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Wie die Weiterbeschäftigung älterer Mitarbeitender zur Regel werden kann

Den Arbeitgebern wird immer wieder vorgeworfen, dass sie lieber junge, ausländische Arbeitnehmende rekrutieren, als älteren Personen in der Schweiz eine Chance auf dem Arbeitsmarkt zu geben. Unabhängig davon, ob diese Behauptung stimmt oder nicht, wird insbesondere die demografische Bevölkerungsentwicklung dazu führen, dass wir darauf angewiesen sein werden, dass auch ältere Mitarbeitende bis zur Pensionierung und sogar darüber hinaus dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Aus Arbeitgebersicht gilt es, einige Irrtümer und Fehlanreize zu beseitigen, welche dazu führen, dass ältere Mitarbeitende aus dem Arbeitsprozess ausscheiden.

Die Unternehmen in der Schweiz sehen sich heute tagtäglich mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert. Sie stehen ständig vor der Notwendigkeit, möglichst kostengünstig das bestmögliche Ergebnis mit ihrem Personal zu erzielen. Es ist daher eine logische Schlussfolgerung, dass jedes Unternehmen darauf angewiesen ist, gut qualifizierte, motivierte und engagierte Mitarbeitende rekrutieren und halten zu können. Wie will man es schaffen, mit unter Umständen veraltetem Know-how der Konkurrenz immer eine Nasenlänge voraus zu sein? Die vergleichsweise hohen Arbeitskosten in der Schweiz können nur mit Qualität und starker Innovationskraft kompensiert werden.


Unternehmen und ihre Mitarbeitenden müssen anpassungsfähig sein

Die Anforderungen der Kunden an die Unternehmen, möglichst schnell gute und kostengünstige Produkte zu liefern, wirken sich natürlich auch auf die Mitarbeitenden aus. Gefordert sind eine grosse Anpassungsfähigkeit aufseiten der Unternehmen und ihrer Mitarbeitenden sowie der Wille, auch ständig sein Wissen zu erweitern. Was noch vor ein paar Jahren State of the Art war, ist vielleicht heute schon veraltet. Langjährige Erfahrung mag in einzelnen Branchen Gold wert sein, in anderen ist sie schlicht hinderlich. Immer wieder hört man Beispiele davon, dass ganze Produktelinien eingestellt werden, weil die Nachfrage danach wegfällt. Dieser Prozess ist zwar nicht neu; er ist heute aber viel kürzeren Zyklen unterworfen. Es ist ein Muss, dass jeder Mitarbeitende sich andauernd weiterbildet, um betriebsintern und -extern arbeitsmarktfähig zu bleiben. Dies gilt grundsätzlich für alle Mitarbeitenden. Jüngeren Mitarbeitenden kommt dieser Umstand aber möglicherweise eher entgegen, da sie selber stark daran interessiert sind, sich weiterzubilden und Neues zu erlernen.


Eigeninitiatives, lebenslanges Lernen wird zur Pflicht

Alle Mitarbeitenden fordern von ihren Arbeitgebern moderne, gute und möglichst grosszügige Arbeitsbedingungen. Der Arbeitsplatz soll gesichert und die Work-Life-Balance gewährleistet sein. Nicht jeder Mitarbeitende ist dabei bereit und in der Lage, Eigeninitiative zu entwickeln, um seine eigene, betriebsinterne und -externe Arbeitsmarktfähigkeit ständig zu verbessern oder sich jederzeit auf neue Herausforderungen einzustellen. Genau dies werden die Unternehmen aber zunehmend von ihren Mitarbeitenden fordern müssen, um die eingangs erwähnte Konkurrenzfähigkeit zu erhalten. Für die Unternehmen heisst das aber auch, dass es keine Altersgrenzen für betriebliche Weiterbildungen mehr geben darf. Regelmässige Standortbestimmungen, betriebliche und externe Weiterbildung, offene und faire Führungsgespräche sowie klare Zielsetzungen werden nötig sein, damit jede Seite rechtzeitig weiss, was die andere Seite benötigt und erwartet. Beide Seiten müssen dabei ihre Anforderungen geltend machen können. Verändern sich die Anforderungen an den Arbeitsplatz, müssen sich auch die Fähigkeiten der Arbeitnehmenden verändern. Dafür brauchen sie aber die Chance, die Zeit und die Mittel, diesen Veränderungsprozess zusammen und mithilfe des Arbeitgebers zu durchlaufen.


