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Die EU hat die Weichen auf Elektromobilität gestellt. Was heisst das?

Mit dem «Verbrennerverbot» für 2035 bekennt sich die EU zum Klimaschutz. Dennoch fehlt einiges, insbesondere Zwischenziele sowie ein Überdenken der steuerlichen Anreize.

Die EU hat die Weichen auf Elektromobilität gestellt. Was heisst das?

Haben in der EU bald ausgedient: Autos mit Verbrennungsmotor. (Bild: Keystone)

Spätestens im Jahr 2035 wird das letzte Auto mit Verbrennungsmotor in der Europäischen Union (EU) neu zugelassen. So jedenfalls schlägt es die Europäische Kommission in einem Gesetzesentwurf vom Sommer 2021 vor. Die Kommission baut hierbei auf bereits angekündigten Zielen einzelner EU-Mitgliedsstaaten auf. Die Niederlande, Griechenland und Österreich etwa planen bereits seit einiger Zeit, ab 2030 keine neuen Benzin- und Dieselautos mehr zuzulassen.

Der zugrunde liegende Gedanke ist einfach: Ein neues Auto verbleibt im Durchschnitt für etwa 15 Jahre auf der Strasse. Um die von der EU angestrebte Klimaneutralität im Jahr 2050 erreichen zu können, darf das letzte Auto mit Verbrennungsmotor spätestens im Jahr 2035 aus den Fabrikhallen rollen.

Im Unterschied zu früheren Absichtsbekundungen einzelner Mitgliedsstaaten handelt es sich beim sogenannten Verbrennerverbot um eine verbindliche EU-weite Regelung, die alle Mitgliedsstaaten und Fahrzeughersteller einhalten müssen. Dass das Verbot 2035 tatsächlich kommt, gilt als ausgemacht. Schliesslich stimmten im Juni 2022 sowohl das Europäische Parlament als auch die europäischen Mitgliedsstaaten dem Nullemissionsziel für 2035 zu.

Aktuell verhandeln die drei gesetzgebenden EU-Institutionen – die Kommission, das Parlament und die Mitgliedsstaaten – im Rahmen des sogenannten Trialogs die Details. Das Ergebnis wird für spätestens Anfang 2023 erwartet. Beim Ausstiegsdatum 2035 und dem klaren Nein zu Schlupflöchern wie synthetischen Kraftstoffen wird es wohl bleiben, auch wenn die Ölindustrie und auch manche Vertreter der Autoindustrie bis zuletzt heftig lobbyieren werden.

Internationaler Wettbewerb bei Elektroautos

Das künftige Verbrennerverbot hat auch Auswirkungen auf den Markt für Elektroautos. Etwa zehn Jahre nach ihrer erstmaligen Einführung im Jahr 2009 zeigen die europäischen CO2-Zielwerte für Neufahrzeuge Wirkung. Während die Hersteller in den Jahren zuvor durchschnittlich eine Reduktion des CO2-Ausstosses je Fahrzeug von 1 Prozent pro Jahr erbrachten, war es im Jahr 2020 etwa 1 Prozent pro Monat. Der Marktanteil von Plug-in-Hybriden und Batteriefahrzeugen schnellte innerhalb eines Jahres von 3 Prozent im Jahr 2019 auf 11 Prozent im Jahr 2020 hoch. Alle Zielwerte wurden eingehalten, und Strafzahlungen blieben weitgehend aus.

Nicht nur die europäischen CO2-Zielwerte zeigen Wirkung. Zusätzlich heizen auf Ebene der Mitgliedsstaaten zahlreiche Förderprogramme die Nachfrage nach Elektroautos weiter an. Deutschland ist hierfür ein gutes Beispiel. Während in der Vergangenheit die Flotte neuer Autos aufgrund überdurchschnittlich hoher CO2-Emissionen eher negativ auffiel, ist das Land neuerdings einer der Vorreiter in der EU in Sachen Elektromobilität. Grund hierfür ist die Kaufprämie für Elektroautos, die von staatlicher Seite aktuell bis zu 6000 Euro beträgt. Wer sich einen Neuwagen leisten kann und das Glück hat, ohne längere Wartezeit ein Elektroauto geliefert zu bekommen, darf sich an einem sehr attraktiven Kosten-Nutzen-Verhältnis erfreuen.

Der Elektroanteil an Neuwagen in der EU liegt aktuell bei etwa 20 Prozent. Darin eingerechnet sind Plug-in-Hybride, die momentan noch knapp die Hälfte der Fahrzeuge ausmachen. Ihr Anteil wird in den kommenden Monaten voraussichtlich deutlich sinken, nachdem die EU im Juni dieses Jahres ein realistischeres Testverfahren für Plug-in-Hybride eingeführt hat. Bislang emittieren Plug-in-Hybrid-Autos im realen Fahrbetrieb im Durchschnitt noch drei- bis viermal so viel CO2 wie laut offizieller Angabe. Künftig wird jedoch ein realistischeres Fahr- und Ladeverhalten für die Berechnung der offiziellen Werte verwendet, welche dann entsprechend höher ausfallen werden. Brennstoffzellenfahrzeuge – auch Wasserstofffahrzeuge genannt – werden weiterhin nur in homöopathischen Dosen verkauft. Die Technologiefrage scheint damit, zumindest bei den Autos, inzwischen geklärt: Batteriefahrzeuge haben eindeutig die Nase vorn.

