Staatliche Liquiditätshilfen sind eine implizite Subventionierung

Vor einem Jahr veröffentlichte der Bundesrat seinen Bericht zur Finanzstabilität. Luftaufnahme des Paradeplatzes, des symbolträchtigen Finanzplatzes von Zürich. (Bild: Keystone)
Nach der Finanzkrise von 2008 führte die Schweiz ein Regelwerk ein, das unter dem Begriff «Too big to fail» (TBTF) bekannt ist. Es soll die Finanzstabilität des Landes sichern und gilt für systemrelevante Banken[1] (Systemically Important Banks, SIB). Die TBTF-Bestimmungen schreiben diesen Banken strengere Anforderungen vor – etwa bei Eigenkapital, Liquidität und in Bezug auf die Abwickelbarkeit.
Doch der Kollaps der Credit Suisse und ihre Übernahme durch die UBS im März 2023 offenbarten die Grenzen dieses Regelwerks oder seiner Umsetzung. Der Bundesrat musste trotz TBTF-Regeln mit Notrecht unter anderem eine staatliche Liquiditätssicherung (Public Liquidity Backstop, PLB) einführen, damit die Credit Suisse liquide blieb. Vor diesem Hintergrund lancierte der Bundesrat im Mai 2023 die Vernehmlassung zur seit Längerem geplanten Verankerung des PLB im ordentlichen Recht, und er verabschiedete im September desselben Jahres die zugehörige Botschaft.
Am 24. Februar 2025 beschloss die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerats (WAK-S), die Beratung der Gesetzesvorlage zu sistieren. Um diese Entscheidung zu verstehen, muss man zunächst die einzelnen Schritte bei der Abwicklung einer SIB nachvollziehen.
Abwicklung systemrelevanter Banken
Eine Bank braucht genügend Liquidität, um ihre Geschäfte abzuwickeln, den Verbindlichkeiten gegenüber Gläubigern nachzukommen und Geldabflüssen standzuhalten. Um einem Liquiditätsengpass zu begegnen, kann sich die Bank bei anderen Finanzinstituten um Kredit bemühen und auch von der Schweizerischen Nationalbank (SNB) Liquidität beziehen.
Verschlechtert sich die Lage weiter und fehlen ausreichende Sicherheiten, um bei der SNB Notenbankgeld zu leihen, dann bleiben nur noch drastische Schritte – nicht zuletzt deshalb, weil die Illiquidität dann auch die Solvenz der Bank bedroht. Sinkt das Eigenkapital unter eine bestimmte Schwelle, kann die Bank (wandelbare) nachrangige Schuldpapiere (Junior Debt) – vor allem «Additional Tier 1»-Anleihen (AT1) – in Eigenkapital umwandeln. Dadurch werden Schulden abgebaut und der Liquiditätsbedarf vorübergehend gesenkt. Reicht auch dies noch nicht aus, müsste die Bank Insolvenz anmelden. Das wäre spätestens dann der Fall, wenn sie vorrangige Anleihen (Senior Debt), die vor den Schuldpapieren nachrangiger Gläubiger bedient werden müssen, nicht mehr zurückzahlen kann.
Die Folgen für die Wirtschaft wären fatal: Die Kreditvergabe für Unternehmen und Privatpersonen würde beeinträchtigt, das Zahlungssystem gestört und der Ruf des Finanzplatzes Schweiz schwer beschädigt.
Wem nützen Liquiditätshilfen?
Um ein derartiges Szenario zu vermeiden, unterstützte die SNB die Credit Suisse mit Notfallliquidität (Emergency Liquidity Assistance, ELA), verzichtete bei weiteren Hilfen auf solide Sicherheiten (ELA+) und lieh der Bank schliesslich Mittel, deren Rückzahlung der Bund garantierte. Diese letzte Komponente entsprach dem PLB. Er ermöglichte es der Credit Suisse, selbst dann noch Liquidität von der SNB zu beziehen, als sie keine genügenden Sicherheiten mehr beibringen konnte.
