
Wirtschaftsminister Guy Parmelin im Bundeshaus Ost: «Die USA sind wichtig für uns, aber wir sind auch wichtig für die USA.» (Bild: Keystone / Anthony Anex)
Da gibt es mehrere. Aber zwei stechen hervor: Athena, die Göttin der Intelligenz und Weisheit. Und Dionysus, Gott des Weins und der Freude.
Die Weltwirtschaft wächst unterdurchschnittlich. Doch berücksichtigen wir die Covid-19-Pandemie, den Krieg in der Ukraine und die in der Folge steigenden Energiepreise, die Inflation und die Zinsen, dann zeigt sie sich bemerkenswert resilient. Die Unterschiede zwischen den Wirtschaftsräumen sind aber gross. In unserem wichtigsten Markt Europa hat zum Beispiel Deutschland grosse Schwierigkeiten. In den USA ist die Lage besser.
Ja, sicher. Wir waren in den vergangenen Jahren kontinuierlich im Krisenmodus. Nichtsdestotrotz waren die letzten Weihnachtsferien meine ersten seit 2020, in denen ich keine dringliche Besprechung hatte. Trotzdem sind wir über die internationale Situation besorgt.
Die Unsicherheit ist aktuell sehr hoch, nicht zuletzt im Hinblick auf die Wirtschafts- und Handelspolitik der USA. Risiken bestehen im Zusammenhang mit der Wirtschaftsentwicklung sowie der weltweiten Blockbildung. Auch die hohen Schuldenstände in vielen Ländern bergen grosse Risiken für die internationale Wirtschaftsentwicklung.
Es ist zu früh, dies bereits jetzt schlüssig einzuordnen. Wie bereits vor seiner Wahl angekündigt will Trump neue Zölle, aber er will auch Deals machen. Was wir aber sicher schon sagen können: Wir hatten ab 2017 sehr gute Beziehungen mit der damaligen Trump-Administration. Die exploratorischen Gespräche für ein Freihandelsabkommen wurden zwar nicht fortgesetzt, sie haben aber aufgezeigt, dass es Möglichkeiten für eine engere wirtschaftliche Zusammenarbeit gibt. So unterzeichneten wir später, das heisst Anfang 2023, unter der Administration Biden ein Abkommen zur gegenseitigen Anerkennung von Inspektionen im Bereich der guten Herstellungspraxis für Heilmittel. Das erleichtert den Handel in diesem Bereich.
Ein Freihandelsabkommen nach traditioneller Definition wird schwierig durchzubringen sein. Denn der Prozess ist lang und kompliziert, weil das Abkommen auch vom Kongress genehmigt werden muss. Dort gibt es viele einflussreiche Interessenvertreter, insbesondere der US-Landwirtschaft.
Man darf bei so einem Entscheid nicht hyperventilieren.
Das Handelsvolumen mit den USA ist gross. Auch wenn die Zölle tief sind, fällt es dennoch ins Gewicht, und das Einsparpotenzial ist entsprechend hoch, knapp 700 Millionen. Bei einem Freihandelsabkommen geht es nicht nur um die Eliminierung von Zöllen: Es geht insbesondere auch um Planbarkeit und Rechtssicherheit für unsere Wirtschaftsbeteiligten. Es werden auch weitere Bereiche liberalisiert, nicht nur Zölle abgeschafft. Beispielsweise im nicht tarifären Bereich, bei den Dienstleistungen und Investitionen. Bessere Rahmenbedingungen für unsere Wirtschaft sind auch in anderen Bereichen vorteilhaft.
Gewisse informelle Kontakte gibt es bereits. Zentral ist für beide Seiten eine Win-win-Perspektive. Die USA sind wichtig für uns, aber wir sind auch wichtig für die USA.
