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Reform des Postsektors in der Schweiz: Eine Standortbestimmung

Im Dezember 2010 haben die eidgenössischen Räte die neue Postgesetzgebung verabschiedet. Die vorliegenden Überlegungen stellen diese Reform in den Kontext der aktuellen Entwicklungen und Herausforderungen im Postsektor. Dabei wird aufgezeigt, in welchem Spannungsfeld sich die Postgesetzgebung befindet und welche Zielkonflikte sich dahinter verbergen. Heute prägen drei langfristig zentrale Trends den Postsektor: Liberalisierung, Globalisierung und Digitalisierung. Sie sind Anlass für die Totalrevision der Postgesetzgebung. Dadurch wird die bisherige Sonderstellung der Post relativiert; gleichwohl bleibt sie als Grundversorgerin im Besitz des Bundes auch künftig ein Unternehmen, das vielfältigen politischen Ansprüchen gerecht werden muss.

Der Postsektor sieht sich heute mit unterschiedlichen Herausforderungen konfrontiert. Einerseits wird die EU den Postsektor bis zum Jahr 2013 vollständig liberalisiert haben. Die Schweiz wird sich diesem Trend langfristig kaum entziehen können. Entsprechend gilt es, die Voraussetzungen für fairen Wettbewerb und eine finanzierbare Grundversorgung zu schaffen. Andererseits führt die Globalisierung zunehmend zum Verschwinden der bisherigen nationalen Grenzen der Märkte im Postsektor. Im integrierten Markt Europas werden sich die schweizerischen Postunternehmen – allen voran die Schweizerische Post – verstärkt gegen Grosskonzerne wie die deutsche Post (DPWN/DHL), die französische Post (DPD), Royal Mail (GLS), TNT, UPS oder FedEx zu behaupten haben. Die Gesetzgebung in den einzelnen Ländern bestimmt, wie stark sich eine Postgesellschaft in diesem Wettbewerb entwickeln kann. Die traditionellen physischen Post- und Zahlungsverkehrsdienste werden in vielen Bereichen durch neue elektronische Alternativen wie E-Mail, SMS, E-Banking, Social Media und andere Internetplattformen ersetzt.Diese E-Substitution zeigt sich erstens darin, dass die Post heute pro Einwohner rund 30% weniger Einzahlungen in Poststellen abwickelt und pro Einwohner 25% weniger adressierte Briefe pro Jahr verarbeitet als noch im Jahr 2000.
Eigene Berechnungen gestützt auf Haushaltsdaten des BFS und Verkehrsmengen der Post. Der ganze Postsektor ist damit unabhängig von der Frage der Marktöffnung einem zunehmenden Wettbewerb ausgesetzt. Zweitens führt die Digitalisierung zu einer Konvergenz von vormals unabhängigen Märkten. Waren früher die Post- und Telekommunikationsmärkte klar getrennt, ist es heute unklar, welchem Markt Neuerungen wie die digitale Unterschrift zugeordnet werden sollen. Eine zunehmende Angleichung findet auch im Bereich der Zahlungsverkehrssysteme statt, indem Telekommunikationsfirmen vermehrt Zahlungsverkehrsdienstleistungen anbieten und Internetplattformen wie Facebook eigene Währungen schaffen. Der Postsektor wird somit stets dynamischer, internationaler und durch technologische Neuerungen geprägt. Es findet zudem eine Konvergenz zwischen dem traditionellen Postmarkt und den Logistik-, Kommunikations- und Finanzmärkten statt (siehe Grafik 1).Der unternehmerische Erfolg etablierter Postgesellschaften und die Eigenwirtschaftlichkeit der postalischen Grundversorgung sind keine Selbstverständlichkeit. Mit Blick auf die Schweizerische Post wird sich verstärkt die Frage stellen, wie diese künftig mit rückläufigen Sendungsmengen die Kosten für Infrastruktur und hohe Fixkosten der Briefzustellung finanzieren soll. Die Herausforderungen für die Post sind allerdings weder unternehmensspezifisch, noch stellen sie einen «Sonderfall Schweiz» dar. Viele private Unternehmen sind in derselben Situation. Deren wirtschaftliches Umfeld verändert sich laufend, entsprechend sind sie gefordert, sich stets den neuen Gegebenheiten anzupassen. Dies bedingt entsprechende Freiheiten und Möglichkeiten zur Weiterentwicklung.Die bisherige – einseitig auf die Post ausgerichtete – Postgesetzgebung besteht aus Postgesetz (PG) und Postorganisationsgesetz (POG). Sie soll neu geordnet, und die politischen Zielsetzungen des Postsektors innerhalb dieser beiden Erlasse kohärent umgesetzt werden. Der Gesetzgeber verfolgt im Postsektor Ziele indrei unterschiedlichen Bereichen: Erstens Marktziele – wie beispielsweise die Schaffung eines funktionsfähigen Marktes unter Sicherstellung gewisser Standards bei den Arbeitsbedingungen. Zweitens Versorgungsziele – zum Beispiel die Sicherstellung der Grundversorgung mit Post- und Zahlungsverkehrsdienstleistungen. Und drittens die Eignerziele für die Post, die sich zu 100% im Eigentum des Bundes befindet. Die Umsetzung dieser drei Zielbereiche in der Gesetzgebung bestimmt den unternehmerischen Handlungsspielraum der Akteure. Sie sind in der Gesetzgebung kohärent zu gestalten. Ebenfalls sind die Abhängigkeiten und Zielkonflikte zwischen den Zielbereichen zu entscheiden und aufzulösen.

