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Ist Globalisierung messbar?

Wachsen globalisierte Volkswirtschaften schneller? Schwächt die Globalisierung die Gewerkschaften? Führt sie zu mehr Ungleichheit? Um diese und andere wirtschaftspolitisch relevanten Fragen wissenschaftlich fundiert beantworten zu können, muss die Globalisierung gemessen werden. Sie ist weit mehr als nur die wirtschaftliche Verflechtung der Länder, sondern umfasst auch eine politische, kulturelle und soziale Komponente. Gemäss Auswertungen anhand des KOF-Globalisierungsindexes führt Globalisierung einerseits zu mehr Wirtschaftswachstum, verstärkt aber gleichzeitig auch die Ungleichheit der Einkommensverteilung.

Vereinfacht bezeichnet Globalisierung den weltweiten Austausch von Menschen, Informationen, Ideen, Kapital und Waren. Sie geht damit weit über die wirtschaftliche Globalisierung hinaus, mit welcher der Begriff häufig gleichgesetzt wird. Globalisierung ist ein Prozess, der die Landesgrenzen aushöhlt und Volkswirtschaften, Kulturen, Technologien und Gesetzgebung über Grenzen hinweg angleicht und integriert. Die Globalisierung produziert ein komplexes Geflecht von gegenseitigen transnationalen Abhängigkeiten. Ihre Auswirkungen sind Ursache vieler Kontroversen und werden von verschiedenen Akteuren höchst unterschiedlich bewertet. In den Augen der meisten Ökonomen erscheint ihr Nettoeffekt positiv, denn die Verlierer könnten aus den Gewinnen kompensiert werden. Die Quantifizierung der Globalisierung und ihrer einzelnen Dimensionen kann helfen, die Ursachen und Folgen der Globalisierung besser zu verstehen, den Prozess differenziert zu evaluieren und somit auch die Gewinner und Verlierer besser zu identifizieren.Die Globalisierung ist kein neues Phänomen. Als erste Welle der Globalisierung wird die Zeit ab Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1914 bezeichnet, in der es zu einer starken Ausweitung des internationalen Güterhandels sowie von Kapitalexporten und Migrationsströmen kam. Diese Periode wurde mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs beendet und von einer Phase des Protektionismus und Nationalismus abgelöst, welche in die Weltwirtschaftskrise mündete. Nach dem Zweiten Weltkrieg begann eine zweite Welle der Globalisierung, in der die internationale Verflechtung wieder zunahm. Der schrittweise Abbau von Handelsschranken führte zu einer massiven Ausweitung des Güterhandels. Hingegen blieb der Anstieg der Migrationsströme im Vergleich zur ersten Welle eher gering. Die Phase seit den 1980er-Jahren wird häufig als dritte Welle der Globalisierung bezeichnet, in der die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien viele Dienstleistungen handelbar gemacht haben und sich selbst ein Offshoring einzelner Aufgaben im Produktionsprozess herausgebildet hat.