Das Hauptziel eines PLB ist es, die potenziell schwerwiegenden Folgen des Kollapses einer Grossbank für Wirtschaft und Gesellschaft zu vermeiden und gleichzeitig die SNB vor Kreditverlusten zu schützen. Die Bank soll vorrangige Schulden begleichen können und mehr Zeit für einen Sanierungsprozess gewinnen.
Die direkten Profiteure des PLB sind weder die Aktionäre der Bank noch die Inhaber von Wandelanleihen, deren Investitionen zu diesem Zeitpunkt bereits wertlos geworden sind. Vielmehr profitieren die vorrangigen Gläubiger, da ihre Ansprüche gegenüber der Grossbank mithilfe des PLB befriedigt werden. Mit anderen Worten: Die durch die Bundesgarantie abgesicherte Liquiditätshilfe der SNB subventioniert vorrangige Schulden systemrelevanter Banken. Aufgrund des verringerten Ausfallrisikos können sich SIBs zu niedrigeren Zinssätzen finanzieren als kleinere Institute, denen derartige Hilfen vorenthalten werden.
UBS sparte Milliarden
Eine aktuelle Studie[2] hat den Vorteil dieser günstigeren Finanzierungsbedingungen für SIBs am Beispiel der UBS geschätzt. Demnach reduzierte die Gesamtheit aller staatlichen Rettungsschirme für Banken (nicht nur der PLB) im Jahr 2022 die Finanzierungskosten der Grossbank um mindestens 2,6 Milliarden Franken[3].
Oder anders ausgedrückt: Im Jahr 2022 handelten die vorrangigen Gläubiger der UBS, als hätte die Bank 10 Prozent Eigenmittel gemessen an den Gesamtaktiven, während die effektive Quote lediglich bei 5 Prozent lag.
Noch hat keine Studie geschätzt, wie sich die vorteilhafteren Finanzierungsbedingungen auf die Schweizer Wirtschaft auswirkten. Klar ist aber, dass die Vorteile auch den – mehrheitlich ausländischen – UBS-Aktionären zugutekommen, da sie von höheren Gewinnen profitieren. Und auch das Management der Bank profitiert, denn die Boni sind an die Eigenkapitalrendite (Return on Equity, ROE) gekoppelt, die aufgrund der Subventionierung steigt.
Volkswirtschaftlich bedeutender als die Auswirkungen auf Gewinne, Dividenden und Boni ist die Gefahr, dass die staatlichen Unterstützungsmassnahmen Anreize verzerren und dies zulasten der wirtschaftlichen Effizienz geht. Die künstlich vergünstigten Schuldzinsen erhöhen die Attraktivität von Verschuldung. In Kombination mit einer Rechtsstruktur, bei der sowohl die Aktionäre als auch das Management nur beschränkt haften, fördert dies «Moral Hazard»: Banken gehen übermässige Risiken ein und denken zu kurzfristig. In der Folge steigt die Wahrscheinlichkeit einer neuerlichen Bankenkrise, die wiederum staatliche Rettungsmassnahmen provoziert.
Das Übel an der Wurzel packen
Wie lässt sich dieser Teufelskreis durchbrechen? Wie im Gesundheitswesen gilt: Prävention ist nachhaltiger und kosteneffizienter als Intervention. Man sollte das Problem also an der Wurzel packen, sprich bei den Fehlanreizen aufgrund übermässiger Verschuldung und damit zusammenhängender exzessiver Bilanzrisiken.
Dazu sind verschiedene Ansatzpunkte denkbar. So kann es sinnvoll sein, die Risikoquellen zu besteuern. Für das Management und die Aktionäre der Bank wird es in der Folge teurer, Entscheidungen zu treffen, die sich für die Allgemeinheit nachteilig auswirken können.[4]
Derartige Korrekturmassnahmen ausserhalb von Krisenzeiten versprechen mehr Erfolg als korrigierende Eingriffe während einer Bankenrettung wie z. B. das Einfordern von Beiträgen von den begünstigten Gläubigern, was faktisch einem Bail-in entspräche. Denn in einer Krise könnte man vor einem Bail-in zurückschrecken – nicht zuletzt deshalb, weil er den Zweck der Rettungsmassnahmen konterkarieren könnte.
