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Schweizer Wirtschaft profitiert stark von Direktinvestitionen

Die Schweiz zählt sowohl als Investorin als auch als Investitionsstandort international zu den Spitzenreiterinnen. Dies widerspiegelt einerseits die hohe Wettbewerbsfähigkeit der hiesigen Wirtschaft, andererseits aber auch die Standortvorteile der Schweiz für multinationale Unternehmen.
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Die Schweiz ist ein attraktiver Standort für Direktinvestitionen. Deswegen haben viele grosse, multinationale Unternehmen wie ABB ihren Hauptsitz in der Schweiz. (Bild: Keystone)

Ein Schweizer Maschinenbauunternehmen eröffnet eine neue Produktionsstätte in Vietnam, um von günstigeren Arbeitskosten und der Nähe zu asiatischen Märkten zu profitieren. Ein US-Technologiekonzern kauft ein schweizerisches Start-up, das eine bahnbrechende Software für künstliche Intelligenz entwickelt hat. Das sind zwei Beispiele für Direktinvestitionen. Dabei handelt es sich um Investitionen, bei denen Kapital in ein Unternehmen oder in eine Vermögensanlage in einem anderen Land eingebracht wird, um die Geschäftstätigkeit direkt und dauerhaft zu beeinflussen. Gemäss der Definition der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD)[1] handelt es sich um Direktinvestitionen, wenn der Investor mindestens 10 Prozent der Stimmrechte an einem Unternehmen erwirbt. Im Unterschied zu Portfolioinvestitionen, die das passive Erwirtschaften von Erträgen durch beispielsweise den Kauf einzelner Aktien anstreben, zielen Direktinvestitionen auf strategische Steuerung, Marktzugang und Ressourcensicherung ab. Sowohl private als auch institutionelle Investoren können Direktinvestitionen tätigen.

Direktinvestitionen bringen sowohl für die Herkunfts- als auch für die Empfängerländer volkswirtschaftliche Vorteile. Für Herkunftsländer eröffnen sie den Zugang zu strategisch wichtigen Ressourcen und erleichtern die Erschliessung neuer Märkte. Sie stärken ihre Wettbewerbsfähigkeit, indem sie ihre Produktion und ihre Lieferketten global optimieren. Ebenso können investierende Unternehmen durch die Standortvorteile in einem anderen Land höhere Gewinne erzielen und Steuern optimieren.

Für die Empfängerländer fördern die ausländischen Direktinvestitionen den Aufbau und die Modernisierung von Unternehmen und bringen oft auch technologische Innovationen und Know-how mit sich. Insgesamt fördern Direktinvestitionen die Produktivität und die Wirtschaftsdynamik im Empfängerland. Dies schafft neue Arbeitsplätze, sowohl direkt in den investierten Unternehmen als auch indirekt in vor- und nachgelagerten Branchen.

Die Schweiz ist ein attraktiver Investitionsstandort

Im Zuge der Globalisierung haben die Direktinvestitionen weltweit seit Mitte der 1990er-Jahre stark zugenommen. Die Schweiz hat sich in dieser Zeit zu einem der weltweit grössten Herkunfts- und Empfängerländer von Direktinvestitionen entwickelt.[2] Dies lässt sich insbesondere durch die Attraktivität der Schweiz für multinationale Unternehmen sowie für Finanz- und Holdinggesellschaften erklären. Letztere haben die Entwicklung der Direktinvestitionen der Schweiz in den letzten Jahren stark geprägt (siehe Kasten). Ihre realwirtschaftlichen Effekte, beispielsweise auf die Beschäftigung oder die Investitionen, sind jedoch weniger bedeutsam.

Ohne Finanz- und Holdinggesellschaften sind die Direktinvestitionen der Schweiz zwischen 1985 und 2021 in beide Richtungen fast ununterbrochen angestiegen (siehe Abbildung 1). Zwischen 2022 und 2023 kam es zu einer gewissen Stabilisierung. Ausschlaggebend dafür waren beispielsweise Bewertungsverluste im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg oder Konzernumstrukturierungen und für die Direktinvestitionen im Ausland auch die Aufwertung des Schweizer Frankens. Diese führten zu einem Wertverlust auf dem Kapitalbestand. 2023 beliefen sich die Direktinvestitionen ohne Finanz- und Holdinggesellschaften in der Schweiz auf 535 Milliarden Schweizer Franken und die Schweizer Direktinvestitionen im Ausland auf 809 Milliarden Schweizer Franken. Letzteres entspricht der Höhe des nominalen Bruttoinlandprodukts in diesem Jahr.

