
In OECD-Ländern prüft der Staat Investitionen in Hochtechnologien besonders streng. Serienproduktion von Halbleiterchips in einer Hightech-Fertigungsanlage. (Bild: Keystone)
Investitionskontrollen erlauben es nationalen Behörden, einzelne (Unternehmens-)Erwerbe auf mögliche Risiken für die nationale Sicherheit zu prüfen und gegebenenfalls zu untersagen oder zu beschränken.
Bis vor etwa zehn Jahren gab es solche Kontrollmöglichkeiten fast nirgends, und wo es sie gab, waren sie nur knapp geregelt und wurden selten angewendet. In den vergangenen Jahren haben sich Gesetzeslage und Verwaltungspraxis innerhalb vieler Mitgliedsländer der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) jedoch stark verändert: Viele Länder haben Investitionskontrollen eingeführt oder bestehende Regelungen verschärft. Ein Hauptgrund dafür sind der wirtschaftliche Aufstieg der Volksrepublik China und ihre staatlich gesteuerten strategischen Unternehmenserwerbe im Ausland. Wirtschaftliche Verwerfungen während der Covid-19-Pandemie, das dadurch geschärfte Bewusstsein für Abhängigkeiten und Lieferketten sowie Russlands Invasion der Ukraine und die seither beobachtete hybride Kriegsführung haben dazu beigetragen, dass immer mehr Länder Investitionskontrollen einführen und Kontrollen verstärken.
Nicht nur OECD-Staaten führen Investitionskontrollen durch. Auch China, Indien und Russland haben entsprechende Regeln, auch wenn die Mechanismen und die Verwaltungspraxis von jenen in den OECD-Staaten abweichen. Die Schweiz nimmt unter den wohlhabenden und technologieintensiven OECD-Staaten eine Sonderstellung ein. Zusammen mit Norwegen gehört sie zu den letzten Staaten ohne Investitionskontrolle. Selbst der Entwurf der Schweizer Regierung für eine solche Kontrolle erfasst wesentlich weniger Fallkonstellationen[1] als in vergleichbaren OECD-Staaten.
Immer ähnlichere Regeln
Historisch gab es Beschränkungen von Auslandsinvestitionen vor allem in Rüstungssektoren und für Landerwerbe in Grenznähe oder Nähe zu militärischen Anlagen. Häufig waren allerdings behördliche Zuständigkeiten, Verwaltungsverfahren und Kriterien unklar und die Regelungen damit insgesamt ineffektiv. Solche rudimentären Instrumente werden nun durch Investitionskontrollen abgelöst oder ergänzt.
Trotz historisch weitgehend unabhängiger Ursprünge und unterschiedlicher Ausgestaltungen der nationalen Regelungen nähern sich die Investitionskontrollregimes der verschiedenen Länder in jüngerer Zeit an. Die Kontrolldichte variiert zwar von Land zu Land, richtet sich aber zunehmend nach ähnlichen Kriterien, etwa Industriesektoren oder staatlich kontrollierten Erwerbern. Besonders streng geprüft werden Investitionen in Hochtechnologien wie zum Beispiel künstliche Intelligenz und Automatisierung und Investitionen in Bereiche mit potenziell militärischer Nutzung. Oft reicht hier bereits eine niedrigere Erwerbsschwelle von 10 Prozent, während für andere Sektoren höhere Schwellenwerte gelten. Wenn ein Investor direkt oder indirekt einem ausländischen Staat gehört, etwa über einen Staatsfonds, unterliegen in manchen OECD-Ländern alle Erwerbe einer systematischen Kontrolle. Immer mehr OECD-Staaten können Erwerbe mittlerweile sektorübergreifend prüfen, auch wenn eine Genehmigungspflicht nur für besonders sensible Wirtschaftsbereiche wie Hochtechnologie oder militärische Anwendungen besteht. Erwerbe müssen meist nur dann gemeldet oder von vornherein genehmigt werden, wenn sie solche sensiblen Sektoren betreffen. In anderen Bereichen besteht lediglich ein Kontrollrecht.