Anforderungen an eine kohärente Postgesetzgebung


Die Umsetzung der Markt- und Versorgungsziele ist im sektoriellen Gesetz zu regeln, da sie die gesamte Branche betreffen. Im Falle des Postsektors betrifft dies das Postgesetz. Sofern die Versorgungsziele am effizientesten nur durch einen Anbieter erbracht werden können, sind die Markt- und die entsprechenden Versorgungsziele klar zu trennen. In den Marktteil gehören diejenigen Vorgaben, welche für alle Anbieter in derselben Weise gelten sollen – wie beispielsweise Interkonnektionsfragen oder Auflagen im Bereich der Arbeitsbedingungen. Im Versorgungsteil sind diejenigen politisch vorgegebenen Versorgungsziele zu regeln, welche von den Marktteilnehmern nicht spontan erbracht werden. Solche Auflagen werden aus Effizienzgründen in den meisten Fällen nur einem Anbieter aufgebürdet und sollten so ausgestaltet werden, dass sie die angebotene Dienstleistung, nicht aber den Betrieb gewachsener Strukturen im Auge haben: Output-Orientierung statt Input-Orientierung. Die Erbringung der Grundversorgung bildet ein typisches Beispiel im Postsektor. Die damit verbundenen Auflagen und Privilegien können insgesamt oder in Teilen ausgeschrieben werden. Wer die geringste Abgeltung verlangt, erhält den Zuschlag. Falls die wettbewerblichen Voraussetzungen dafür nicht ausreichend gegen sind,
Siehe Calzada et al. 2010. kann die Grundversorgung direkt einem Unternehmen zugewiesen werden. Dabei ist sicherzustellen, dass das betroffene Unternehmen nicht schlechter gestellt wird als ohne eine solche Verpflichtung. Die Umsetzung eines entsprechenden Abgeltungsmechanismus ist anspruchsvoll und führt schnell zu einer Über- oder Unterkompensation.
Siehe Jaag und Trinkner, 2011. Im sektoriellen Gesetz ist schliesslich zu entscheiden, ob die Markt- oder die Versorgungsziele stärker gewichtet werden sollen («Markt- oder Versorgungsgesetz?»). Bei Netzindustrien liegt es nahe, dass der Markt nicht Selbstzweck ist, sondern Mittel zur effizienten Sicherstellung der Versorgungsziele. Die Marktregeln sind so festzulegen, dass sie primär die Versorgungsziele unterstützen, statt sie zu konkurrieren. Im Postsektor ist somit die Problematik eines allfälligen ineffizienten Rosinenpickens zu lösen. Wo der Staat als Eigentümer engagiert ist, sind dessen Eignerziele möglichst konsequent und durchgängig von den Versorgungs- und Marktzielen zu trennen. Im Postsektor heisst dies, dass der Bund der Post unternehmerische Ziele setzt, welche auf den langfristigen Erfolg am Markt ausgerichtet sind. Gleichzeitig ist die Eignerpolitik so auszugestalten, dass ein wirksamer Riegel zwischen Politik und Unternehmensführung geschoben wird. Mit einer Gesetzgebung nach diesen Grundsätzen werden die politischen Zielkonflikte bereits im Parlament aufgelöst. Die Akteure im Markt erhalten einen stabilen, weitgehend entpolitisierten Rahmen, welcher die nötige Planungs- und Investitionssicherheit gewährleistet und die Kraft des Wettbewerbs in die gewünschte Richtung lenkt.Grafik 2 illustriert den Ansatz und das Zusammenspiel der verschiedenen Zielsetzungen anhand des Postsektors. In den beiden Regelungskreisen «Markt» und «Versorgung» werden zudem die wesentlichen Elemente dargestellt, welche in den sektoriellen Erlassen zu regeln sind.