Ebenso sinnvoll kann es sein, übermässiger Verschuldung und Risikonahme mit den gängigen Eigenkapital- und Liquiditätsanforderungen zu begegnen. Starke Liquiditätspolster verringern das Risiko der Illiquidität. Starke Eigenkapitalpolster ermöglichen es Banken, im Krisenfall höhere Verluste aufzufangen, und sie begrenzen die Hebelwirkung und verringern damit den Anreiz zu übermässiger Risikonahme. Entgegen häufig geäusserten Vermutungen schmälern derartige Anforderungen weder die Rentabilität von Banken noch ihre Fähigkeit zur Kreditvergabe wesentlich.[5] Sie tragen aber zur Stabilität des Finanzsystems bei.[6]
Schliesslich kann man die Struktur einer SIB so zu verändern versuchen, dass Risiken aus dem Auslandsgeschäft keine unmittelbare Gefahr für das Schweizer Geschäft darstellen, und infolgedessen die Wahrscheinlichkeit einer staatlichen Rettung verringern.
Ein PLB wirkt nicht isoliert, denn er ist Teil eines Strausses staatlicher Hilfestellungen. Angesichts dessen sollten auch die Korrekturmassnahmen zur Begrenzung negativer Verhaltensanreize einen gesamtheitlichen Ansatz verfolgen. Nur so lässt sich den Ursachen der TBTF-Problematik robust begegnen. Die Entscheidung der WAK-S, die Beratung des Gesetzentwurfs zur Verankerung des PLB zu sistieren, war somit folgerichtig. Die Einführung des PLB sollte von einer ganzheitlichen Überprüfung des Systems von Lenkungssteuern, Eigenkapital- und Liquiditätsanforderungen und organisatorischen Massnahmen begleitet sein, um implizite Subventionen für SIBs und die damit verbundenen Fehlanreize zu vermeiden und die Stabilität des Schweizer Finanzplatzes zu sichern.
- In der Schweiz: UBS, Postfinance, Raiffeisen, Zürcher Kantonalbank sowie bis 2023 Credit Suisse. []
- Siehe Monnet, Niepelt und Taudien (2025). []
- Siehe Reaktion der UBS auf diese Studie in einem Artikel der «Neuen Zürcher Zeitung» (NZZ). []
- Siehe Kocherlakota (2010). []
- Siehe Basel Committee on Banking Supervision (2019). []
- Siehe Jorda et al. (2017). []
Literaturverzeichnis
- Basel Committee on Banking Supervision (2019). The Costs and Benefits of Bank Capital – a Review of the Literature, BIS Working Paper 37.
- Jorda O., Schularik M. et Taylor A. (2017). Macrofinancial History and the New Business Cycle Facts. NBER Macroeconomics Annual, vol 31(1), 213–263.
- Kocherlakota N. (2010). Taxing Risk and the Optimal Regulation of Financial Institutions. Federal Reserve Bank of Minneapolis Economic Policy Paper 10-3.
- Monnet C., Niepelt D. et Taudien R. (2025). Pricing Liquidity Support: A PLB for Switzerland. University of Bern. Discussion Paper.
Bibliographie
- Basel Committee on Banking Supervision (2019). The Costs and Benefits of Bank Capital – a Review of the Literature, BIS Working Paper 37.
- Jorda O., Schularik M. et Taylor A. (2017). Macrofinancial History and the New Business Cycle Facts. NBER Macroeconomics Annual, vol 31(1), 213–263.
- Kocherlakota N. (2010). Taxing Risk and the Optimal Regulation of Financial Institutions. Federal Reserve Bank of Minneapolis Economic Policy Paper 10-3.
- Monnet C., Niepelt D. et Taudien R. (2025). Pricing Liquidity Support: A PLB for Switzerland. University of Bern. Discussion Paper.
Zitiervorschlag: Monnet, Cyril; Niepelt, Dirk; Taudien, Remo (2025). Staatliche Liquiditätshilfen sind eine implizite Subventionierung. Die Volkswirtschaft, 06. Mai.