Von den besten Tourismusdestinationen lernen
BAK Basel Economics führt im Rahmen des Projektes «Internationales Benchmarking-Programm für den Schweizer Tourismus» seit 1998 ein fortlaufendes internationales Benchmarking für den Schweizer Tourismus durch. Grundlegendes Ziel des Projektes besteht in der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Tourismuswirtschaft. Die Projektträgerschaft besteht aus dem Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) und kantonalen Vertretern aus den Schweizer Tourismusregionen Bern, Wallis, Graubünden und Waadt. Neben Erfolgsindikatoren (Performance) umfasst das Programm zahlreiche international vergleichbare Indikatoren zur Wettbewerbsfähigkeit, die durch mehr als 100 Kennzahlen abgebildet werden. Das Benchmarking vergleicht rund 200 alpine Destinationen aus dem europäischen Alpenraum. Zusätzlich zu den alpinen Destinationen werden – ebenfalls in einem internationalen Rahmen – alpine Regionen, Städte-Destinationen sowie Ausflugs-Destinationen abgedeckt. Somit sind alle für die Schweiz bedeutenden Tourismusformen berücksichtigt.
Benchmarking als Methode
Um das Ziel des Programms – die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit von Schweizer Destinationen – zu erreichen, wurde Benchmarking als Methode gewählt. Benchmarking ist ein systematischer und fortlaufender Messprozess mit dem Ziel, durch Vergleiche die Grundlagen zur Verbesserung der eigenen Strukturen zu schaffen. Benchmarking-Verfahren zielen darauf ab, von den Besten zu lernen. Es gilt, die besten bzw. erfolgreichsten Destinationen zu identifizieren und zu analysieren, um daraus Erkenntnisse zur Steigerung der eigenen Wettbewerbsfähigkeit zu gewinnen (Learning from the Best).Von Beginn an sollte das Benchmarking nicht als Einmal-Projekt, sondern als kontinuierliche Einrichtung konzipiert werden. Erst der laufende Vergleich mit den Besten bringt nachhaltig verwertbare Erkenntnisse. Benchmarking fördert so den Austausch von Wissen und Know-how – eine der wichtigsten Triebfedern von Innovation – sowie eine gesunde Kultur des Wettbewerbs, die das Wachstum nachhaltig beeinflusst. Die Methode zeigt ausserdem auf, wo die Zusammenarbeit gesucht werden muss, um die eigene Produktivität – wie auch jene der Partner – zu verbessern (siehe Kasten 1).
Destinationen als Wettbewerbseinheiten
Die internationale Konkurrenzanalyse geht davon aus, dass im alpinen Tourismus der Wettbewerb in erster Linie auf Ebene der Destinationen stattfindet. Die touristische Leistung setzt sich aus vielen Teilleistungen zusammen und ist entsprechend als Leistungsbündel zu bezeichnen. Teilleistungen sind dabei Erholungsanlagen, Museen, Landschaften, Anlässe, Infrastrukturen, Verpflegung, Beherbergung, Transport, Gästebetreuung und einige mehr.1 Ein Tourist konsumiert also ein Leistungsbündel, das in einem bestimmten Raum angeboten wird. Wenn er ein Reiseziel auswählt, so vergleicht er die Räume mit ihren Leistungsbündeln untereinander und wählt denjenigen aus, der seine Bedürfnisse am besten erfüllt. Entsprechend sind touristische Destinationen, die ein relativ ähnliches Leistungsbündel anbieten, die eigentlichen Wettbewerbseinheiten der alpinen Tourismuswirtschaft. Deshalb ist es für Benchmarking-Analysen im Tourismus unverzichtbar, die Destination als Untersuchungseinheit zu verwenden.