Globalisierung messen


Die Globalisierung ist ein viel diskutiertes und schwer fassbares Phänomen. Man muss sie messbar machen, um ihre Ursachen und Konsequenzen genauer untersuchen zu können. Über das akademische Interesse hinausgehend, kann die Quantifizierung der Globalisierung helfen, wirtschaftspolitische Entscheidungen zu treffen und das Investitionsklima und die Wachstumspotenziale in Länderanalysen zu untersuchen. Lange Zeit hat man sich bei der Messung der Globalisierung auf die Analyse von Einzelindikatoren beschränkt. Ein weitverbreiteter Indikator für die Globalisierung war und ist die Handelsoffenheit gemessen als Summe aus Exporten und Importen eines Landes in Relation zum Bruttoinlandprodukt (BIP). Jedoch können strukturelle Faktoren der einzelnen Länder ein verzerrtes Bild des Globalisierungsgrades zeichnen. So haben kleinere Länder in der Regel eine grössere Handelsoffenheit als grössere Länder und grosse Umschlagplätze für Waren wie Singapur, Hongkong oder Panama kommen auf Offenheitswerte von über 100%. Analog zur Handelsoffenheit wird der Bestand an ausländischen Direktinvestitionen in Relation zum BIP oft als Mass für Globalisierung interpretiert.
Einen guten Überblick über Einzelindikatoren zur Messung von Globalisierung bietet die OECD (2005).Die Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich (KOF) misst viele dieser Dimensionen auf einer Skala von 1 bis 100, wobei höhere Werte eine stärkere Globalisierung bedeuten. Einige dieser Indizes – die Entwicklung der Handelsoffenheit, der ausländischen Direktinvestitionen in Relation zum BIP und des Anteils der Ausländer an der Bevölkerung – werden in Grafik 1 dargestellt. Während die Auslandsinvestitionen einen kontinuierlichen Aufwärtstrend über den gesamten Beobachtungszeitraum zeigen, ist der Aussenhandel starken Schwankungen unterworfen. Auch wenn in der Entwicklung der Handelsoffenheit die Zeiten globaler Rezession gut zu erkennen sind, lässt sich seit den 1990er-Jahren eine rapide Zunahme der Handelsströme feststellen. Der Indikator für Migration – der Anteil der Ausländer an der Bevölkerung – hat zwischen Mitte der 1970er- und Anfang der 1990er-Jahre zugenommen. Seitdem ist eine leicht fallende Tendenz zu beobachten.Aber nicht nur tatsächliche Bewegungen von Waren, Dienstleistungen und Kapital, sondern auch Barrieren für deren Austausch sind gebräuchliche Indikatoren für die Globalisierung. Beispiele sind Zölle, nichttarifäre Handelshemmnisse und Kapitalrestriktionen. Die Entwicklung der Zölle wird ebenfalls in Grafik 1 dargestellt, wobei höhere Werte auf der Skala von 1 bis 100 für geringere Handelsbarrieren stehen. Der Verlauf zeigt eine kontinuierliche Zunahme des Index bis zum Jahr 2005.Einzelindikatoren können ein komplexes Phänomen wie die Globalisierung nur unzureichend abbilden. Hinzu kommt der Einfluss der politischen und gesellschaftlichen Integration, der bei einer Reduktion auf die wirtschaftliche Komponente möglicherweise vernachlässigt wird. Globalisierungsindizes stellen eine geeignete Alternative zu der Analyse von Einzelindikatoren dar. Auf deren Basis kann empirisch getestet werden, ob und inwieweit die Globalisierung insgesamt die nationale Wirtschaftspolitik beeinflusst und wie sich dieser Einfluss in wirtschaftliche, soziale und politische Faktoren zerlegen lässt. Hierfür muss ein Index transparent und sowohl über die Zeit wie auch von Land zu Land vergleichbar sein.

Der KOF-Globalisierungsindex


Der KOF-Globalisierungsindex beruht in wesentlichen Teilen auf dem A. T. Kearney-Index (vgl. Kasten 1

Der A. T. Kearney-Index wurde im Jahr 2000 entwickelt und wurde bis 2007 regelmässig aktualisiert. Seitdem wird er nicht mehr berechnet. Der Index hat vier Kategorien: wirtschaftliche Integration, soziale Integration, technologische Vernetzung und globales politisches Engagement. Trotz der Berücksichtigung dieser Dimensionen ist der Index für wissenschaftliche Zwecke kaum zu gebrauchen. Er bezieht sich auf eine recht begrenzte Zahl von 72 Ländern und wurde nur für einige wenige Jahre berechnet. Ausserdem fehlen wichtige Komponenten der Globalisierung. Eine weitere Schwäche des Index ist, dass die verwendete Ad-hoc-Gewichtung der Einzelkomponenten die wirtschaftliche Dimension der Globalisierung begünstigt.

), erweitert diesen jedoch deutlich und macht ihn für wissenschaftliche Zwecke nutzbar. Er ist der am häufigsten in wissenschaftlichen Studien verwendete Globalisierungsindex. Im Vergleich zum A. T. Kearney-Index ist der KOF-Globalisierungsindex für einen wesentlich längeren Zeitraum (1970–2007) und für mehr Länder verfügbar (181). Er misst die wirtschaftliche, soziale und politische Dimension der Globalisierung und setzt sich aus 24 Variablen zusammen.Der KOF-Index misst die Globalisierung auf einer Skala von 1–100, wobei die Ausprägungen der zugrunde liegenden Variablen in Perzentile eingeteilt werden. Dadurch wird der Einfluss von extremen Datenpunkten reduziert, was zu geringeren Schwankungen über die Zeit führt. Kasten 2

Der KOF-Globalisierungsindex misst die wirtschaftliche, soziale und politische Dimension der Globalisierung. Alle Variablen werden so definiert, dass höhere Werte für eine stärkere Globalisierung stehen. Ausserdem wird jede der Variablen, die in den Index einfliesst, zu einem Index auf einer Skala von 1 bis 100 transformiert, wobei 100 der Höchstwert der jeweiligen Variable im gesamten Zeitraum von 1970 bis 2007 ist und 1 der niedrigste Wert. Die Variablen werden nach den Perzentilen der Originalverteilung transformiert, um den Einfluss von Ausreissern und fehlenden Beobachtungen zu reduzieren. Die Gewichte werden hierbei so bestimmt, dass die Variation der resultierenden Hauptkomponenten maximiert wird. Alle Variablen werden vorher linear interpoliert und fehlende Werte an den Rändern werden fortgeschrieben. Werte für den Index werden nicht ausgegeben, wenn 40% der zugrunde liegenden Daten nicht verfügbar sind oder mindestens zwei der drei Subindizes nicht berechnet werden können. Der Index ist frei im Internet verfügbar unter http://www.kof.ethz.ch/globalisation.

