In der Schweiz arbeitet ein Drittel der erwerbstätigen Bevölkerung Teilzeit. Bei den Frauen beläuft sich die Teilzeitquote auf 61%, während sie bei den Männern nur 15% beträgt. Damit zählt die Schweiz in diesem Bereich zu den Ländern mit der grössten Kluft zwischen den Geschlechtern. Frauen mit Kindern gehen im Übrigen umso eher einer Teilzeitarbeit nach, je höher ihr Bildungsgrad ist.
1 BFS, 2014.
Zwar lassen sich Beruf und Familie im Rahmen einer Teilzeitbeschäftigung besser vereinbaren. Letztere bringt aber auch eine Reihe von Nachteilen mit sich – und zwar für Arbeitnehmende wie für Arbeitgeber. Teilzeitstellen werden nur selten ausgeschrieben. Die Initiative geht meistens von den Mitarbeitenden aus. Nur in seltenen Fällen sind leitende Positionen in Teilzeitarbeit möglich. Arbeitsstellenwechsel sind schwieriger, und eine durchgängige Präsenz am Arbeitsplatz ist kaum gewährleistet. Dies kann sich durchaus negativ auswirken, etwa wenn sich hoch qualifizierte Mitarbeiter mit unbefriedigenden Stellen ohne Aufstiegsaussichten begnügen müssen. Der hohe Anteil von Frauen in Teilzeitbeschäftigung kann zu neuen Formen der Diskriminierung zwischen Männern und Frauen führen. Übrigens gehört die Schweiz immer noch zu den Ländern Europas mit dem kleinsten Frauenanteil in wirtschaftlichen Schlüsselpositionen. So beträgt laut Schillingreport 2013 der Anteil der Frauen in den Geschäftsleitungen nur 6% und in den Verwaltungsräten lediglich 12%.
Ein vielversprechendes Arbeitsmodell
Da die Kompetenzen vieler Frauen brachliegen und immer mehr Männer Teilzeit arbeiten wollen, ist das Jobsharing, also die Teilung von Arbeitsstellen, eine echte Alternative zur Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigung. Weil sich dieses Arbeitsmodell in verschiedenen Phasen der Berufslaufbahn realisieren lässt, ist es sehr wirkungsvoll. Es spricht insbesondere folgende Gruppen der erwerbstätigen Bevölkerung an:
· junge Menschen, die in den Arbeitsmarkt eintreten;
· Frauen und Männer zwischen 25 und 50 Jahren, die der Kindererziehung oder anderen ausserberuflichen Aktivitäten mehr Zeit widmen möchten;
· Senioren, die in den Jahren vor der Rente oder nach Renteneintritt kürzertreten wollen, aber immer noch erwerbstätig bleiben möchten.
Das intergenerationelle Jobsharing bietet zudem die Möglichkeit, Wissen von erfahrenen Mitarbeitern auf Nachwuchskräfte zu transferieren. Ausserdem erleichtert es die Integration junger Menschen in den Arbeitsmarkt.
Jobsharing ist in 27% der Betriebe Realität
Der Verein Part Time Optimisation (PTO) hat sich entschieden, die praktische Umsetzung des Jobsharing im privaten und im öffentlichen Sektor der Schweiz zu untersuchen. Er beauftragte die Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW), eine landesweite Befragung
2 Siehe N. Amstutz und A. Jochem (2014): Teilzeitarbeit und Jobsharing in der Schweiz – Ergebnisbericht, FHNW, Untersuchung im Auftrag des Vereins PTO; verfügbar unter www.go-for-jobsharing.ch, Publikationen, Erhebung Jobsharing.
zu diesem Thema durchzuführen. Von den 2600 angeschriebenen Betrieben beantworteten ungefähr 400 den Fragebogen. Sie beschäftigen insgesamt 180 000 Mitarbeitende. Die Ergebnisse sind ermutigend: 27% der Arbeitgeber verfügen über Jobsharing-Positionen, von denen ein Viertel auf einer hohen Hierarchieebene angesiedelt sind. Die Verbreitung des Jobsharing ist in den drei Sprachregionen der Schweiz vergleichbar.