Wichtigste Änderungen der neuen Postgesetzgebung


Die Totalrevision der Postgesetzgebung in der Schweiz ist die politische Antwort auf die Liberalisierung, Globalisierung und Digitalisierung. Mit Blick auf die Liberalisierung wurde die Ausrichtung der bisherigen Gesetze fundamental geändert. Beim totalrevidierten Postgesetz (PG) handelt es sich um ein grundsätzlich symmetrisches, modernes Marktgesetz für alle Postanbieter, das in einem separaten Teil die Grundversorgung definiert, der Post zuweist und die Finanzierung regelt. Im Marktteil wird der Geltungsbereich konsequent auf alle adressierten Sendungen im Brief- und Logistikmarkt ausgedehnt. Für Anbieter von Expressdiensten bedeutet dies, dass auch sie neu die Auflagen im Rahmen der Meldepflicht einzuhalten haben.
Beispielsweise branchenübliche Arbeitsbedingungen und Informationspflichten gegenüber der Regulierungsbehörde. Im Gegenzug erhalten sie Zugang zu Postfächern und Adressänderungsdaten der Post bzw. aller Anbieter von Postdiensten.Im Grundversorgungsteil des neuen Gesetzes wurden die bisherigen «Universaldienst»-Vorgaben als «Grundversorgung»-Vorgaben fortgeführt. Diese nicht unwichtige sprachliche Anpassung geht einher mit einer neu aufgenommen Differenzierung der Grundversorgungsauflagen nach Märkten, Kundensegmenten und Technologien (Siehe Kasten 1

Neue Differenzierung der Grundversorgungsauflagen nach Märkten, Kundensegmenten und Technologien


Erstens trennt das neue Postgesetz konsequent zwischen den Vorgaben im Post- und Zahlungsverkehr und regelt sie mit unterschiedlicher Aufsicht (PostCom bei Postdiensten, UVEK bzw. Finma beim Zahlungsverkehr) und unterschiedlichen Vorgaben bezüglich der Flächendeckung. Die neue Regelung erlaubt grundsätzlich eine effizientere Ausgestaltung des Annahmenetzes der Post. Zweitens wird in der postalischen Grundversorgung die bisherige Differenzierung nach Monopol/nicht Monopol durch eine implizite, durchgehende Differenzierung nach Klein- und Grosskunden ersetzt. Kleinkunden werden neu unabhängig vom Umfang der reservierten Dienste stärker geschützt, indem die Vorgaben zu Qualität und Preisen auf die nicht reservierten Dienste ausgedehnt werden. Für Grosskunden kann die Post massgeschneiderte Lösungen entwickeln, wobei im Bereich des Restmonopols die Preise reguliert bleiben. Damit werden diejenigen Kunden, welche im Postsektor voraussichtlich kaum von Wettbewerb begünstigt werden, durch die Grundversorgung geschützt, während die Post bei den Geschäftskunden die nötigen unternehmerischen Freiheiten zur Weiterentwicklung ihres Angebots erhält. Drittens ist die Grundversorgung technologieneutraler formuliert. Welche konkreten Möglichkeiten für die Post bei der Annahme und Zustellung sowie im Zahlungsverkehr bestehen werden, wird die neue Verordnung zum PG entscheiden. Demgegenüber hat der Gesetzgeber an einigen Input-orientierten Ansätzen festgehalten. Beispiele sind der Regionalauftrag, nach dem die Post in ihrer Organisation den Anliegen der Regionen Rechnung tragen soll, oder die Vorgabe der Erreichbarkeit von «Poststellen und Postagenturen». Ebenfalls bestätigt hat der Gesetzgeber das Konstrukt der indirekten Presseförderung durch eine Ermässigung der Posttaxen. Angesichts der zunehmenden digitalen Verbreitung von Pressetiteln (auch hier findet eine Konvergenz der Märkte statt) ist es fraglich, ob eine direkte Förderung der Presse nicht der effektivere Weg gewesen wäre.