erläutert die Methodik, die der Konstruktion des Index zugrunde liegt. Der Index wurde erstmals 2002 veröffentlicht und wird seit 2005 jährlich von der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich aktualisiert. Die aktuell verfügbare Ausgabe ist von 2010. Aufgrund der Datenverfügbarkeit liegen die Datenreihen jedoch nur bis 2007 vor.Die wirtschaftliche Dimension des KOF-Index misst zum einen tatsächliche Handels- und Investitionsströme; zum anderen wird gemessen, inwieweit sich Länder durch Handelsschranken und Kapitalverkehrskontrollen nach aussen abschirmen. Die soziale Dimension der Globalisierung widerspiegelt den Grad der Verbreitung von Informationen und Ideen und wird mit Variablen wie dem Anteil der ausländischen Bevölkerung an der Gesamtbevölkerung oder der Zahl der Internetnutzer gemessen. Die politische Dimension zielt auf die Stärke der politischen Zusammenarbeit zwischen den Ländern ab und umfasst z.B. die Anzahl der Botschaften in einem Land oder die Mitgliedschaft in internationalen Organisationen.Grafik 2 zeigt die Entwicklung der weltweiten Globalisierung über die Zeit, gemessen am Durchschnitt der Länderindizes: Bezüglich jeder der drei Dimensionen ist die Globalisierung seit den 1970er-Jahren weltweit angestiegen. Einen Schub erlebte sie vor allem nach Ende des Kalten Krieges. Es zeigt sich, dass die soziale Globalisierung seit 2001 im weltweiten Durchschnitt stagniert, während sich die wirtschaftliche und politische Integration weiter fortgesetzt haben. Die politische Globalisierung war in den 1980er-Jahren sogar leicht rückläufig, hat jedoch nach dem Fall des Eisernen Vorhangs wieder an Fahrt gewonnen. Tabelle 1 gibt einen Überblick über die Entwicklung des Globalisierungsgrades ausgewählter Länder. Betrachtet man die aktuell verfügbaren Daten, ist Belgien mit einem Wert von fast 93 das am stärksten globalisierte Land der Welt, was vor allem der starken wirtschaftlichen und politischen Globalisierung des Landes geschuldet ist. Auf den Plätzen 2 und 3 folgen Österreich (92,5) und die Niederlande (91,9). Die Schweiz liegt mit 90,6 auf Position 4. Myanmar (20,7) ist hinter Kiribati (25,5) und den Solomon-Inseln (26,4) das am wenigsten globalisierte Land der Welt. Bei der wirtschaftlichen Globalisierung liegen Singapur, Irland und Luxemburg an der Spitze der Rangliste – allesamt kleinere offene Volkswirtschaften. Die geringste wirtschaftliche Globalisierung weisen Iran, Niger und Ruanda neben anderen afrikanischen Staaten wie Burundi und Äthiopien auf. Die Rangliste der sozialen Globalisierung führen die Schweiz, Österreich und Kanada an. Auf den letzten Rängen liegen Myanmar, die Demokratische Republik Kongo und Niger. Bei der politischen Globalisierung steht Frankreich an der Spitze, vor Italien und Belgien, während Territorien, Mikrostaaten oder Inseln wie die Insel Man, die Kanalinseln und Mayotte die Schlusslichter bilden.Grafik 3zeigt, wie sich die Globalisierung in den verschiedenen Einkommensgruppen entwickelt hat. Sie hat seit 1970 in allen Gruppen stark zugenommen, auch wenn sich der Globalisierungsgrad stark zwischen den Ländergruppen unterscheidet. OECD-Länder sind am stärksten globalisiert, und es zeigt sich, dass der durchschnittliche Globalisierungsgrad mit sinkendem Einkommen abnimmt. Während die Globalisierung bis in die 1990er-Jahre in den Ländern mit mittlerem und niedrigem Einkommen nur leicht zunahm, hat sie seitdem spürbar an Fahrt gewonnen. Allerdings sind die Auswirkungen der Wirtschafts- und Finanzkrise auf den Globalisierungsgrad der Länder unklar, da die Daten für 2008 und 2009 noch nicht vorliegen.