Abb. 1: Schweizer Direktinvestitionen ohne Finanz- und Holdinggesellschaften nehmen tendenziell zu (1985–2023)

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Quelle: SNB / Die Volkswirtschaft

Entscheidende Rolle der USA und des Pharmasektors

Die hohen Direktinvestitionen der Schweiz widerspiegeln viele Standortvorteile wie beispielsweise eine hohe Rechtssicherheit, gut ausgebildete Arbeitskräfte oder eine gute Infrastruktur. Deshalb haben viele schweizerische multinationale Unternehmen wie Novartis oder ABB ihren Hauptsitz in der Schweiz. Ebenso haben viele ausländische multinationale Unternehmen wie Google oder Liebherr Niederlassungen in der Schweiz. Diese Unternehmen ziehen internationales Kapital an und investieren oftmals selbst über Unternehmensbeteiligungen und Tochterunternehmen im Ausland.

Die USA sind mit Abstand der grösste Partner der Schweiz für Direktinvestitionen. Sie machen rund 40 Prozent aus – sowohl als Herkunfts- wie auch als Empfängerland. Die EU folgt mit knapp über 30 Prozent deutlich weiter hinten. Das grosse Gewicht der USA zeigt sich auch im Schweizer Aussenhandel: In den letzten 20 Jahren hat ihr Gewicht als Handelspartner stark zugenommen. Die USA sind der wichtigste Handelspartner im Bereich der Dienste und haben zudem im Jahr 2021 Deutschland als wichtigste Destination für Schweizer Warenexporte abgelöst.

Ein zentraler Grund dafür ist der Boom des international stark verflochtenen Pharmasektors. Gerade auch in diesem Sektor sind zahlreiche multinationale Unternehmen mit Forschungs- und Produktionsstandorten sowohl in der Schweiz als auch in den USA tätig. Somit tragen diese massgeblich zu den Direktinvestitionen in beide Richtungen bei. Das zeigt sich auch beim bilateralen Dienstleistungshandel im Bereich Forschung und Entwicklung sowie von Lizenzen und Patenten, der seit 2012 überdurchschnittlich gewachsen ist.

Motor des Schweizer Wirtschaftswachstums

Welchen Effekt Direktinvestitionen auf die Realwirtschaft haben, ist schwer zu beziffern. Insbesondere Faktoren wie Technologietransfer oder Management-Know-how können kaum gemessen werden. Für Schweizer Direktinvestitionen im Ausland lassen sich allerdings die Kapitalerträge heranziehen. Ein grosser Teil davon sind Dividenden, die sich positiv auf die Investitionen und den Konsum in der Schweiz auswirken können. Die Kapitalerträge sind in den letzten 25 Jahren stark gestiegen und erreichten 2023 – ohne Finanz- und Holdinggesellschaften – 76 Milliarden Schweizer Franken.

Für Direktinvestitionen in der Schweiz geben Kennzahlen zu multinationalen Unternehmen in der Schweiz einen Anhaltspunkt.[3] 2022 beschäftigten ausländisch kontrollierte multinationale Unternehmen rund 11 Prozent der Beschäftigten, erzeugten aber knapp ein Viertel der gesamten Bruttowertschöpfung in der Schweiz (Abbildung 2). Dieser Anteil steigt sogar auf 45 Prozent, wenn man zusätzlich die schweizerisch beherrschten multinationalen Unternehmen berücksichtigt.

Auch beim Wirtschaftswachstum leisten multinationale Unternehmen einen überdurchschnittlichen Beitrag: Zwischen 2014 und 2022 wuchs die Bruttowertschöpfung der ausländisch beherrschten multinationalen Unternehmen um fast 8,9 Prozent pro Jahr – mehr als drei Mal so stark wie die der gesamten Wirtschaft. Zudem verzeichneten sie ein überdurchschnittliches Beschäftigungswachstum von 2,8 Prozent pro Jahr, während der schweizerische Durchschnitt bei 1,3 Prozent lag. Das vergleichsweise hohe Produktivitätswachstum von multinationalen Unternehmen dürfte in der Tendenz auch zu einem stärkeren Lohnwachstum geführt und somit positiv zum hohen Schweizer Lohnniveau beigetragen haben.