Offenheit für neue Aufgaben

Zugegeben, es ist nicht realistisch, dass Mitarbeitende dank ständiger Weiterbildung während ihres ganzen Erwerbslebens ihre spezifischen Fähigkeiten andauernd steigern können (abgesehen von einigen Ausnahmeerscheinungen). Dies muss aber auch nicht sein, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer für neue Aufgaben offen sind. Mit einer frühzeitigen Planung der Entwicklungsmöglichkeiten für die Arbeitnehmenden eröffnen sich rechtzeitig Alternativen zur bisherigen Aufgabe. Dies gibt den Arbeitnehmenden die Arbeitsplatzsicherheit, welche sie brauchen, um sich auf diesen Veränderungsprozess einzulassen. Ältere Mitarbeitende dürfen es nicht als Verlust von Wertschätzung sehen, wenn ihr Arbeitgeber sie auf eine neue Aufgabe anspricht. Auch nicht, wenn die neue Aufgabe mit weniger Verantwortung, Stress, einer reduzierten Arbeitszeit und vielleicht auch mit einem tieferen Lohn verbunden ist.


Widerstände gegen Veränderungsprozesse überwinden

Viele Betroffene sehen jedoch eine solche Massnahme, die letztlich der Arbeitsplatzsicherung dient, nicht als Chance, sondern als unfaires Beiseiteschieben einer verdienten Arbeitskraft – insbesondere wenn ein finanzieller Verlust damit verbunden ist. Als solches erscheint es umso mehr, wenn der Arbeitgeber nicht mit allen Mitarbeitenden regelmässige Standortbestimmungen durchführt.

Richtig ist, dass eine Lohnreduktion bei einem älteren Mitarbeitenden eine direkte Auswirkung auf seine Rentenleistungen haben kann, wenn der Arbeitgeber nicht Vorsorgelösungen wählt, welche hier Alternativen bieten. Bereits im Rahmen der heutigen Gesetzgebung ist es möglich, das Leistungsniveau während einer gewissen Zeit – insbesondere in der beruflichen Vorsorge – zu halten.

Zur Erleichterung der Arbeitsmarktbeteiligung älterer Arbeitnehmender wurden per 1. Januar 2011 im Bundesgesetz über die Berufliche Vorsorge neue Massnahmen in Kraft gesetzt. Art. 33a BVG sieht dabei ausdrücklich vor, dass Vorsorgeeinrichtungen in ihren Reglementen festlegen können, dass auf Verlangen von Versicherten, deren Lohn sich nach dem 58. Altersjahr um höchstens die Hälfte reduziert, die Vorsorge für den bisherigen versicherten Verdienst weitergeführt wird. Ebenso diskutieren viele Arbeitgeber Altersteilzeitmodelle, welche vorsehen, dass Mitarbeitende Geld oder Zeit ansammeln, um diese im Falle einer Altersteilzeit ohne Lohnreduktion einsetzen zu können. Solche Lösungen bieten gerade die Gewähr, dass später keine Renteneinbussen eintreten. Die Arbeitgeber sind gefordert, die für sie und ihre Mitarbeitenden passenden Möglichkeiten zu wählen. Die bestehenden Sozialversicherungsregelungen lassen jedenfalls Lösungen zu, die für beide Seiten befriedigend sind.


Arbeitgeber haben die Initiative ergriffen

Noch viel zu oft wird im Falle von Veränderungen nur der Ruf nach möglichst vielen Frühpensionierungen laut. Hier muss ein Umdenken stattfinden. Die Frühpensionierung muss zur Ausnahme werden – die Weiterbeschäftigung die Regel.