Auswirkungen der Globalisierung


Was bedeutet es, globalisiert zu sein? Führt höhere Globalisierung zu besseren volkswirtschaftlichen Ergebnissen? Ob und inwieweit die vorderen Ränge auf der KOF-Globalisierungsskala den hinteren vorzuziehen sind, bleibt a priori offen. Globalisierung wird oft mit steigender Armut und noch häufiger mit der Erosion von Sozialstandards in Verbindung gebracht. Durch die Anwendung des KOF-Globalisierungsindex ist es möglich, die Folgen der Globalisierung empirisch zu untersuchen und einen Beitrag zu der kontroversen Debatte darüber zu liefern. Eine Vielzahl von Studien hat die Auswirkungen von Globalisierung untersucht. Globalisierung kann demnach nicht pauschal als gut oder schlecht bezeichnet werden.
Vgl. Dreher, Gaston, Martens (2008). Eine Beurteilung ist stets abhängig von dem Untersuchungsgegenstand, der betrachteten Ländergruppe und Zeitperiode sowie den zugrundeliegenden Wertvorstellungen.Die Ergebnisse der mit dem KOF-Index durchgeführten Studien zeigen jedoch, dass der negative Einfluss der Globalisierung überschätzt wird. Eine empirische Untersuchung über die Globalisierung in den OECD-Ländern zeigt, dass die Steuern auf Kapital in Folge der Globalisierung nicht – wie oftmals behauptet – gesunken, sondern vielmehr gestiegen sind. Man findet also keinen empirischen Beleg dafür, dass die Globalisierung zu einer Abwärtsspirale (Race to the Bottom) in der Fiskalpolitik geführt hat. Betrachtet man die Zusammensetzung der nationalen Haushalte, so findet man Unterstützung für die Hypothese, dass die Sozialausgaben angestiegen sind, um die Verlierer der Globalisierung zu entschädigen. Länder mit einer stärkeren politischen Globalisierung haben höhere Sozialausgaben. Somit scheint sich die Globalisierung auf die Fiskalpolitik auszuwirken, auch wenn kein Effekt auf die Gesamthöhe des Budgets zu beobachten ist. Eine weitere Studie zeigt, dass die Globalisierung das Wirtschaftswachstum signifikant erhöht. Dieser Effekt geht im Wesentlichen auf die wirtschaftliche Globalisierung zurück. Soziale Globalisierung wirkt sich schwächer aus; ein Einfluss der politischen Globalisierung kann überhaupt nicht nachgewiesen werden.Weniger positiv sind jedoch die empirischen Ergebnisse hinsichtlich des Einflusses der Globalisierung auf die Ungleichheit der Einkommen. Während die theoretischen Vorhersagen nicht eindeutig sind, haben Untersuchungen mit dem KOF-Globalisierungsindex gezeigt, dass die Globalisierung die Schere zwischen Arm und Reich vergrössert hat. Empirische Untersuchungen bestätigen auch die Hypothese, dass die Globalisierung zu einem Mitgliederschwund bei den Gewerkschaften in den OECD-Ländern geführt und diese so geschwächt hat. Dieser Effekt ist besonders auf die wirtschaftliche und soziale Globalisierung zurückzuführen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass sich die soziale Integration auf die Verbreitung von Ideen, Informationen und Menschen bezieht. Für einige Autoren impliziert soziale Globalisierung sogar eine Amerikanisierung der Gesellschaft. Unabhängig davon, wie man diese Entwicklung bewerten mag, impliziert sie für viele entwickelte Länder, dass ihre Arbeitsmärkte weniger gewerkschaftlich geprägt sind und dass es eine Tendenz zu einer Dezentralisierung der Lohnverhandlungen gibt.Insgesamt scheint die Globalisierung den Entwicklungsländern aber mehr Vor- als Nachteile zu bringen. Nicht jene Länder, die sich geöffnet haben, zählen heute zu den ärmsten der Welt, sondern jene, in denen Bürgerkriege, Diktatoren, Korruption, ethnische Auseinandersetzungen und die Unterdrückung der Frauen den zivilisatorischen Prozess behindern – Länder, die sich der Globalisierung nicht gestellt haben oder nicht stellen konnten.