Fundierte empirische Analysen dank detailliertem Zahlenmaterial
Die grundlegende Voraussetzung für ein fundiertes internationales Benchmarking der Tourismuswirtschaft besteht in einem breiten statistischen Zahlenmaterial. Mit der Destination als Untersuchungseinheit ergeben sich für die Tourismusstatistik verschiedene Herausforderungen. Da die Destinationen weit mehr als nur Übernachtungen anbieten und daher aus vielen heterogenen Akteuren bestehen, sind – neben Beherbergungsstatistiken – auch eine Vielzahl an weiteren Kennzahlen erforderlich: beispielsweise Betriebs- und Volkszählungen, Bergbahn-Kennzahlen, Befragungsergebnisse, Kennzahlen zu den wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen oder Angaben zu anderen tourismusrelevanten Angeboten. Zudem handelt es sich bei Destinationen um relativ kleinräumige Gebilde, die nicht selten politisch-administrative Grenzen überschreiten. Die notwendige geografische Schärfe der Destinationsebene sowie das breite Spektrum der Querschnittsbranche Tourismus erfordert die Integration von Statistiken unterschiedlichster Art, um fundierte Erkenntnisse über den Erfolg und die Wettbewerbsfaktoren von Destinationen zu gewinnen. Im Folgenden werden einige Beispiele herausgegriffen und näher ausgeführt.
Der Erfolg von Destinationen
Welche Destinationen sind die Besten? Um diese Frage beantworten zu können, muss der Erfolg (Performance) von Destinationen untersucht werden. Die Performance von Destinationen wird grundsätzlich durch monetäre Daten der Produktion, Wertschöpfung und Beschäftigung gemessen. Durch seine Heterogenität im Leistungsbündel hat der Tourismus Auswirkungen auf eine Vielzahl von Branchen. Da der Tourismus in der Nomenklatur der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung nicht enthalten ist, extrahiert das Bundesamt für Statistik (BFS) die benötigten Informationen aus den tourismusbezogenen Komponenten verschiedenster Branchen und fasst diese in einem separaten Konto – dem sogenannten «Satellitenkonto Tourismus» – zusammen.2 Das Problem mit diesen vom BFS zur Verfügung gestellten monetären Daten ist allerdings, dass sie nur auf nationaler Ebene existieren und deshalb für eine Erfolgsmessung auf Destinationsebene nicht verwendet werden können. Auch auf internationaler Ebene ist Zahlenmaterial nur stark eingeschränkt vorhanden. Als Behelfsgrösse zur Messung des Erfolges von Destinationen hat BAK Basel Economics den sogenannten BAK TOPindex entwickelt. Diese Kennzahl setzt sich zusammen aus der Entwicklung der Marktanteile (Logiernächte), der Auslastung der Hotelbetten und der Ertragskraft einer Destination (durch die relativen Preise). Mit Hilfe des BAK TOPindex kann die Performance von Destinationen international verglichen und bewertet werden. Der Index wird nicht nur für das gesamte Tourismusjahr berechnet, sondern auch jeweils für die Winter- und Sommersaison.Die Verteilung der fünfzehn erfolgreichsten Destinationen über verschiedene Regionen und nationale Teilgebiete des europäischen Alpenraums zeigt auf, dass sich der Erfolg im alpinen Tourismus bei unterschiedlichen Voraussetzungen und Rahmenbedingungen einstellen kann (siehe Grafik 1). Die Aufteilung in Saisons zeigt zudem, ob eine Destination in beiden Saisons überdurchschnittlich erfolgreich ist oder ob sie sich eher auf den Winter oder Sommer spezialisiert hat. In der Grafik erkennt man, dass in der Wintersaison alle Destinationen über dem Durchschnitt des Alpenraums von 3,5 liegen. Am erfolgreichsten im Winterhalbjahr zeigen sich Serfaus-Fiss-Ladis und Tux-Finkenberg, deren Performance im Sommerhalbjahr jedoch unterdurchschnittlich ist. Bezogen auf das gesamte Tourismusjahr weist die Kärntner Destination Rennweg am Katschberg die beste Performance auf.
Wettbewerbsfaktoren – was führt zum Erfolg?