Die Schweiz ist sehr innovativ. Wir haben auf wissenschaftlicher Ebene mehrere Kooperationen. Denken Sie an die Zusammenarbeit mit der ETH im Bereich Raumfahrt. Wir haben zudem mehrere Unternehmen, die schon in den USA aktiv sind. Sie brauchen kompetentes Personal, und so haben wir jüngst die bestehende Zusammenarbeit im Bereich der Berufsbildung zwischen der Schweiz und den USA vertieft. Davon profitieren auch US-Firmen. Zudem investieren Schweizer Firmen in den USA in beträchtlichem Umfang, was dazu führt, dass die Schweiz zurzeit der grösste ausländische Investor in Forschung und Entwicklung in den USA ist.
Genau. Beispielsweise Google und Microsoft haben Tochterfirmen in der Schweiz. Für sie sind das gut ausgebildete Personal und die verhältnismässig tiefere Regulierungsdichte in der Schweiz zentral. Das sind unsere Trümpfe.
Man darf bei einem solchen Entscheid nicht hyperventilieren. Wir müssen die Gründe dafür analysieren und herausfinden, wer wirklich betroffen ist. Um eine gute Lösung zu finden, muss man zuerst verstehen und dann mit den USA diskutieren. Wir haben 120 Tage Zeit, um zu reagieren. Das werden wir sicherlich über alle möglichen Kanäle tun.
Unbedingt! Der Dialog und das direkte Gespräch sind mir wichtig. Nur so können wir die andere Seite verstehen – und sie uns. Wir haben mit diesem Vorgehen in der ersten Trump-Administration gute Erfahrungen gemacht, zum Beispiel mit dem damaligen Amtskollegen Willbur Ross. Wir konnten sehr pragmatisch diskutieren. Ich gehe davon aus, dass dies auch mit dem heutigen Handelsminister Howard Lutnick möglich sein wird.
Ich lancierte die Verhandlungen letzten September zusammen mit meinem chinesischen Amtskollegen an einer virtuellen Zeremonie. Eine erste Verhandlungsrunde findet im März in Peking statt. In diesen Verhandlungen verfolgen wir drei Ziele. Den Marktzugang für wichtige Schweizer Waren wollen wir verbessern. Bei den Investitionen soll der Marktzugang in beide Richtungen erleichtert werden. Und die Nachhaltigkeit ist der dritte Fokus. Es geht insbesondere um Umweltfragen und Arbeitsstandards.
Die Diversifizierung der Lieferketten und Vertriebskanäle ist für die Widerstandsfähigkeit der Schweizer Wirtschaft entscheidend. Wir pflegen einen regelmässigen Handelsdialog mit den USA. Unser Freihandelsabkommen mit China war in diesem Zusammenhang bis jetzt kein kontroverses Thema.
Nachdem die Efta und die Mercosur-Staaten im August 2019 ein Abkommen im Grundsatz abgeschlossen hatten, verzögerte sich die Bereinigung der verbliebenen Fragen aufgrund der Pandemie und von Regierungswechseln in einigen Mercosur-Ländern. In der Zwischenzeit sind neue Forderungen auf den Tisch gebracht worden, die wir nun in weiteren Verhandlungen ausdiskutieren. Es gibt noch einige Stolpersteine, namentlich im Bereich des geistigen Eigentums, der Nachhaltigkeit und der Landwirtschaft.
Grundsätzlich ja, aber das Ergebnis muss befriedigend sein. Wenn wir mehr Zeit brauchen, dann ist das so. Die Qualität des Vertrags ist wichtiger als der Terminkalender. Oder wie es Alain Berset zu sagen pflegte: so schnell wie möglich, so langsam wie nötig.
Die Industriezölle sind heute bei der Verhandlung von Freihandlungsabkommen zumeist nicht mehr der entscheidende Faktor. Die bis Ende 2023 angewandten Zölle der Schweiz waren ohnehin bereits sehr tief.
