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KI verändert den Arbeitsmarkt

Künstliche Intelligenz wird den Schweizer Arbeitsmarkt durchdringen. Der Wandel ist sowohl mit Herausforderungen als auch mit Chancen verbunden. Doch die Schweiz ist gut vorbereitet.
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Ein sozial interagierender Roboter in einem Seniorenzentrum in Deutschland. Der Einsatz von KI führt häufig zu einer Reorganisation der Tätigkeiten. (Bild: Keystone)

Der technologische Fortschritt verändert den Arbeitsmarkt seit je. In den vergangenen Jahrzehnten führte die Digitalisierung dazu, dass viele Aufgaben, die nach einem wiederkehrenden Schema erledigt werden können, automatisiert wurden. Hier ist etwa an einfache Büroarbeiten oder auch Montagearbeiten in der Industrie zu denken. Befürchtungen, dass die Automatisierung von Routinetätigkeiten die menschliche Arbeitskraft zurückdrängen würde, bewahrheiteten sich nicht. Wie bereits frühere technologische Veränderungen beeinflusste der Wandel aber die Zusammensetzung der ausgeübten Tätigkeiten in den Berufen. Die erforderlichen Kompetenzen auf dem Schweizer Arbeitsmarkt verschoben sich schrittweise in Richtung höher qualifizierter Tätigkeiten.

Dank einem gut funktionierenden Arbeitsmarkt lief der Anpassungsprozess von Arbeitsangebot und -nachfrage weitgehend reibungslos ab und zog insgesamt keine negativen Auswirkungen auf die Erwerbsbeteiligung oder die Qualität der Beschäftigungsverhältnisse nach sich. Die Beschäftigung nahm in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich zu.[1]

KI kann auch höher qualifizierte Berufe betreffen

Aufgrund der schnellen Entwicklungen im Bereich der künstlichen Intelligenz (KI) interessiert eine Frage besonders: Wie wird sich diese Technologie auf den Arbeitsmarkt auswirken? Die KI unterscheidet sich von früheren Technologien dahin gehend, dass sie das Spektrum von automatisierbaren Tätigkeiten auf gewisse Nichtroutinetätigkeiten ausweitet. KI-gestützte Anwendungen können damit auch Berufe verändern, die von bisherigen Entwicklungen vergleichsweise wenig betroffen waren. Das schliesst zahlreiche höher qualifizierte Berufe mit ein – beispielsweise Softwareprogrammierer, Ingenieure oder Anwälte.

Die aktuellen und insbesondere die künftigen Auswirkungen von KI auf den Arbeitsmarkt sind zurzeit noch schwierig abschätzbar. Es ist aber weitgehend unbestritten, dass KI aufgrund der breiten Einsatzmöglichkeiten mittel- und längerfristig in vielen Sektoren und Berufen das Arbeitsumfeld und die nachgefragten Kompetenzen massgeblich verändern dürfte.

Dieser Wandel bietet gewichtige Chancen für die Beschäftigung und den Wohlstand. Der Einsatz von KI kann zur menschlichen Arbeitskraft komplementär wirken, etwa indem er die Fehleranfälligkeit reduziert oder die Entscheidfindung unterstützt. Auf diese Weise kann KI Produktivitätssteigerungen ermöglichen, die zu höheren Löhnen und tieferen Preisen für Produkte und Dienstleistungen führen. Beides stimuliert die gesamtwirtschaftliche Nachfrage und schafft neue Arbeitsplätze. Wie stark die Produktivitätssteigerungen ausfallen werden, ist allerdings umstritten. Bestehende Prognosen gehen teilweise weit auseinander.[2] Während einige Autoren jährliche Arbeitsproduktivitätsgewinne von 2,5 Prozentpunkten und mehr erwarten, geht etwa Wirtschaftsnobelpreisträger Daron Acemoglu von weitaus geringeren Effekten aus (+0,1 Prozentpunkte).

Auch die Auswirkungen von KI auf die Verteilung der Erwerbseinkommen sind vorderhand ungeklärt.[3] Ein Faktor wird sein, welche Jobs KI wie stark aufwertet. Entfalten KI-Technologien vorwiegend in höher qualifizierten Berufen eine komplementäre Wirkung, fördert dies die Einkommensungleichheit. KI kann spezifisches Fachwissen aber auch entwerten, was gerade in  höher qualifizierten Berufen ein Risiko darstellt. Befähigt KI weniger gut qualifizierte Arbeitskräfte zur Erfüllung von Aufgaben, die aufgrund des geforderten Fachwissens bisher höher qualifizierten Arbeitskräften vorbehalten waren, trägt dies zur Reduktion von Ungleichheiten bei.

