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Kunststoffabfälle: Es braucht Regeln für den internationalen Handel

Die Kunststoffproduktion hat sich seit den 1950er-Jahren weltweit mehr als verdoppelt. Nun hat die UNO Verhandlungen über ein neues internationales Übereinkommen lanciert, das den Umweltschäden durch Kunststoffe ein Ende setzen soll.
Ein Mitarbeiter einer thailändischen PET-Recyclingfirma ausserhalb Bangkoks. (Bild: Keystone)

Im Gleichschritt mit der markanten Zunahme der Kunststoffproduktion in den letzten Jahrzehnten ist auch das Abfallvolumen gewachsen. Recycelt wurden hingegen lediglich 9 Prozent der 5,8 Milliarden Tonnen Plastikabfälle, die zwischen 1950 und 2015 anfielen. Der Rest wurde in Industrieanlagen oder im Freien verbrannt – häufig mit verheerenden Folgen für die Gesundheit der lokalen Bevölkerung – oder einfach in Meere, Flüsse oder Felder gekippt.[1] Die Auswirkungen dieser Praxis haben die UNO-Mitgliedsstaaten dazu bewogen, Verhandlungen über ein  rechtsverbindliches internationales Übereinkommen aufzunehmen. Dieses soll der Umweltverschmutzung durch Kunststoffe ein Ende setzen. In der heutigen, global verflochtenen Wirtschaft kommt dem Handel und der Handelspolitik allgemein eine Schlüsselrolle zu, diese Bemühungen zu unterstützen (siehe Kasten).

Handel mit Plastikabfällen

Viele Staaten exportieren Kunststoffabfälle, die sie im eigenen Land nicht verarbeiten können. Gemäss Schätzung der Environmental Investigation Agency, einer Nichtregierungsorganisation, stammen 87 Prozent der seit 1988 exportierten Plastikabfälle aus Mitgliedsländern der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD).[2] Mehr als zwei Drittel davon wurden in Entwicklungsländer exportiert. Oft mangelt es dort jedoch an Verarbeitungskapazitäten. Laut der neuen Datenbank der UNO-Konferenz für Handel und Entwicklung (Unctad) zum Kunststoffhandel nahmen die weltweiten Importe von Plastikabfällen ab 1995 explosionsartig zu, bevor zwischen 2010 und 2016 eine Stabilisierung bei 16 Millionen Tonnen folgte. Seitdem ist das Volumen auf 6,3 Millionen Tonnen im Jahr 2020 zurückgegangen. Das ist aber immer noch doppelt so viel wie 1995 (siehe Abbildung 1).

Abb. 1: Weltweite Importe von Kunststoffabfällen (1995–2020)

Quelle: Unctad-Datenbank zum Kunststoffhandel / Die Volkswirtschaft

 

Auch die Schweiz ist in diesem Bereich aktiv. Laut Daten der Unctad gehörte sie zwischen 1995 und 2020 mit insgesamt rund 1,8 Millionen Tonnen zu den 20 grössten Exporteuren von Kunststoffabfällen (siehe Abbildung 2). Das meiste wurde allerdings in die Europäische Union verfrachtet, hauptsächlich nach Deutschland. Die Exporte aus der Schweiz in Entwicklungsländer hingegen machten 2020 weniger als 1 Prozent ihrer Gesamtexporte aus. Zudem ist der Trend rückläufig. In den letzten zehn Jahren verringerte sich das Exportvolumen von 120’000 Tonnen im Jahr 2013 auf rund 28’000 Tonnen im Jahr 2020.

Abb. 2: Die 20 grössten Exporteure von Kunststoffabfällen (Total 1995–2020)

Quelle: Unctad-Datenbank zum Kunststoffhandel / Die Volkswirtschaft

Keine Kunststoffabfälle nach China

Angesichts dieser Abfallflut haben mehrere Staaten ihre Vorschriften verschärft. So hat China 2018 die Einfuhr bestimmter Kunststoffabfälle verboten. Dieser Entscheid ist hauptverantwortlich für den beobachteten Einbruch beim Kunststoffhandel im Jahr 2018. Da China zu den grössten Importeuren der Welt gehörte, wandten sich die Exporteure daraufhin an Länder wie Malaysia, Thailand, Hongkong, Vietnam, Taiwan, die Türkei oder Indien. Diese Länder waren jedoch häufig nicht auf so grosse Abfallmengen vorbereitet. Laut einer Studie der Weltbank aus dem Jahr 2021 dürften sich zum Beispiel die Recyclingkapazitäten von Malaysia, einem der grössten Importeure von Kunststoffabfällen, auf lediglich 45 Prozent seines eigenen Abfalls belaufen.[3] Als Reaktion darauf haben einige Länder ähnliche Verbote wie China erlassen, andere retournierten den Abfall an den Absender.