Auf Sektorebene ist das Jobsharing im Finanz- und Versicherungswesen, in der Maschinen- und Metallindustrie, im Detail- und Grosshandel sowie in der öffentlichen Verwaltung am stärksten verbreitet. Dagegen ist sein Potenzial in den Bereichen Logistik/Transport sowie in der «Übrige Industrie» noch kaum ausgeschöpft, obschon der Anteil der Teilzeitbeschäftigten in diesen Sektoren vergleichsweise hoch ist. Von den Betrieben ohne Jobsharing, die sich vorstellen können, das Thema in die Personalpolitik aufzunehmen, gehört ein Drittel den Industriebranchen an. Was die Geschlechterverteilung betrifft, setzen sich mit einem Anteil von 90% die allermeisten Jobsharing-Paare aus zwei Frauen zusammen. Es folgen Mann/Frau-Jobsharing-Paare mit einem Anteil von 8% und Mann/Mann-Jobsharing-Paare mit 2%.
Chancen und Herausforderungen
Mehr als zwei Drittel der Antwortenden haben erklärt, dass sie von der doppelten Kompetenz innerhalb einer Jobsharing-Stelle profitieren. Der gegenseitige Austausch der Stelleninhaber kann gerade in schwierigen Situationen produktiv sein, wenn Entscheidungen gemeinsam vorbereitet, getroffen und getragen werden. Für die Einführung des Jobsharing auf Kaderstufe wurden zwei Hauptgründe angeführt: die Motivation der qualifizierten Arbeitnehmenden und die Erhaltung des Wissens im Unternehmen. Das Arbeitsmodell und speziell auch das intergenerationelle Jobsharing stossen vor allem bei Personen mit familiären Betreuungsaufgaben und älteren Beschäftigten auf grosses Interesse. Zum einen fördert es den Wissenstransfer und erhalt im Betrieb. Und zum anderen steigert es nach Ansicht von rund 50% der befragten Betriebe ihre Attraktivität und ihr Markenimage als Arbeitgeber.
Viele Arbeitgeber ohne Jobsharing bekunden Schwierigkeiten, die Funktionen zu teilen. Laut Aussage der bereits über Jobsharing verfügenden Betriebe liegen die Herausforderungen vor allem in den höheren Informationskosten, dem grösseren Abstimmungsbedarf zwischen den Partnern sowie den erhöhten Fixkosten im Infrastrukturbereich. Zwei Faktoren relativieren indes die Mehrkosten, die der Informationsaustausch verursacht. So deuten erstens verschiedene Untersuchungen darauf hin, dass im Jobsharing arbeitende Beschäftigte produktiver sind. Und zweitens sinkt das Risiko, dass hoch qualifizierte Führungskräfte und insbesondere Frauen zu anderen Arbeitgebern mit interessanteren Karrieremöglichkeiten abwandern.
Mangelndes Wissen und grosser Informationsbedarf
Von den Betrieben ohne Jobsharing erklärten rund 70%, das Arbeitsmodell sei bei ihnen noch nicht eingeführt worden, weil die Beschäftigten keinen entsprechenden Antrag eingereicht hätten. Sowohl Mitarbeitende als auch externe Bewerber scheinen sich der Jobsharing-Option nicht bewusst zu sein oder sich nicht zu trauen, diese anzusprechen. Die Untersuchung hat gezeigt, dass in diesem Zusammenhang ein grosser Informationsbedarf besteht. Vermutlich bieten die Betriebe ihren Beschäftigten Jobsharing nur selten an. Die Personalverantwortlichen wissen mitunter nicht genug über das Thema. Dasselbe gilt für die direkten Vorgesetzten.
Die Ergebnisse der Befragung lassen darauf schliessen, dass die befragten Betriebe den Begriff «Jobsharing» zum Teil unterschiedlich verstehen. So wird Jobsharing zum Beispiel in einigen Fällen mit dem Timesharing verwechselt, bei dem es sich um eine Arbeitsteilung ohne Aufteilung gemeinsamer Aufgaben handelt. Ausserdem besitzen die meisten Grossunternehmen kein geeignetes System, um ihre Jobsharing-Stellen elektronisch zu erfassen. Beide Befunde lassen eine Verzerrung der Ergebnisse befürchten, die bei der Dateninterpretation berücksichtigt werden muss. Sie zeigen, dass Jobsharing in der Schweiz nur wenig systematisch praktiziert wird und die Debatte zum Thema noch in den Kinderschuhen steckt.
