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Investitionsschutzabkommen bieten Sicherheit für Investoren

Investoren sind bei Auslandinvestitionen oft politischen Risiken ausgesetzt. Verstaatlichungen oder restriktive Regulierungen können ihre Rechte beschneiden, die Rendite mindern oder sogar die gesamte Investition gefährden. Bilaterale Investitionsschutzabkommen ermöglichen in solchen Fällen Hilfe über ein internationales Schiedsgericht.
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Der Flughafen Zürich führte ein internationales Schiedsverfahren gegen Venezuela – mit Erfolg. (Bild: Keystone)

1287 Milliarden Schweizer Franken: Auf diese Summe belaufen sich die Direktinvestitionen von Schweizer Unternehmen im Ausland. Das zeigen die neusten Statistiken der Schweizerischen Nationalbank (SNB). Damit zählt die Schweiz zu den grössten Kapitalexporteuren weltweit.[1] Diese Investitionen nehmen vielfältige Formen an. Sie umfassen beispielsweise Beteiligungen an ausländischen Gesellschaften oder die Abwicklung von Grossprojekten wie Bau und Betrieb von Fabriken und Kraftwerken. Die Investitionen fliessen auch in den Erwerb von staatlichen Konzessionsrechten zum Abbau von Rohstoffen oder für den Betrieb von Infrastrukturen in Schlüsselindustrien wie Energie, Verkehr und Telekommunikation. Solche Investitionen sind oft langfristig, binden viel Kapital und spielen eine zentrale Rolle bei der globalen Präsenz und der Wettbewerbsfähigkeit von Schweizer Unternehmen.

Klagen auf Schadenersatz schwierig

Je nach Gastland können Auslandinvestitionen erheblichen politischen Risiken ausgesetzt sein. So haben in den letzten Jahrzehnten Länder wie Venezuela, Bolivien, Argentinien oder Simbabwe in verschiedenen Sektoren Unternehmen verstaatlicht. Auch Schweizer Investoren waren betroffen. Beispielsweise investierte der Flughafen Zürich im Jahr 2000 gemeinsam mit einem chilenischen Partner in eine Konzession, um den Flughafen Santiago Mariño auf der Isla Margarita in Venezuela zu modernisieren und anschliessend zu betreiben. Im Jahr 2005 beendete der Gouverneur des Bundesstaats Nueva Esparta vorzeitig den Vertrag und entzog den Investoren die Kontrolle über den Flughafen.[2] Neben solchen Enteignungen stellen auch restriktive Regulierungen – wie plötzliche Steuererhöhungen, Exportverbote oder strenge Umweltauflagen – ein Risiko dar, da sie die Rentabilität einer Investition stark beeinträchtigen können.

Betroffene Investoren können vor den Gerichten im Gastland auf Schadenersatz oder die Wiederherstellung ihrer Rechte klagen. Das setzt jedoch voraus, dass im Gastland ein funktionierender Rechtsstaat und die Unabhängigkeit der Justiz gewährleistet sind. In manchen Ländern ist das nicht erfüllt. Politische Einflussnahme, mangelnde Transparenz oder ineffiziente Justizsysteme können die Aussicht auf eine faire und zügige Klärung trüben. So blieben auch die Klagen des Flughafens Zürich vor dem obersten Gerichtshof in Venezuela erfolglos.

Schutz der Investoren

Hier schaffen internationale Investitionsschutzabkommen (ISA) Abhilfe. Sie gewähren ausländischen Investoren – unabhängig vom Staats- und Rechtssystem des Gastlands – diverse völkerrechtliche Garantien. So sind Enteignungen nur unter klaren Voraussetzungen zulässig. Sie müssen einem legitimen öffentlichen Interesse dienen, dürfen nicht diskriminierend sein und erfordern eine angemessene Entschädigung des betroffenen Investors. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Enteignung direkt durch die formelle Übertragung von Eigentum auf den Staat – etwa bei Verstaatlichungen von Fabriken oder Land – oder indirekt durch Massnahmen wie übermässige Steuerbelastungen oder unverhältnismässige Regulierungen entsteht.

Darüber hinaus gewährleistet das Diskriminierungsverbot, dass Schweizer Investoren mindestens die gleiche Behandlung erhalten wie einheimische Unternehmen. Ausserdem müssen sie dieselben Vorteile erhalten wie Investoren aus anderen Ländern. Des Weiteren schützen die ISA Schweizer Investoren vor willkürlichen oder unverhältnismässigen staatlichen Massnahmen. Dies umfasst auch den Schutz berechtigter Erwartungen des Investors, zum Beispiel bei Zusicherungen durch den Staat, oder den Schutz vor Rechtsverweigerung. Schliesslich garantiert die Kapitaltransferfreiheit, dass Investoren Gewinne, Dividenden oder Erlöse aus einer Investition ohne Einschränkungen in die Schweiz transferieren können.

Das erste bilaterale ISA wurde 1959 zwischen Deutschland und Pakistan abgeschlossen. Es diente als Vorbild für viele nachfolgende Abkommen. In den 1960er- und 1970er-Jahren, als Investitionen in Entwicklungs- und Schwellenländer zunahmen, gewannen ISA an Bedeutung, um Investoren vor Enteignungen und unfairer Behandlung zu schützen. Heute sind weltweit über 2200 bilaterale ISA sowie mehr als 470 weitere Abkommen mit Investitionsschutzbestimmungen in Kraft.[3] Die Schweiz, die seit den 1960er-Jahren eine aktive Investitionsschutzpolitik verfolgt, hat mit rund 120 Ländern bilaterale ISA abgeschlossen (siehe Abbildung).

