Suche

Abo

Wie soll man die globalen Datenflüsse regulieren?

Für die zunehmenden Datenströme braucht es globale Regeln. Das internationale Handelsrecht muss dringend angepasst werden.

Wie soll man die globalen Datenflüsse regulieren?

Daten fliessen grenzüberschreitend. Reparatur eines Unterwasserkabels im Pazifik. (Bild: Alamy)

Digitaler Handel ist nichts Abstraktes, vielmehr ist er zu einem wesentlichen Bestandteil unseres Alltags geworden. Man denke nur an die zahlreichen Zalando-Pakete, die per Post zugestellt werden, oder die Musik, die wir via Spotify streamen, während wir im Zug sitzen. Der digitale Handel ist jedoch mehr als das: Über den Verkauf von Waren und Dienstleistungen hinaus umfasst er komplexere Transaktionen, bei welchen die Datenströme nicht zwingend mit einer bestimmten Ware oder Dienstleistung verbunden sind – so zum Beispiel bei finanziellen Dienstleistungen oder bei Fitnesstrackern, bei denen Daten hin- und hergesendet werden.

Datenströme beeinflussen nicht nur unseren Alltag, sondern haben den globalen Handel radikal verändert. Daten gelten als das neue «Öl»: Die moderne Wirtschaftstätigkeit, die Innovation und das Wachstum basieren zusehends auf Daten.[1] Aktuelle Studien zeigen, dass grenzüberschreitende Datenflüsse mehr ökonomischen Wert generieren als traditioneller Warenhandel. Diese Entwicklung ist bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass grenzüberschreitende Datenflüsse ein relativ junges Phänomen sind.[2] Datenflüsse erlauben zudem die Beteiligung von kleinen und mittleren Unternehmen, auch in Entwicklungsländern.

Handelspolitik gefordert


Entscheidend ist: Daten müssen grenzüberschreitend fliessen. Die Lieferung digitaler Produkte und Dienstleistungen, Cloud-Computing-Anwendungen, das Internet of Things oder künstliche Intelligenz funktionieren bei einem eingeschränkten grenzüberschreitenden Datenfluss nicht. Diese kritische Abhängigkeit verlangt von der Handelspolitik rasche und klare Lösungen. Solche zu finden, stellt jedoch eine grosse Herausforderung dar: Die Verwendung von Daten wirft Fragen auf betreffend die Balance zwischen der Kontrolle von Daten und dem Schutz der Privatsphäre und der nationalen Sicherheit. Darüber hinaus ergeben sich Zuständigkeitsprobleme, sobald Daten das Land verlassen und die Staaten sich nicht mehr in der Lage fühlen, einen angemessenen Schutz ihrer Bürger zu gewährleisten – wie beispielsweise wenn Facebook Daten von EU-Bürgern in den USA speichert.

Wie kann dieses Regulierungsdilemma behoben werden? Kann das internationale Handelsrecht dazu beitragen, Lösungen zu finden, welche die Interessen des souveränen Staates dergestalt in Einklang bringen, dass dieser sowohl datengesteuerte Innovationen ermöglichen als auch den Schutz seiner Bürger gewährleisten kann? Die Mitglieder der Welthandelsorganisation (WTO) haben frühzeitig erkannt, dass sich die digitalen Technologien auf alle Bereiche des Handels – Waren, Dienstleistungen und geistiges Eigentum – auswirken, und bereits 1998 das Arbeitsprogramm für elektronischen Handel lanciert. Diese Initiative blieb jedoch fruchtlos und mündete nicht in konkrete Ergebnisse oder Änderungen des WTO-Rechts. Ein marginaler Ausgleich für die veralteten Regeln erfolgte indes durch die Rechtsprechung des WTO-Streitschlichtungsgremiums und die Erweiterung des Information Technology Agreement (ITA) im Jahr 2015, das Nulltarife für eine Reihe von IT-Produkten vorschreibt. Angesichts des wachsenden digitalen Handels war dies aber bei Weitem nicht ausreichend.

Freihandelsabkommen regeln Datenflüsse


Weil auf multilateraler Ebene keine befriedigenden Lösungen gefunden werden konnten, griffen die Staaten auf bilaterale Freihandelsabkommen zurück, um bessere Bedingungen für den digitalen Handel zu schaffen und einige neue Handelshemmnisse wie die Datenlokalisierung zu beseitigen.

Seit dem Jahr 2000 wurden weltweit mehr als 300 Freihandelsabkommen bilateral und regional unterzeichnet, wobei sich immer mehr davon explizit mit dem digitalen Handel und insbesondere den grenzüberschreitenden Datenflüssen befassen. Welche Trends lassen sich in diesem neuen und dynamischen Feld des internationalen Wirtschaftsrechts beobachten? Erstens ist es offensichtlich, dass die USA ein Impulsgeber und Strippenzieher waren und die Entwicklung des Regelwerks für den digitalen Handel stark beeinflusst haben. Es wäre jedoch falsch, zu sagen, dass es die USA allein sind, die die Verbreitung solcher Regeln vorantreiben; Singapur, Australien und Japan waren ebenfalls wichtige Beteiligte – die Europäische Union hingegen war ein eher langsam vorgehender und bedächtiger Akteur.

Zweitens ist festzustellen, dass der Umfang der abgedeckten Fragen im Bereich des digitalen Handels zugenommen hat. Zudem scheint ein breiter Konsens darüber zu bestehen, dass Themen wie papierloser Handel, elektronische Verträge und Zahlungen wichtig sind und den digitalen Handel fördern können. Im Gegensatz dazu sind einige Fragen, wie etwa der Datenschutz, kontrovers, und die Positionen der Staaten, insbesondere diejenige der USA und der EU, können markant voneinander abweichen: Während in der EU Datenschutz den Wert eines Menschenrechts hat, sind die Datenschutzstandards in den USA tief und nur fragmentarisch geregelt.

Schlussendlich ist zu beachten, dass, obschon die Freihandelsabkommen für viele Probleme des digitalen Handels schnellere Lösungen geliefert haben, das allgemeine regulatorische Rahmenwerk bei Weitem nicht umfassend ist und daher möglicherweise nicht in der Lage ist, optimale Bedingungen für die Zukunft der datengesteuerten Wirtschaft zu schaffen.

Am diesjährigen Weltwirtschaftsforum in Davos haben 76 Staaten – darunter die USA, die EU-Mitgliedsstaaten, die Schweiz sowie China – ein starkes Zeichen dahin gehend gesetzt, dass sich dies ändern muss. Sie haben sich verpflichtet, unter der Schirmherrschaft der WTO konzertierte Anstrengungen hin zu einem neuen digitalen Handelsabkommen zu unternehmen. Dies ist eine begrüssenswerte Entwicklung, welche einen umfassenden und angemessenen Rahmen für den globalen digitalen Handel schaffen könnte. Während die WTO-Mitglieder damit beschäftigt sind zu verhandeln und der Inhalt sowie die Form des Abkommens noch offen sind, scheint zum ersten Mal die reale Chance zu bestehen, die globale digitale Agenda voranzubringen.

  1. «The Economist» (2017): The World’s Most Valuable Resource Is No Longer Oil, but Data, 6. Mai 2017. []
  2. J. Manyika et al. (2016): Digital Globalization: The New Era of Global Flows, McKinsey Global Institute. []

Zitiervorschlag: Mira Burri (2019). Wie soll man die globalen Datenflüsse regulieren. Die Volkswirtschaft, 18. Juli.