). Die Finanzierung der Grundversorgung ist durch die Post im Wesentlichen mit deren eigenen Mitteln zu leisten. Hierfür werden der Post vorläufig weiterhin «reservierte Dienste» gewährt, also ein Monopol für Briefe bis 50 Gramm, dessen Anteil am Umsatz der Post unter 20% liegt und mit dessen Erträgen die Dienstleistungen ausserhalb der Grundversorgung nicht verbilligt werden dürfen. Hingegen wurde auf die Beibehaltung eines Finanzierungsfonds vorerst verzichtet. Der Bundesrat wird verpflichtet, dem Parlament spätestens drei Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes einen Bericht mit Vorschlägen über das weitere Vorgehen in der Liberalisierungsfrage zu unterbreiten. Im vollständig revidierten Postorganisationsgesetz (POG) erhält die Post moderne «organisatorische» Vorgaben, die sich an diejenigen privater Akteure anlehnen. Die Post wird von der heutigen Anstalt in eine spezialgesetzliche AG umgewandelt und privaten Unternehmen weitgehend gleichgestellt. Hier werden Staatsgarantie, Versicherungs- und Steuerprivilegien sowie die Anbindung ans Bundespersonalgesetz abgeschafft. Wie die übrigen Postdienstanbieter wird die Post verpflichtet, Verhandlungen über einen Gesamtarbeitsvertrag (GAV) zu führen. Der Auftrag, in ihrer Organisation den Anliegen der Regionen Rechnung zu tragen, wird neu im Rahmen der Grundversorgung vorgegeben. PostFinance verliert ihren Sonderstatus und wird von der Finma nach gleichen Massstäben wie andere Finanzdienstleister beaufsichtigt. Das Tätigkeitsfeld der Post wird nicht mehr durch die Grundversorgung und deren Finanzierung im PG bestimmt, sondern im Zweckartikel des neuen POG klar definiert. Die Post erhält damit eine stabile Rechtsgrundlage, um in den konvergierenden Post-, Kommunikations-, Logistik-, und Finanzmärkten tätig zu sein. Verwehrt wird ihr allerdings weiterhin das Kredit- und Hypothekargeschäft in eigenem Namen. Durch die Umwandlung in eine AG besteht die Möglichkeit, der Post bei Bedarf die vertiefte Zusammenarbeit mit Partnerunternehmen zu ermöglichen bzw. diese zu vereinfachen (vgl. Kasten 2

Postreformen im Ausland


Posten Norden: Flexibilität und Synergien

Schweden bietet ein anschauliches Beispiel wie Postunternehmen durch eine Anpassung des rechtlichen Rahmens auf verändertes Konsumentenverhalten reagieren können. 1994 wurde die Schwedische Post in eine staatliche Aktiengesellschaft umgewandelt. Die verbliebenen 1800 Poststellen wurden ab 2003 durch mehr als doppelt so viele Zugangspunkte in Kiosken, Tankstellen oder Lebensmittelgeschäften ersetzt. Im Sommer 2009 fusionierte die schwedische mit der dänischen Post zur Posten Norden. Gemeinsam können die Unternehmen Synergien nutzen und sind heute der grösste Postanbieter Skandinaviens.

Post.at: Erschliessung von Nischenmärkten

Die Österreichische Post wurde im Jahr 1999 in eine AG überführt, an welcher der Österreichische Staat noch 51% hält. Die Liberalisierung des Briefmarktes wurde im Januar 2011 vollzogen. Auch nach Privatisierung und Börsengang bekennt sich die österreichische Post zu einem flächendeckenden Universaldienst mit hoher Qualität. Sie entwickelt neue elektronische Dienstleistungen; der physische Brief tritt langsam in den Hintergrund. Seit 2001 setzt die Österreichische Post neben der Optimierung und Erweiterung des Kerngeschäfts in Österreich auf eine gezielte Expansion in benachbarte Länder. Der Fokus liegt auf der Erschliessung jener Märkte, mit denen Österreich enge Handelsbeziehungen hat. Das stärkt die Tätigkeit der Österreichischen Post im Heimmarkt.

). Die Post wird weiterhin über die strategischen Ziele des Bundesrates geführt werden.