Der zweite Schritt der Benchmarking-Analyse besteht darin, die Ursachen von unterschiedlichen Entwicklungen der einzelnen Destinationen zu ergründen. Entscheidend für den Erfolg oder Misserfolg einer Destination ist deren Wettbewerbsfähigkeit. Die einzelnen Bestimmungsfaktoren der Wettbewerbsfähigkeit sind im Tourismus-Benchmarking-Programm von BAK Basel Economics in folgende Kategorien unterteilt: Beherbergungsangebot, Beherbergungsnachfrage, touristische Attraktivität sowie verschiedene volkswirtschaftliche Rahmenbedingungen, die für den Tourismus relevant sind.
Beherbergungssektor – mehr als Hotels
Das Beherbergungsangebot beschränkt sich nicht nur auf Hotelbetriebe. Auch die Parahotellerie (Pensionen, Appartements, Ferienwohnungen, Campingplätze, Jugendherbergen etc.) und Zweitwohnungen (nicht vermietet) sind in der Schweiz von grosser Bedeutung (siehe Grafik 2). Die Datenbeschaffung zur Hotellerie ist in der Schweiz dank der Beherbergungsstatistik des BFS (Hesta) einfach und detailliert möglich. Problematischer gestaltet sich die Datenbeschaffung bei den anderen Beherbergungsformen. Eine Ferienwohnungsstatistik, die in der Schweiz bis 2003 vorhanden war, existiert nicht mehr. Der Bestand an Zweitwohnungen muss – teilweise mit Hilfe von Volkszählungsdaten – geschätzt werden. Seit kurzem gibt es zusätzlich Bemühungen, solche Beherbergungsdaten zentral zu erfassen. Im Wallis beispielsweise werden unter anderem Parahotellerie- und Zweitwohnungsdaten im «Inventar des Tourismus im Wallis» zusammengetragen. Ein hoher Bettenanteil in Zweitwohnungen kann die Wettbewerbsfähigkeit negativ beeinflussen. Zu viele «kalte Betten» haben zur Folge, dass viele Häuser einen Grossteil des Jahres leer stehen. Das wirkt sich nicht nur negativ auf das Ortsbild aus; es führt auch zu hohen Infrastrukturkosten, da die Basisinfrastruktur auf die Hochsaison ausgerichtet werden muss. Während der Hochsaison kann es ausserdem zu Verdichtungsproblemen kommen. Vergleicht man Schweizer Regionen mit österreichischen, so fällt auf, dass der Anteil Zweitwohnungen am gesamten Beherbergungsangebot in der Schweiz relativ hoch ausfällt. Im Wallis beispielsweise ist lediglich jedes zehnte Gästebett in einem Hotel zu finden.
Mögliche Wettbewerbsvorteile durch Rahmenbedingungen
Rahmenbedingungen auf regionaler und nationaler Ebene haben einen wesentlichen Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit von touristischen Destinationen und Regionen, da sie den Bewegungsspielraum abstecken, in dem sich das Angebot bewegen kann. Im Tourismus-Benchmarking-Programm werden neben den wichtigsten Kostenfaktoren auch das Ausbildungsniveau, die Unternehmensbesteuerung, der Grad an Regulierung auf dem Arbeitsmarkt sowie die Erreichbarkeit berücksichtigt. Die Daten zu den verschiedenen Rahmenbedingungen werden der International Benchmarking Database (IBD) von BAK Basel Economics entnommen.Grafik 3 zeigt, dass der Schweizer Alpenraum hinsichtlich der Kostenfaktoren deutliche Wettbewerbsnachteile aufweist. Die Arbeits- und Vorleistungskosten liegen im österreichischen Alpenraum und im Durchschnitt des gesamten Alpenraums deutlich tiefer. Lediglich bei der Steuerbelastung – für die touristischen Leistungserbringer ebenfalls ein Kostenfaktor – hat der schweizerische gegenüber dem österreichischen Alpenraum Wettbewerbsvorteile. Das Ausbildungsniveau im Gastgewerbe ist in den verglichenen Alpenräumen hingegen relativ ähnlich. Bei der Erreichbarkeit und der Arbeitsmarktregulierung ist wiederum der Schweizer Alpenraum im Vorteil.
Attraktivität gleich Erfolg?