Auch in der Gestaltung von Prozessen und Zuständigkeiten zeigt sich eine Annäherung: In vielen Ländern gibt es eine zentrale Stelle, die Meldungen von ausländischen Investoren entgegennimmt und koordiniert. Dadurch sind behördliche Zuständigkeiten für Investoren klarer. Auf Regierungsseite übernehmen Fachleute die Prüfung, was die Verfahren beschleunigt. Entscheidungen, wie einzelne Erwerbe zu beurteilen sind und ob Massnahmen erforderlich erscheinen, bereitet meist ein interministerielles Gremium vor, das auch eventuelle Bedingungen für Genehmigungen erarbeitet. Ablehnende Entscheidungen werden häufig auf Minister- oder Kabinettsebene gefällt und sind OECD-weit sehr selten.
Verschiedene Faktoren haben eine solch immer ähnlichere Gestaltung von Investititonskontrollen begünstigt: Eine 2009 im Rahmen der OECD angenommene Empfehlung zu Investitionspolitiken mit Bezug auf nationale Sicherheitsinteressen hat Grundmassstäbe gesetzt. Zusätzlich hat die 2019 in Kraft getretene EU-Verordnung 2019/452 zur Schaffung eines Rahmens für die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen eine weitere Angleichung in EU-Mitgliedsstaaten gefördert. Zudem hat die zunehmende Professionalisierung der Verfahren zu einem regen Austausch zwischen OECD-Ländern und innerhalb der EU geführt. Schliesslich haben viele Staaten ohne eigene Erfahrung mit Investitionsprüfungen und unter der Dringlichkeit während der Pandemie bestehende Modelle übernommen.
Breite Akzeptanz der Prüfungen
Die neue Praxis der Investitionskontrolle ist insgesamt auf breite Akzeptanz gestossen. Dazu tragen mehrere Faktoren bei: Viele OECD-Staaten setzen auf transparente und zügige Prüfverfahren, nur wenige Übernahmen werden beschränkt oder verboten, und Reformen sorgen für laufende Verbesserungen. Zudem besteht ein breites Verständnis dafür, dass Investitionsprüfungen unter den gegenwärtigen geoökonomischen und geopolitischen Umständen notwendig sind.
Die Risiken, die durch einen ausländischen Erwerb drohen, wie etwa der Verlust der Kontrolle über wichtige Technologien oder Kompetenzen oder der Zugang zu verteidigungswichtigen Produkten oder personenbezogenen Informationen, erscheinen der Öffentlichkeit oft plausibel – und zwar weitgehend unabhängig von der Nationalität des erwerbenden Unternehmens. Ein Missbrauch für protektionistische Ziele wird selbst von betroffenen Unternehmen kaum mehr befürchtet.
Investitionskontrollen werden sich weiter ausbreiten
Viel spricht dafür, dass sich Investitionsprüfungen in Zukunft weiter ausbreiten werden. Die Verschlechterung des geoökonomischen und geopolitischen Klimas dürfte weitere Regierungen dazu veranlassen, solche Prüfungen einzuführen oder auszuweiten. In der EU wird die geplante Überarbeitung der oben erwähnten EU-Verordnung 2019/452 die Angleichung der nationalen Regeln vorantreiben. Auch EU-Beitritts-Kandidaten am Balkan und in Südosteuropa werden Investitionsprüfungen einführen, da sie eine Voraussetzung für den EU-Beitritt sind. Zudem sind Investitionskontrollen praktisch eine Bedingung für die Teilnahme von Nicht-EU-Staaten an europäischen Kooperationsprogrammen wie «Horizon Europe».
Auch Schwellenländer in Lateinamerika und Asien ziehen Investitionsprüfungen in Betracht. Sie sorgen sich insbesondere wegen des Erwerbs von Rohstoffkonzessionen und Infrastruktur durch staatlich gelenkte ausländische Unternehmen. Länder mit bestehenden Regelungen werden zudem auf Umgehungsversuche und in der Praxis beobachtete unerwünschte Regelungslücken reagieren und ihre Vorschriften anpassen. Ein sprunghafter Anstieg von Untersagungen von Investitionen ist allerdings nicht zu erwarten. Alle Staaten wollen weiterhin ausländische Investitionen anziehen und werden deshalb Restriktionen so weit wie möglich vermeiden.
- Gemeint sind kontrollierbare Fälle aus der Gesamtmenge aller Erwerbe, zum Beispiel nur ausländische Erwerbende, nur bestimmte Industriesektoren, nur beim Überschreiten bestimmter Schwellenwerte. []
Zitiervorschlag: Pohl, Joachim (2025). Investitionskontrolle: So machen es die OECD-Staaten. Die Volkswirtschaft, 11. März.