Die Schweiz hat mit rund 120 Ländern bilaterale Investitionsschutzabkommen abgeschlossen

INTERAKTIVE GRAFIK
Anmerkung: Bolivien, Ecuador, Indien, Malta und Südafrika haben ihre Investitionsschutzabkommen mit der Schweiz inzwischen gekündigt.
Quelle: Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) / Die Volkswirtschaft

Streitigkeiten vor einem internationalen Schiedsgericht austragen

Ein wesentliches Element der ISA ist die Möglichkeit der Investor-Staat-Streitbeilegung, auf Englisch Investor-State Dispute Settlement (ISDS) genannt. Dieser Mechanismus erlaubt es Investoren, Streitigkeiten mit einem Gaststaat vor einem internationalen Schiedsgericht auszutragen, anstatt auf möglicherweise ineffiziente oder politisch beeinflusste nationale Gerichte angewiesen zu sein. Die Verfahren folgen in der Regel etablierten Schiedsregeln, etwa jenen des Internationalen Zentrums zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten der Weltbank (ICSID) oder der UNO-Kommission für internationales Handelsrecht (Uncitral). Ein grosser Vorteil für Investoren ist, dass die Schiedsurteile bindend sind und Ansprüche auf Schadenersatz international vollstreckt werden können.

Die Investor-Staat-Streitbeilegung wird auch von Schweizer Unternehmen aktiv genutzt. In den letzten 25 Jahren haben Schweizer Firmen – darunter bekannte Namen wie Alpiq, Holcim, Schindler, Zürich Versicherung, APG SGA oder Glencore – in über 50 Fällen ein Schiedsverfahren gegen ein Gastland eingeleitet.[4] So führte auch der Flughafen Zürich ein Schiedsverfahren gegen Venezuela, nachdem das Konzessionsrecht zum Betrieb des Flughafens Santiago Mariño enteignet worden war. Im November 2014 entschied das ICSID-Schiedsgericht zugunsten der Investoren und verurteilte Venezuela zur Zahlung von 19,4 Millionen US-Dollar plus Zinsen.[5]

Kritik wegen Schiedsverfahren gegen Regulierungen

Umgekehrt ist in den öffentlichen Datenbanken lediglich ein Fall dokumentiert, in dem ein ausländischer Investor ein Schiedsverfahren gegen die Schweiz eingeleitet hat. Dieses wurde eingestellt, nachdem die erste Vorauszahlung zur Deckung der Verfahrenskosten nicht geleistet worden war. Allerdings droht der Schweiz aktuell eine bedeutende Klage, die von ehemaligen Inhabern sogenannter Additional-Tier-1-Anleihen der Credit Suisse (CS) ausgeht. Im Zuge der Notübernahme der CS durch die UBS im März 2023 verfügte die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) die vollständige Abschreibung dieser Anleihen im Wert von rund 17 Milliarden US-Dollar, wodurch die Investoren ihre gesamten Einlagen verloren. Mehrere internationale Anwaltskanzleien prüfen derzeit, ob eine Investor-Staat-Schiedsklage gegen die Schweiz möglich ist.

Das System der Investor-Staat-Schiedsverfahren ist in den letzten 20 Jahren teilweise in die Kritik geraten, insbesondere da sich die Klagen nicht mehr nur gegen Enteignungen in Entwicklungsländern richteten, sondern vermehrt auch gegen Regulierungen in Industriestaaten. Viele dieser Verfahren betreffen staatliche Massnahmen wie den Schutz der Umwelt, die Gesundheit oder die Förderung sozialer Gerechtigkeit, die im öffentlichen Interesse sind.[6] Kritiker bemängeln die Intransparenz der Verfahren, potenzielle Interessenkonflikte der Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter sowie die Möglichkeit, dass Unternehmen gegen staatliche Regulierungen vorgehen können. Insbesondere bei Themen wie Klima- oder Gesundheitsschutz wird dies als Eingriff in die staatliche Autonomie wahrgenommen.

Um diese Herausforderungen zu bewältigen, wird unter der Schirmherrschaft der Arbeitsgruppe III der Kommission der Vereinten Nationen für internationales Handelsrecht (Uncitral) eine Reform des Systems der Investor-Staat-Streitbeilegung vorangetrieben, an deren Verhandlungen sich auch die Schweiz aktiv beteiligt.[7] Ein zentraler Ansatz der Reform der Investor-Staat-Streitbeilegung ist die Schaffung eines multilateralen Investitionsgerichts mit fest angestellten Richterinnen und Richtern sowie einem Berufungsmechanismus, um Schiedsverfahren konsistenter und transparenter zu gestalten.

  1. Siehe SNB (2024), S. 4 und Bundesrat (2025), S. 20. []
  2. Siehe Flughafen Zürich v. Venezuela (ICSID ARB/10/19), Rz. 68 ff. []
  3. Siehe UNCTAD (2025). []
  4. Siehe Alpiq v. Romania (ICSID ARB/14/28), Holcim v. Venezuela (ICSID ARB/09/3), Schindler v. Korea (PCA 2019-44), Zurich v. Bolivia (PCA 2021-05), APG SGA v. Serbia (ICSID ARB/21/13), Glencore v. Colombia (ICSID ARB/23/50). []
  5. Siehe Flughafen Zürich v. Venezuela (ICSID ARB/10/19), Rz. 926. []
  6. Siehe zum Beispiel Vattenfall v. Germany (ICSID ARB/12/12) zum Atomausstieg oder Philip Morris v. Australia (PCA Case No. 2012-12) betreffend Gestaltung von Zigarettenverpackungen. []
  7. Siehe Uncitral (2025). []

Literaturverzeichnis

Bibliographie

Zitiervorschlag: Diebold, Nicolas (2025). Investitionsschutzabkommen bieten Sicherheit für Investoren. Die Volkswirtschaft, 11. März.