Fazit


Die neue Postgesetzgebung relativiert die bisherige Sonderstellung der Post. Gleichwohl bleibt die Post als Grundversorgerin im Eigentum des Bundes auch künftig ein Unternehmen, das vielfältigen politischen Ansprüchen gerecht werden muss. Aufgrund dieser Rolle wird sie in den Märkten, in denen sie tätig ist, weiterhin besonders positioniert sein. Die grundsätzliche wirtschaftspolitische Herausforderung bleibt allerdings bestehen: Den Grundversorgungsauftrag, welcher aus Effizienzgründen asymmetrisch ausgestaltet ist, mit möglichst symmetrischen Wettbewerbsbedingungen («level playing field») für alle Marktteilnehmer in Einklang zu bringen. Solange es diese widersprüchlichen Erwartungen an den Postsektor gibt, wird es auch in der Konsistenz der Marktordnung immer Kompromisse geben. Die neue Postgesetzgebung stellt einen solchen dar und ist grundsätzlich kohärent.Dennoch verbleiben insbesondere bezüglich der Zukunftsfähigkeit der neuen Ordnung gewisse Fragezeichen. Inwieweit es der Post politisch erlaubt ist und gelingt, sich unternehmerisch weiter zu entwickeln, wird von der Konkretisierung der Gesetze auf Verordnungsstufe und deren praktischen Umsetzung abhängen. Dabei dürften die folgenden vier Aspekte zentral sein:1. Trotz der vorgestellten Verbesserungen bleibt die Definition der Grundversorgung im Grundsatz auf den Status quo ausgerichtet. Es wurde im Rahmen der Postreform bisher die Möglichkeit verpasst, aktuelle und tatsächliche Kundenbedürfnisse zu ermitteln und im Gesetz abzubilden. Das Postgesetz lässt allerdings einen gewissen Spielraum zur Flexibilisierung und schrittweisen Anpassung der entsprechenden Vorgaben offen.2. Die Post bleibt für die Finanzierung der Grundversorgung bis auf Weiteres auf sich alleine gestellt. Wie lange das rechtliche «Monopol» angesichts der weiter fortschreitenden E-Substitution noch als Finanzierungsquelle ausreicht, ist offen. Das bedingt, dass das Zusammenspiel von Marktregeln, politischen Auflagen und insbesondere der Preisregulierung reibungslos funktioniert. Dazu bietet eine entsprechende Konkretisierung in der Verordnung zum Postgesetz eine grosse Chance.3. Bei der Ausgestaltung der indirekten Presseförderung ist ein Modell zu finden, welches verhindert, dass wie bisher die vom Uvek festgelegten Ermässigungen an die förderberechtigen Pressetitel und die hierfür der Post überwiesenen Mittel auseinanderklaffen.4. Das gesetzlich vorgesehene Tätigkeitsgebiet der Post ist konsequent dahingehend auszulegen, dass die Post ihre Dienstleistungspalette auf die Konvergenz und Dynamik in den Kommunikations-, Logistik- und Finanzmärkten ausrichten kann.Gelingt es, diese Aspekte bei der Umsetzung der aktuellen Postreform auf die Herausforderungen im Postsektor abzustimmen, wird es an den Anbietern – und allen voran an der Post – liegen, die richtigen unternehmerischen Antworten im zunehmend komplexeren und kompetitiven Umfeld zu finden. Die nächste Reform wird angesichts der Marktentwicklungen möglicherweise einen breiteren Fokus haben und dabei insbesondere die postalische Grundversorgung mit Kommunikationsdienstleistungen integrieren – d.h. mit Einbezug der Telekommunikation neu gestalten.

Grafik 1: «Konvergenz der Märkte im Postsektor»

Grafik 2: «Regulierungsfelder im Postsektor»

Kasten 1: Neue Differenzierung der Grundversorgungsauflagen nach Märkten, Kundensegmenten und Technologien

Neue Differenzierung der Grundversorgungsauflagen nach Märkten, Kundensegmenten und Technologien