Elektroautos könnten einen noch höheren Marktanteil erreichen, denn die Nachfrage von Kundenseite ist hoch. Wären da nicht die langen Lieferzeiten, die momentan mehrere Monate betragen. Grund dafür sind Chipmangel und generelle Materialengpässe. Hersteller achten darauf, das verfügbare Material in möglichst profitablen und für die Unternehmensstrategie hilfreichen Fahrzeugmodellen einzusetzen. Dies sind eher grosse SUVs als Kleinwagen und eher jene Elektroautos, die in Märkten mit strengen gesetzlichen Zielwerten und grosszügigen Förderprogrammen verkauft werden als in solchen ohne Vorgaben.

Vor diesem Hintergrund werden wir aktuell Zeugen eines internationalen Wettbewerbs um die Produktion und den Verkauf von Elektroautos. China und Europa liefern sich hierbei ein Kopf-an-Kopf-Rennen. In der ersten Jahreshälfte 2022 übernahm China wieder die Führungsrolle – 24 Prozent aller neuen Autos sind dort inzwischen Batteriefahrzeuge oder Plug-in-Hybride (siehe Abbildung 1). In den USA beträgt der Marktanteil von Batterieautos an den gesamten Neuzulassungen aktuell etwa 7 Prozent.

Abb. 1: Entwicklung des Anteils von Elektrofahrzeugen an allen neuen Autos in China, Europa und den USA (2015–2035)

Anmerkung: Daten für China und Europa umfassen nur Personenwagen, US-Daten beinhalten auch Pick-ups.
Quelle: China und USA: Marklines, Europa: EEA, Dataforce / Die Volkswirtschaft

Elektromobilität ist (noch) kein Selbstläufer

So beeindruckend der Boom bei Elektroautos in Europa in den Jahren 2020 und 2021 auch war, die weitere Entwicklung des Marktes bleibt unsicher. Seit Anfang 2022 stagniert der Anteil an neu zugelassenen Elektroautos, und auch die durchschnittlichen CO2-Emissionen je Auto sinken kaum mehr. Diese jüngste Entwicklung zeigt eine Schwachstelle der bestehenden EU-Regulierung auf: Anstatt jährlich verschärfter Zielwerte greift lediglich alle fünf Jahre die jeweils nächste Stufe der Gesetzgebung.

Gleichzeitig ist das 2025er-Ziel für Neuwagen in der EU mit einer nominalen CO2-Reduktion von nur 15 Prozent derart anspruchslos (siehe Abbildung 2), dass wir vor der nächsten Verschärfung ab 2030 kaum mit einem weiteren Innovationsschub rechnen können. Selbst wenn das letzte Auto mit Verbrennungsmotor schon einige Jahre vor 2035 vom Band laufen würde, so wie es Hersteller wie Ford und Volvo ankünden, wird die EU das Klimaschutzziel von –30 Prozent CO2 für 2030 – zumindest im Verkehrsbereich – weit verfehlen.

Nicht nur auf EU-Ebene fehlt für die kommenden Jahre ein klarer Anreiz. Auch auf Ebene der Mitgliedsstaaten drohen wichtige Anreize für das noch junge Pflänzchen Elektromobilität wegzubrechen. In Deutschland beispielsweise plant die Regierung, die Kaufprämie für Elektroautos zu reduzieren und das Gesamtvolumen des Fördertopfs zu begrenzen. In Anbetracht leerer Staatskassen ist die Diskussion um Fördermittel verständlich. Insbesondere, wenn man sich vor Augen führt, dass diese derzeit vor allem demjenigen Teil der Bevölkerung zugutekommen, der sich die Anschaffung eines Neuwagens leisten kann. Die breite Masse ächzt derweil unter den historisch hohen Spritpreisen.

Abb. 2: Historische Entwicklung CO2-Standards und durchschnittliche CO2-Werte neuer Autos in der EU und Zielvorschläge (2000–2040)

Anmerkung: CO2-Emissionswerte gemäss NEFZ-Testverfahren.
Quelle: ICCT / Die Volkswirtschaft

Nachhaltige Förderung von Elektromobilität notwendig

Mit dem Zulassungsverbot für neue Autos mit Verbrennungsmotor hat die EU die Weichen gestellt. Es ist wahrscheinlich, dass andere Märkte weltweit schon bald folgen werden. Doch von der Zielgeraden bis im Jahr 2035 sind wir weit entfernt. In den nächsten Jahren besteht weiterhin die Gefahr, dass der Markt für Elektromobilität angesichts anspruchsloser CO2-Zielwerte und zurückgehender Förderung zumindest zeitweise in sich selbst zusammenbricht.

Was wir dringend benötigen, ist eine nachhaltigere Form der Förderung von Elektroautos. Die derzeitige Förderung geht auf Kosten aller Steuerzahler, inklusive all derer, die sich selbst keinen Neuwagen leisten können oder wollen. Sinnvoller wäre ein Bonus-Malus-System: Die Käufer von Autos mit höheren CO2-Emissionen bzw. hohem Energieverbrauch finanzieren die Kaufprämie für Elektroautos.

Darüber hinaus müssen wir den Aspekt soziale Gerechtigkeit stärker in den Fokus rücken. Ziel sollte es sein, bezahlbare emissionsfreie Mobilität möglichst für alle anzubieten, auf dem Land genauso wie in der Stadt und für Gebrauchtwagen- genauso wie für Neuwagenkäufer. Nur so gelingt es, der Elektromobilität möglichst schnell und dauerhaft zu einem wirklichen Durchbruch zu verhelfen und Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor endgültig einen Platz im Museum zuzuweisen.

Zitiervorschlag: Peter Mock (2022). Die EU hat die Weichen auf Elektromobilität gestellt. Was heisst das. Die Volkswirtschaft, 24. Oktober.