Auch die touristische Attraktivität des Angebots ausserhalb der Beherbergungsindustrie wird von BAK Basel Economics als Wettbewerbsfaktor berücksichtigt. Da es keine Statistik gibt, die auf diesem Gebiet international vergleichbare Daten zur Verfügung stellt, hat BAK Basel Economics einige Indikatoren entwickelt und notwendige Daten selbst erhoben. Der Indikator BAK Sommerattraktivität beispielsweise misst die Attraktivität des touristischen Angebotes einer alpinen Feriendestination im Sommer. Er basiert auf rund 100 Einzelindikatoren zum touristischen Sommerangebot und gliedert sich in die Bereiche «Sport&Adventure», «Wandern&Bergtouren», «Familie&Erlebnis», «Kultur&Events» und «Wellness&Genuss».Grafik 4 zeigt jene Destinationen, die im Sommer die beste Performance aufweisen (BAK TOPindex). Alle diese Destinationen – ausser Rennweg am Katschberg und dem Mieminger Plateau – weisen in der Sommersaison ebenfalls eine deutlich überdurchschnittliche touristische Attraktivität auf. Ihr Erfolg kann somit zumindest teilweise durch den Wettbewerbsfaktor touristische Attraktivität erklärt werden. Rennweg am Katschberg und das Mieminger Plateau sind zwar – gemessen an der BAK Sommerattraktivität – unterdurchschnittlich attraktiv, überzeugen allerdings durch andere Wettbewerbsfaktoren wie etwa einer hochwertigen Hotellerie und günstigen Voraussetzungen bei den Kostenfaktoren. Diese beiden Destinationen zeigen, dass der Erfolg nicht durch einzelne Faktoren bestimmt wird, sondern durch ein Zusammenspiel vieler Aspekte.
Fazit
Fundierte Benchmarking-Aktivitäten müssen auf einem breiten Spektrum an tourismusspezifischen, aber auch themenübergreifender Statistiken abgestützt sein. Die Beherbergungsstatistik ist dabei ein sehr nützliches Hilfsmittel. Aber erst die Verbindung mit anderen Kennzahlen wird der interdisziplinären Querschnittsbranche Tourismus gerecht.
Natalia Held
Economist, BAK Basel Economics
Christian Hunziker
Economist, BAK Basel Economics
1 Bieger, T. (2002): Management von Destinationen. 5. Auflage, München.
2 Vgl. Art. Baumann, Schiess auf S. 66ff dieser Ausgabe.
Der Benchmarking-Prozess im Tourismus
In der Konzeptionsphase gilt es, die Ziele der Untersuchung zu definieren sowie die Benchmarking-Partner und Kenngrössen zu identifizieren. Anschliessend werden die für die Analyse notwendigen Daten erhoben, um diese in der Analysephase zu vergleichen und auszuwerten. In dieser Phase werden die erfolgreichen Destinationen identifiziert und analysiert. Ziel der Analyse ist es, Performance-Unterschiede aufzuzeigen und die Gründe für unterschiedliche Entwicklungen zu erfassen.In der Phase der Kommunikation und Diskussion werden die Resultate der Untersuchungen den Leistungsträgern der Tourismuswirtschaft kommuniziert und mit ihnen diskutiert. Basierend auf den gewonnenen Benchmarking-Erkenntnissen werden dann geeignete Massnahmen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit implementiert. Der letzte Arbeitsschritt besteht in einem Controlling der eingeleiteten Massnahmen zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit. Die Veränderungen, welche auf die umgesetzten Massnahmen zurückgeführt werden können, sollen sichtbar gemacht und ausgewertet werden.Das Kernelement der Benchmarking-Analyse stellt der «BAK Destinations-Monitor» dar. Dabei handelt es sich um ein excelbasiertes Management-Informationstool, mit welchem umfangreiche, grafisch ansprechende internationale Benchmarking-Analysen ermöglicht werden. Das Tool beinhaltet eine Vielzahl an Analysenmöglichkeiten und eine Fülle von tourismusrelevanten Kenngrössen.
Proposition de citation: Held, Natalia; Hunziker, Christian (2009). Von den besten Tourismusdestinationen lernen. La Vie économique, 01. mars.