Um über die Vorteile und Herausforderungen des Jobsharing zu informieren, hat der vom Eidgenössischen Büro für Gleichstellung von Frau und Mann (EBG) finanzierte Verein PTO eine Website erstellt und einen Ratgeber verfasst (siehe Kasten 1). Der Verein bietet ausserdem Coaching-Dienstleistungen an, um die Schaffung von Jobsharing-Stellen in Unternehmen und Organisationen individuell zu unterstützen. Diese Massnahmen zielen auf mehr Chancengerechtigkeit und Flexibilität am Arbeitsmarkt. Immer mehr Beschäftigte aller Altersstufen interessieren sich für Jobsharing-Stellen. Betriebe, die dieser Nachfrage Rechnung tragen, setzen ein Zeichen zugunsten neuer und innovativer Arbeitsmodelle.
Dr. Irenka Krone-Germann Co-Direktorin des Vereins PTO (Part Time Optimisation)
Anne Aymone de Chambrier Co-Direktorin des Vereins PTO (Part Time Optimisation)
Prof. Dr. Nathalie Amstutz Professorin an der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW)
Informationsplattform und praktischer Ratgeber
Der Verein PTO hat es sich zum Ziel gesetzt, durch die Förderung alternativer Arbeitsformen einen besseren Berufsausgleich zu erreichen. Er hat die Website www.go-for-jobsharing.ch ins Leben gerufen, die sich sowohl an Arbeitnehmende als auch an Arbeitgeber richtet. Die Plattform bietet konkrete Praxisinformationen zum Thema Jobsharing, etwa in Bezug auf rechtliche Aspekte, organisatorische Modalitäten, die Suche von Jobsharing-Partnern, die Grundvoraussetzungen für die Arbeit im Duo und den Erfolg des Arbeitsmodells, die Auflösung von Jobsharing-Partnerschaften sowie die Unterstützung von Personalverantwortlichen. Zu finden sind dort ausserdem Testimonials mehrerer Jobsharing-Tandems aus verschiedenen Sektoren. Ihre Erfahrungen zeigen: Das Arbeitsmodell funktioniert sowohl in privaten als auch in öffentlichen Betrieben auf verschiedenen Hierarchieebenen. Auf der Website ist ausserdem ein Ratgeber mit dem Titel Jobsharing– zwei Kompetenzen zum Preis von einer verfügbar, der dieses Arbeitsmodell pragmatisch erläutert. Der Verein PTO verfügt über einen 15-köpfigen Beratungsausschuss. Die beiden Co-Direktorinnen des Vereins, Irenka Krone-Germann und Anne Aymone de Chambrier, arbeiten seit sieben Jahren im Jobsharing. Sie teilen sich die Stelle einer Programmverantwortlichen im Leistungsbereich Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung des Seco.
Jobsharing und Sharing Economy
Der Begriff «Jobsharing» beschreibt den Umstand, dass sich zwei oder mehr Mitarbeitende eine Vollzeitstelle mit voneinander abhängigen Aufgaben und gemeinsamer Verantwortlichkeit teilen. Diese alternative Arbeitsform weist verschiedene Parallelen zur Ökonomie des Teilens (Sharing Economy) auf, die seit Kurzem in verschiedenen Ländern Fuss fasst und die traditionellen Wirtschaftsregeln auf den Kopf stellt. Jobsharing und Sharing Economy haben in der Tat einiges gemeinsam: die gemeinsame Mittelnutzung, den sozialen Aspekt, eine nachhaltigere Nutzung von Humanressourcen, den Wissenstransfer und den intensiven Einsatz der Informationstechnologie. Die Entwicklung virtueller Plattformen, die auf alternative Produktions- und Konsumprozesse abzielen, spielt beim Jobsharing allerdings keine Rolle. Das Arbeitsmodell bietet aber die Möglichkeit, die Nutzung des Humankapitals schrittweise zu optimieren und den Wissenstransfer zu fördern. Siehe Irenka Krone-Germann: Le partage d’emploi, une autre dimension de l’économie collaborative», Revue Economique et Sociale, Lausanne, Juni 2014.
Proposition de citation: Krone-Germann, Irenka; de Chambrier, Anne Aymone; Amstutz, Nathalie (2014). Nationale Befragung und Informationsplattform zum Jobsharing in der Schweiz. La Vie économique, 01. juin.