Positive Wahrnehmung überwiegt

In vielen Branchen und Betrieben wird KI bereits heute eingesetzt. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat im Finanzsektor und im verarbeitenden Gewerbe verschiedener Länder (ohne Schweiz) untersucht, wie sich die Einführung von KI bisher auf die Betriebe und deren Beschäftigte ausgewirkt hat.[4] Die Ergebnisse dürfen nicht verallgemeinert werden, geben aber einige interessante Einblicke. Die Einführung von KI-Anwendungen führt demzufolge häufig zu einer Reorganisation der Tätigkeiten. Mehr als zwei Drittel der befragten Arbeitgebenden meldeten, dass mittels KI Aufgaben automatisiert wurden, die vorher die Beschäftigten erledigten. Die Einführung von KI hat aber oft auch neue Aufgaben geschaffen. Unter dem Strich blieb das Beschäftigungsvolumen insgesamt stabil.[5]

Die OECD befragte die Beschäftigten zudem nach ihrer Wahrnehmung. Vier von fünf Personen schätzten, dass sich durch den KI-Einsatz ihre Leistung verbessert hat. Auch bei den Arbeitsbedingungen führte KI gemäss den Betroffenen weitaus häufiger zu Verbesserungen als zu Verschlechterungen – etwa bei der Arbeitszufriedenheit, der körperlichen Gesundheit oder bei der Behandlung durch Vorgesetzte. Verschiedentlich äusserten die Betroffenen auch Bedenken in Bezug auf die künftige Beschäftigungsstabilität und die Lohnentwicklung.

Die Schweiz ist gut aufgestellt

Trotz der bemerkenswerten technologischen Fortschritte präsentiert sich KI aus heutiger Sicht als konsequente Fortsetzung der bisherigen Digitalisierung. Es wird in Zukunft weiterhin Tätigkeiten geben, die nicht automatisierbar sind oder besser von Menschen erledigt werden. Dennoch: KI wird Verschiebungen in Berufen und Tätigkeitsprofilen bewirken. Die Anpassungsfähigkeit der Erwerbstätigen dürfte deshalb noch an Bedeutung gewinnen.

Die Schweiz ist diesbezüglich gut aufgestellt. Das belegt etwa ihr gutes Abschneiden im «AI Preparedness Index» des Internationalen Währungsfonds (IWF). Im Subindex zu Humankapital und Arbeitsmarktpolitik belegt die Schweiz Rang 3 von 186 Ländern, hinter Taiwan und Singapur. Der flexible Arbeitsmarkt und das durchlässige Schweizer Bildungssystem setzen Rahmenbedingungen, die sich bereits in der Vergangenheit bewährt haben. Ausbildungen werden regelmässig an die Bedürfnisse der Wirtschaft angepasst. KI-Kompetenzen sind mittlerweile in den Lehrplänen oder Fachbereichen aller Bildungsstufen integriert. Auch das Angebot an Aus- und Weiterbildungen im Bereich KI ist bereits breit.[6]

Da es sich um einen laufenden Prozess handelt, muss man die Auswirkungen von KI auf den Arbeitsmarkt aufmerksam verfolgen. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) erstellt zuhanden des Bundesrats regelmässig Monitoringberichte[7] über die Auswirkungen der Digitalisierung auf den Arbeitsmarkt. Der nächste Monitoringbericht wird voraussichtlich im Jahr 2027 erscheinen. Dieser Bericht wird sich auch mit den Auswirkungen von KI auf den Arbeitsmarkt auseinandersetzen.

  1. Siehe Bundesrat (2022). []
  2. Für eine Übersicht siehe OECD (2024a). Siehe auch den Artikel in diesem Schwerpunkt: «Kommt mit KI wieder ein goldenes Zeitalter der Produktivität?» []
  3. Siehe hierzu OECD (2024b) und Autor (2024). []
  4. Siehe OECD (2023a) sowie OECD (2023b). []
  5. In den relativ wenigen Fällen, in denen durch die Einführung von KI Arbeitsplätze wegfielen, wurden die betroffenen Arbeitskräfte z. B. in andere Geschäftsbereiche versetzt, oder es wurde auf Nachbesetzungen verzichtet, wenn Beschäftigte in den Ruhestand gingen. []
  6. Siehe Stellungnahme des Bundesrats zum Postulat 24.4522 Blunschy, «Arbeitsmarktnahe Massnahmen zur Förderung relevanter KI-Kompetenzen für die Erwerbsbevölkerung». []
  7. Siehe beispielsweise Bundesrat (2022). []

Literaturverzeichnis
  • Autor, D.  (2024). Applying AI to Rebouild Middle Class Jobs. NBER Working Paper 32140.
  • Bundesrat (2022). Auswirkungen der Digitalisierung auf den Arbeitsmarkt – Monitoring 2022.
  • OECD (2023a). The Impact of AI on the Workplace: Evidence from OECD Case Studies of AI Implementation.
  • OECD (2023b). The Impact of AI on the Workplace: Main Findings from the OECD AI Survey of Employers and Workers. 27. März.
  • OECD (2024a). Miracle or Myth? Assessing the Macroeconomic Productivity Gains from Artificial Intelligence.
  • OECD (2024b). Gen-AI: Artificial Intelligence and the Future of Work.

Bibliographie
  • Autor, D.  (2024). Applying AI to Rebouild Middle Class Jobs. NBER Working Paper 32140.
  • Bundesrat (2022). Auswirkungen der Digitalisierung auf den Arbeitsmarkt – Monitoring 2022.
  • OECD (2023a). The Impact of AI on the Workplace: Evidence from OECD Case Studies of AI Implementation.
  • OECD (2023b). The Impact of AI on the Workplace: Main Findings from the OECD AI Survey of Employers and Workers. 27. März.
  • OECD (2024a). Miracle or Myth? Assessing the Macroeconomic Productivity Gains from Artificial Intelligence.
  • OECD (2024b). Gen-AI: Artificial Intelligence and the Future of Work.

Zitiervorschlag: Hauri, Dominik (2025). KI verändert den Arbeitsmarkt. Die Volkswirtschaft, 15. April.