bilateralen Investitionsvertrag mehr abgeschlossen und schränkten die Anwendung der Investor-Staat-Streitbeilegung bei den Neuverhandlungen des ursprünglichen Nordamerikanischen Freihandelsabkommens im Jahr 2018 weiter ein.

Grundsätzlich zeichnet sich das heutige Investitionsregime durch eine dynamische Entwicklung der rechtlichen Ausgestaltung und eine zunehmende öffentliche Wahrnehmung aus. Um die Transparenz zu steigern, haben Forschende aus der Schweiz und Kanada im Jahr 2022 eine Datenbank zu Investitionsabkommen entwickelt. Die Elektronische Datenbank für Investitionsabkommen (Edit) bietet einen einfachen Zugang zu Vertragstexten von 2841 bilateralen Investitionsverträgen – davon 2223 in Kraft – und 476 weiteren Freihandelsabkommen mit Investitionsbestimmungen.[1]

Alle Texte in der Datenbank sind auf Englisch verfügbar, und die Inhalte können mithilfe von Volltextsuche nach Themen und Bereichen aufgeschlüsselt und als Textdateien heruntergeladen werden. Obwohl mehrere Datenbanken existieren, befinden sich diese entweder hinter einer Paywall, können nicht mittels Suchfunktionen durchforscht werden, oder der Text ist nur in der Originalsprache verfügbar. Edit schliesst diese Lücken. Die Datenbank ist für Verhandlungsteams und Fachleute hilfreich, um detaillierte rechtliche Verpflichtungen rasch zu finden und von den Erfahrungen in der weltweiten Praxis zu lernen. Sie ermöglicht es auch, verschiedenste Forschungsfragen zu beantworten und langfristige Trends sowie Innovationen im internationalen Recht besser zu lokalisieren und zu verstehen. Angesichts der sich verändernden globalen Kräfteverhältnisse und geopolitischen Konflikte kann die Datenbank zudem helfen, datenbasierte Analysen zu fördern, um die Auswirkungen bestehender Investitionsabkommen besser einzuordnen und die Diffusion von einzelnen Investitionsrechtsnormen besser zu antizipieren.

  1. Siehe auch Alschner, W., Elsig, M. und R. Polanco (2021). Introducing the Electronic Database of Investment Treaties (Edit): The Genesis of a New Database and Its Use. World Trade Review, Vol. 20 (1), pp. 73–94. []

Zitiervorschlag: Elsig, Manfred; Polanco, Rodrigo (2025). Innovative Datenbank für internationale Investitionsabkommen. Die Volkswirtschaft, 11. März.