Die Auswirkungen des internationalen Handels mit Kunststoffabfällen haben die Staatengemeinschaft in den letzten Jahren dazu bewogen, international Massnahmen zu ergreifen. 2019 verabschiedeten die 187 Mitgliedsstaaten des Basler Übereinkommens über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle verschiedene Änderungen zu kontaminierten, gemischten und nicht recycelbaren Kunststoffabfällen: Exporte sind nur noch erlaubt, wenn die Abfälle recycelt oder umweltgerecht entsorgt werden können und nur wenn das Importland genügend informiert wird und vorgängig schriftlich zustimmt. Nur für Kunststoffabfälle, die praktisch keine Verunreinigungen enthalten (wie bestimmte einfache Polymere oder Polymermischungen) und recycelt werden, braucht es kein Zustimmungsverfahren.

Für Regierungen, die diese Änderungen umsetzen, ist es jedoch schwierig, festzustellen, ob solche Abfälle fast ausschliesslich aus einem einzigen Polymer bestehen oder fast keine Verunreinigungen enthalten. Die Zollbehörden der Importländer stellen ausserdem immer häufiger Fälle von Falschdeklarationen fest, die teilweise absichtlich erfolgen, um die Anforderungen des Übereinkommens zu umgehen. Auch Interpol, die internationale kriminalpolizeiliche Organisation, ist über die Zunahme des illegalen Handels beunruhigt. Laut einem aktuellen Bericht der Weltzollorganisation waren 88 Prozent der gemeldeten Beschlagnahmungen von Kunststoffabfällen für den asiatisch-pazifischen Raum bestimmt.

Ganzheitlicher Ansatz nötig

Relevant ist jedoch nicht nur der eigentliche Handel mit Kunststoffabfällen, sondern auch der Import von Kunststoffprodukten und -verpackungen. 2019 belief sich der Handel mit Kunststoffen weltweit auf über 1000 Milliarden Dollar, was rund 5 Prozent des gesamten Warenhandels entspricht. Diese Zahl liegt jedoch weit unter dem tatsächlichen Wert, denn in den offiziellen Statistiken sind weder die Millionen Tonnen Plastik berücksichtigt, die in Form von Verpackungen für Getränke, Lebensmittel oder Hygieneprodukte importiert werden, noch die Kunststoffe, die in anderen Produkten wie Elektronikgeräten oder Autos enthalten sind.

Der Entscheid vom Februar 2022, Verhandlungen über ein neues internationales Abkommen zur Eindämmung der Umweltschäden durch Kunststoffe aufzunehmen, anerkennt dies und unterstreicht die Wichtigkeit, einen umfassenden Ansatz zu entwickeln, der den gesamten Lebenszyklus von Kunststoffen einschliesst. Das Problem der Plastikverschmutzung kann nur mit einem Paradigmenwechsel bewältigt werden. Wesentlich dabei ist: die Produktion und den Verbrauch unnötiger oder schädlicher Kunststoffe zu reduzieren, das Produktdesign zu verbessern, vermehrt umweltverträgliche Ersatzprodukte zu verwenden, weitere Anstrengungen beim Abfallsammeln zu unternehmen und in den Aufbau von Kapazitäten zur Bewirtschaftung und zum Recycling von Kunststoffen zu investieren.[4]

 

  1. Tsakona M. und Rucevska I. (2020). []
  2. Environmental Investigation Agency (2021). []
  3. Weltbank (2021). []
  4. The Pew Charitable Trust und Systemiq (2020). []

Literaturverzeichnis

Bibliographie

Zitiervorschlag: Mahesh Sugathan, Carolyn Deere Birkbeck, Christophe Bellmann (2022). Kunststoffabfälle: Es braucht Regeln für den internationalen Handel. Die Volkswirtschaft, 12. Dezember.

Wie weit geht die internationale Zusammenarbeit beim Kunststoffhandel?

Über das Basler Übereinkommen hinaus sollte durch internationale Zusammenarbeit in der Handelspolitik die Koordination zwischen den Ländern in verschiedenen Bereichen verbessert werden. Dazu gehören Importverbote für Einwegplastikartikel, Mechanismen mit erweiterter Herstellerverantwortung, strengere Kennzeichnungsanforderungen oder die Förderung umweltverträglicherer Alternativprodukte. Wichtig wären auch transparentere Angaben zur Zusammensetzung von Kunststoffen beim Inverkehrbringen, damit die Behörden die Eigenschaften dieser Produkte einfacher bestimmen und den Handel regulieren können. Diskussionen über diese Fragen haben in der Welthandelsorganisation (WTO) im informellen Dialog über Umweltschäden durch Kunststoffe bereits stattgefunden. An dieser im November 2020 ins Leben gerufenen Initiative beteiligen sich 75 Mitglieder, mehrheitlich Entwicklungsländer, aber auch die Schweiz.

Aid for Trade, ein Programm unter der Federführung der WTO, spielt ebenfalls eine wichtige Rolle bei der Unterstützung armer Länder, die eine Infrastruktur für die Entsorgung von Kunststoffabfällen aufbauen. In Absprache mit den zuständigen internationalen Stellen sollen zudem für die Zollbeamten Instrumente bereitgestellt werden, mit denen sie illegale Abfallströme verfolgen und eindämmen können. Die Entwicklungsländer erwarten von dieser Initiative auch technische Unterstützung bei der Umsetzung der Änderungen des Basler Übereinkommens und anderer handelspolitischer Massnahmen.