Fazit


Die Globalisierung ist für viele mit Chancen und Wohlstand, aber oft auch mit Ängsten – z.B. vor Arbeitsplatzverlust und Überfremdung – verbunden. Um wissenschaftlich zu untersuchen, wie sie sich auswirkt, muss sie gemessen werden. Die diskutierten Globalisierungsindizes haben auch Schwächen; besonders angreifbar sind die Auswahl der Variablen und ihre Gewichtung. Trotzdem sind Globalisierungsindizes die vielleicht geeignetste Methode, um die Globalisierung in ihrer Komplexität zu erfassen und ihre Ursachen und Folgen zu untersuchen.Empirische Studien, die den KOF-Globalisierungsindex verwenden, haben gezeigt, dass die Globalisierung nicht pauschal als gut oder schlecht betrachtet werden kann. So führt sie auf der einen Seite zu mehr Wachstum, verstärkt aber gleichzeitig auch die Ungleichheit der Einkommensverteilung. Sie hat grosse strukturelle Veränderungen in den Volkswirtschaften der Welt zur Folge. In den Augen der meisten Ökonomen erscheint der Nettoeffekt der Globalisierung positiv. Transferleistungen von den Gewinnern an die Verlierer der Globalisierung mögen zwar theoretisch möglich und wünschenswert sein, lassen sich aber schwer in die Praxis umsetzen. Die Quantifizierung der Globalisierung und ihrer Dimensionen kann zumindest helfen, die Ursachen und Folgen der Globalisierung besser zu verstehen und somit auch ihre Gewinner und Verlierer besser zu identifizieren.

Grafik 1: «Indikatoren der Globalisierung, 1970–2007»

Grafik 2: «KOF-Globalisierungsindex und seine Subkomponenten, 1970–2007»

Grafik 3: «KOF-Globalisierungsindex nach Ländergruppen, 1970–2007»

Tabelle 1: «2010 KOF-Globalisierungsindex für ausgewählte Länder, 1970–2007»

Kasten 1: Der A. T. Kearney-Index

Der A. T. Kearney-Index wurde im Jahr 2000 entwickelt und wurde bis 2007 regelmässig aktualisiert. Seitdem wird er nicht mehr berechnet. Der Index hat vier Kategorien: wirtschaftliche Integration, soziale Integration, technologische Vernetzung und globales politisches Engagement. Trotz der Berücksichtigung dieser Dimensionen ist der Index für wissenschaftliche Zwecke kaum zu gebrauchen. Er bezieht sich auf eine recht begrenzte Zahl von 72 Ländern und wurde nur für einige wenige Jahre berechnet. Ausserdem fehlen wichtige Komponenten der Globalisierung. Eine weitere Schwäche des Index ist, dass die verwendete Ad-hoc-Gewichtung der Einzelkomponenten die wirtschaftliche Dimension der Globalisierung begünstigt.

Kasten 2: Methodische Anmerkungen zum 2010 KOF-Globalisierungsindex

Der KOF-Globalisierungsindex misst die wirtschaftliche, soziale und politische Dimension der Globalisierung. Alle Variablen werden so definiert, dass höhere Werte für eine stärkere Globalisierung stehen. Ausserdem wird jede der Variablen, die in den Index einfliesst, zu einem Index auf einer Skala von 1 bis 100 transformiert, wobei 100 der Höchstwert der jeweiligen Variable im gesamten Zeitraum von 1970 bis 2007 ist und 1 der niedrigste Wert. Die Variablen werden nach den Perzentilen der Originalverteilung transformiert, um den Einfluss von Ausreissern und fehlenden Beobachtungen zu reduzieren. Die Gewichte werden hierbei so bestimmt, dass die Variation der resultierenden Hauptkomponenten maximiert wird. Alle Variablen werden vorher linear interpoliert und fehlende Werte an den Rändern werden fortgeschrieben. Werte für den Index werden nicht ausgegeben, wenn 40% der zugrunde liegenden Daten nicht verfügbar sind oder mindestens zwei der drei Subindizes nicht berechnet werden können. Der Index ist frei im Internet verfügbar unter http://www.kof.ethz.ch/globalisation.

Kasten 3: Literatur

– Arribas, I., Perez, F. und Tortosa-Ausina, E. (2009), Measuring Globalization of International Trade: Theory and Evidence, World Development 37(1), S. 127–145.– A.T. Kearney / Foreign Policy (2002, 2007), Globalization Index. Washington, D.C.: Carnegie Endowment for International Peace.– Dreher, A., Gaston, N. und Martens, P. (2008), Measuring Globalisation – Gauging its Consequences, Springer.– Heshmati, A. (2006), Measurement of a Multidimensional Index of Globalization, Global Economy Journal 6(2), Article 1.– OECD (2005), Measuring Globalisation: OECD Handbook on Economic Globalisation Indicators, OECD, Paris.

Zitiervorschlag: Axel Dreher, Andreas Fuchs, (2010). Ist Globalisierung messbar. Die Volkswirtschaft, 01. Oktober.