Erstens trennt das neue Postgesetz konsequent zwischen den Vorgaben im Post- und Zahlungsverkehr und regelt sie mit unterschiedlicher Aufsicht (PostCom bei Postdiensten, UVEK bzw. Finma beim Zahlungsverkehr) und unterschiedlichen Vorgaben bezüglich der Flächendeckung. Die neue Regelung erlaubt grundsätzlich eine effizientere Ausgestaltung des Annahmenetzes der Post. Zweitens wird in der postalischen Grundversorgung die bisherige Differenzierung nach Monopol/nicht Monopol durch eine implizite, durchgehende Differenzierung nach Klein- und Grosskunden ersetzt. Kleinkunden werden neu unabhängig vom Umfang der reservierten Dienste stärker geschützt, indem die Vorgaben zu Qualität und Preisen auf die nicht reservierten Dienste ausgedehnt werden. Für Grosskunden kann die Post massgeschneiderte Lösungen entwickeln, wobei im Bereich des Restmonopols die Preise reguliert bleiben. Damit werden diejenigen Kunden, welche im Postsektor voraussichtlich kaum von Wettbewerb begünstigt werden, durch die Grundversorgung geschützt, während die Post bei den Geschäftskunden die nötigen unternehmerischen Freiheiten zur Weiterentwicklung ihres Angebots erhält. Drittens ist die Grundversorgung technologieneutraler formuliert. Welche konkreten Möglichkeiten für die Post bei der Annahme und Zustellung sowie im Zahlungsverkehr bestehen werden, wird die neue Verordnung zum PG entscheiden. Demgegenüber hat der Gesetzgeber an einigen Input-orientierten Ansätzen festgehalten. Beispiele sind der Regionalauftrag, nach dem die Post in ihrer Organisation den Anliegen der Regionen Rechnung tragen soll, oder die Vorgabe der Erreichbarkeit von «Poststellen und Postagenturen». Ebenfalls bestätigt hat der Gesetzgeber das Konstrukt der indirekten Presseförderung durch eine Ermässigung der Posttaxen. Angesichts der zunehmenden digitalen Verbreitung von Pressetiteln (auch hier findet eine Konvergenz der Märkte statt) ist es fraglich, ob eine direkte Förderung der Presse nicht der effektivere Weg gewesen wäre.

Kasten 2: Postreformen im Ausland

Postreformen im Ausland


Posten Norden: Flexibilität und Synergien

Schweden bietet ein anschauliches Beispiel wie Postunternehmen durch eine Anpassung des rechtlichen Rahmens auf verändertes Konsumentenverhalten reagieren können. 1994 wurde die Schwedische Post in eine staatliche Aktiengesellschaft umgewandelt. Die verbliebenen 1800 Poststellen wurden ab 2003 durch mehr als doppelt so viele Zugangspunkte in Kiosken, Tankstellen oder Lebensmittelgeschäften ersetzt. Im Sommer 2009 fusionierte die schwedische mit der dänischen Post zur Posten Norden. Gemeinsam können die Unternehmen Synergien nutzen und sind heute der grösste Postanbieter Skandinaviens.

Post.at: Erschliessung von Nischenmärkten

Die Österreichische Post wurde im Jahr 1999 in eine AG überführt, an welcher der Österreichische Staat noch 51% hält. Die Liberalisierung des Briefmarktes wurde im Januar 2011 vollzogen. Auch nach Privatisierung und Börsengang bekennt sich die österreichische Post zu einem flächendeckenden Universaldienst mit hoher Qualität. Sie entwickelt neue elektronische Dienstleistungen; der physische Brief tritt langsam in den Hintergrund. Seit 2001 setzt die Österreichische Post neben der Optimierung und Erweiterung des Kerngeschäfts in Österreich auf eine gezielte Expansion in benachbarte Länder. Der Fokus liegt auf der Erschliessung jener Märkte, mit denen Österreich enge Handelsbeziehungen hat. Das stärkt die Tätigkeit der Österreichischen Post im Heimmarkt.

Kasten 3: Literatur

Literatur


− Calzada, Joan, Christian Jaag und Urs Trinkner (2010). Universal Service Auctions in Liberalized Postal Markets, in Heightening Competition in the Postal and Delivery Sector, herausgegeben von by M.A. Crew und P.R. Kleindorfer. Cheltenham, UK: Edward Elgar.− Jaag, Christian und Urs Trinkner (2011). The interaction between universal service costing and financing in the postal sector: a calibrated approach, Journal of Regulatory Economics, 39(1), S. 89–110. − Jaag, Christian und Urs Trinkner (2009). A General Framework for Regulation and Liberalization in Network Industries, Swiss Economics Working Paper Nr. 16, erscheint in International Handbook for the Liberalization of Infrastructures, herausgegeben von Matthias Finger und Rolf Künneke. Cheltenham, UK, Edward Elgar.

Zitiervorschlag: Helmut Dietl, Christian Jaag, Urs Trinkner, (2011). Reform des Postsektors in der Schweiz: Eine Standortbestimmung. Die Volkswirtschaft, 01. April.