Abb. 2: Die multinationalen Unternehmen in der Schweiz tragen überdurchschnittlich zum Wachstum der Bruttowertschöpfung bei (2014–2022)

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Anmerkung: Der Bruttowertschöpfungsanteil der inländisch kontrollierten multinationalen Unternehmen betrug im Jahr 2022 21 Prozent, der Anteil der ausländisch kontrollierten 24 Prozent. Bei der Beschäftigung entfielen 18 Prozent auf die inländisch kontrollierten multinationalen Unternehmen und 11 Prozent auf die ausländisch kontrollierten.
Quelle: Bundesamt für Statistik / Die Volkswirtschaft

Steigende Hürden als Risikofaktor

In den letzten Jahren sind Direktinvestitionen zunehmend ins Visier politischer Entscheidungsträger geraten. Einerseits wurden national und international Steuerregimes angepasst, um die Nutzung von Direktinvestitionen zur Steueroptimierung einzuschränken (siehe Kasten). Andererseits haben viele Länder neue Mechanismen zur Kontrolle und zur Regulierung von Direktinvestitionen eingeführt, um die öffentliche Ordnung und die nationale Sicherheit zu schützen. Auch die Schweiz diskutiert die Einführung einer Investitionskontrolle bei Übernahmen heimischer Unternehmen durch ausländische Investoren. [4] Vor diesem Hintergrund besteht das Risiko, dass sich Direktinvestitionen künftig auf internationaler Ebene weniger dynamisch entwickeln als in der Vergangenheit – mit entsprechend negativen Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum.

  1. Siehe OECD (2009). []
  2. Siehe IWF (2025). []
  3. Diese Daten beinhalten auch Finanz- und Holdinggesellschaften. []
  4. Siehe Investitionsprüfgesetz[]

Literaturverzeichnis

Bibliographie

Zitiervorschlag: Fischer, Sarah; Pochon, Vincent (2025). Schweizer Wirtschaft profitiert stark von Direktinvestitionen. Die Volkswirtschaft, 11. März.

Direktinvestitionen zur Steueroptimierung

Die Schweiz ist seit vielen Jahren ein attraktiver Standort für Finanz- und Holdinggesellschaften. Bei Direktinvestitionen über solche Gesellschaften steht häufig die Steueroptimierung von multinationalen Unternehmen im Fokus. In diesen Fällen verlagern multinationale Unternehmen Kapital zwischen ihren Konzerngesellschaften und richten sich dabei an den unterschiedlichen rechtlichen und steuerlichen Rahmenbedingungen der einzelnen Länder aus.A Der starke Anstieg zwischen 2015 und 2017 um mehr als ein Drittel sowohl der Schweizer Direktinvestitionen im Ausland als insbesondere auch der ausländischen Direktinvestitionen in der Schweiz ist auf Finanz- und Holdinggesellschaften zurückzuführen (siehe Abbildung 1).

Seit 2018 wurden internationale Steuerregimes revidiert und damit unter anderem die Vorteile von Holdingstrukturen zur Steueroptimierung beschränkt.B Diese dürften international zu Konzernrestrukturierungen und Kapitalverschiebungen geführt haben und einen Teil des Rückgangs der Direktinvestitionen der Schweiz nach 2018 erklären. Davon waren auch andere Holdingstandorte wie beispielsweise Luxemburg oder die Niederlande betroffen.

A Siehe SNB (2016, 2021).

B Die wichtigsten Massnahmen betreffen die USA (Tax and Jobs Act, 2018), die Schweiz (Steuerreform und die AHV-Finanzierung Staf, 2020) und die OECD/G20-Mindestbesteuerung: Zahlreiche OECD-Mitglieder, darunter die Schweiz, haben diese 2024 eingeführt. Einige grössere Mitglieder wie die USA verzichten vorerst darauf.