Wir betreiben keine Industriepolitik mit grossen finanziellen Mitteln, wie dies andere Länder tun. Wir bieten hingegen gute Rahmenbedingungen für alle, nicht nur für bestimmte Sektoren. Wir haben beispielsweise das Klima- und Innovationsgesetz. Auch das revidierte CO2-Gesetz sichert die notwendigen Gelder für Unternehmen, um die Dekarbonisierung voranzutreiben. Ausserdem ist es wichtig, dass wir mit Augenmass regulieren und den flexiblen und offenen Arbeitsmarkt erhalten. Im letzten Jahr verabschiedete das Parlament das Gesetz über die administrative Entlastung. Das verbessert die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für alle Unternehmen.
Wir tun gut daran, uns über Freihandelsabkommen auch weiter weltweit zu diversifizieren.
Ich bin nicht sicher, ob die vier betroffenen Firmen das Programm auch nutzen werden. Es wurde ein enger Rahmen gesetzt. Aber das war nicht Ihre Frage. Das Parlament hat sich zu diesem Schritt entschieden. Der Bundesrat war grundsätzlich kritisch und will sicher nicht noch weiter gehen. Die Schweiz hat in den letzten Jahrzehnten im Grundsatz auf industriepolitische Programme verzichtet. Damit ist sie äusserst erfolgreich gefahren.
Der Bundesrat war stets überzeugt, dass der Zugang für ausländische Investitionen so frei wie möglich sein soll. Und man darf nicht vergessen, dass die Schweiz bereits über wirksame Instrumente verfügt, welche die öffentliche Ordnung und Sicherheit stärken. Kritische Infrastrukturen sind zum Beispiel weitgehend in Staatsbesitz, und die wirtschaftliche Landesversorgung stellt sicher, dass die Schweiz mit lebenswichtigen Gütern oder Dienstleistungen versorgt ist.
Generell muss man unterscheiden zwischen der Inflation, also der Entwicklung der Preise, und dem Niveau der Preise. Wenn die Inflation auf null zurückkehrt, bedeutet es nicht, dass die Preise sinken, sondern dass sie nicht weiter steigen. Die Wahrnehmung, dass gewisse Güter teurer sind als vor einigen Jahren, steht also nicht im Widerspruch zu tiefen Inflationsraten. Die Inflationsrate in der Schweiz betrug im Februar 0,3 Prozent, nachdem sie im August 2022 noch bei 3,5 Prozent gelegen hatte. Letztendlich ist die Preisstabilität aber vorab das Mandat der Schweizerischen Nationalbank und nicht der Wirtschaftspolitik.
Es geht um das gesamte Paket. Mit der Stabilisierung und der Weiterentwicklung des bilateralen Wegs will die Schweiz den Zugang ihrer Unternehmen zum EU-Binnenmarkt sichern. Die EU ist mit Abstand unsere wichtigste Handelspartnerin. Gleichzeitig tun wir gut daran, uns über Freihandelsabkommen auch weiter weltweit zu diversifizieren.
Leider kann ich mir die drei ersten Spiele der Schweizer Mannschaft nicht ansehen. Ich bin dann in Australien und Neuseeland. Aber ich bin optimistisch, dass ich das Schweizer Team nach der Gruppenphase im Viertelfinal anfeuern kann.
Ich bin jetzt seit zehn Jahren in der Regierung. Ich habe immer gesagt, dass ich am 1. Januar 2028 wohl nicht mehr im Bundesrat sein werde. Es stimmt zwar, dass mein diplomatischer Pass bis 2029 gültig ist. Ich bleibe aber nur dann so lange, wenn mich jemand ärgert. (schmunzelt)
Zitiervorschlag: Interview mit Bundesrat Guy Parmelin (2025). «Trump will neue Zölle, aber er will auch Deals». Die Volkswirtschaft, 10. März.
Das Parlament wählte Guy Parmelin (65) im Jahr 2015 als Nachfolger der zurückgetretenen Eveline Widmer-Schlumpf (BDP) in die Regierung. Seit 2019 ist er Vorsteher des Eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung. Zuvor leitete der SVP-Politiker das Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport. Bis zu seiner Wahl in den Bundesrat führte er seinen landwirtschaftlichen Betrieb als Weinbauer.