Der Schweizerische Arbeitgeberverband setzt den Hebel bei den Arbeitgebern an. Wir haben dazu die Initiative Arbeitsmarkt 45plus geschaffen (siehe Kasten 1), Im Rahmen dieser im November 2013 lancierten Initiative des Schweizerischen Arbeitgeberverbandes arbeiten neun Unternehmen, zwei Branchenverbände sowie ein Vertreter der kantonalen Verwaltung als eigentliches Kernteam daran, den Ursachen nachzugehen, welche dazu führen, dass ältere Mitarbeitende frühzeitig den Arbeitsprozess verlassen (müssen) bzw. weshalb es für sie so schwierig ist, wieder in den Arbeitsprozess zurückzukehren. Ihr zugrunde liegt die Erkenntnis, dass zur Veränderung dieser Situation ein Kulturwechsel in der gesamten Gesellschaft, bei Arbeitgebern, Arbeitnehmenden und Sozialpartnern nötig ist. Die Initiative ist entsprechend auf mehrere Jahre angelegt. Nebst der Sensibilisierung der Mitglieder sollen auch mittels Pilotprojekten konkrete Vorschläge erarbeitet werden, wie die Integration und der Verbleib der älteren Mitarbeitenden erfolgreich umgesetzt werden können. mit welcher wir den Fragen, Ursachen und Hindernissen nachgehen, welche aus Arbeitgebersicht heute dazu führen, dass ältere Mitarbeitende nicht bis zum Pensionierungsalter beschäftigt bleiben oder nicht angestellt werden. Gleichzeitig wollen wir aber auch die vielen guten Beispiele in die Öffentlichkeit tragen, die es bereits gibt. Diese umfassen Massnahmen im Rahmen der Rekrutierung (z. B. Bewerbungen ohne Altersangaben), der Sensibilisierung aller Mitarbeitenden durch Einführen altersdurchmischter Teams, Mentoring und «Götti-Funktionen» – wobei nicht immer die ältere Person der Mentor sein muss! Beispiele zur Verbesserung des Erhalts der Arbeitsmarktfähigkeit sind Massnahmen rund um Job-Rotation, Talentmanagementprozesse, Gesundheitsmanagement und altersgerechte Weiterbildung.

Die Gesellschaft soll sehen, dass die Arbeitgeber sich für ältere Mitarbeitende einsetzen, weil sie genau die Fähigkeiten besitzen, welche die Unternehmen benötigen. Dort, wo diese Fähigkeiten aber fehlen, sollen die Mitarbeitenden rechtzeitig befähigt werden, damit sie im eigenen Interesse und zugunsten ihrer Unternehmung im Arbeitsprozess bleiben. Nachahmer sollen sehen, dass es sehr wertvoll ist, wenn alle Mitarbeitenden arbeitsmarktfähig sind, lebenslang weitergebildet werden und motiviert ihre Arbeit ausüben – kurz: wenn sie zu den Fachkräften werden, deren Fehlen wir heute beklagen. Wir müssen uns alle darauf einstellen, dass das Alter per se kein Hinderungsgrund ist, um mit geeigneten Arbeitsbedingungen und am richtigen Ort eine gute und befriedigende Arbeit zu verrichten!


Die Initiative «Arbeitsmarkt 45plus»

Im Rahmen dieser im November 2013 lancierten Initiative des Schweizerischen Arbeitgeberverbandes arbeiten neun Unternehmen, zwei Branchenverbände sowie ein Vertreter der kantonalen Verwaltung als eigentliches Kernteam daran, den Ursachen nachzugehen, welche dazu führen, dass ältere Mitarbeitende frühzeitig den Arbeitsprozess verlassen (müssen) bzw. weshalb es für sie so schwierig ist, wieder in den Arbeitsprozess zurückzukehren. Ihr zugrunde liegt die Erkenntnis, dass zur Veränderung dieser Situation ein Kulturwechsel in der gesamten Gesellschaft, bei Arbeitgebern, Arbeitnehmenden und Sozialpartnern nötig ist. Die Initiative ist entsprechend auf mehrere Jahre angelegt. Nebst der Sensibilisierung der Mitglieder sollen auch mittels Pilotprojekten konkrete Vorschläge erarbeitet werden, wie die Integration und der Verbleib der älteren Mitarbeitenden erfolgreich umgesetzt werden können.


Daniella Lützelschwab Mitglied der Geschäftsleitung, Schweizerischer Arbeitgeberverband, Zürich


Zitiervorschlag: Daniella Lützelschwab Saija (2014). Wie die Weiterbeschäftigung älterer Mitarbeitender zur Regel werden kann. Die Volkswirtschaft, 01. November.