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Unlautere Geschäftspraktiken im Jahre 2013 – erneute Zunahme der Beschwerden

An vorderster Stelle der beim Seco eingegangenen Beschwerden gegen unlautere Geschäftspraktiken stehen nach wie vor die unerbetenen Werbeanrufe. Stark abgenommen haben hingegen die Beschwerden gegen die Werbefahrten – dank der Erfolge vor Gericht. Medienmitteilungen und eine Sensibilisierungskampagne haben zudem vor unlauteren Geschäftspraktiken gewarnt. 

Unlautere Geschäftspraktiken im Jahre 2013 – erneute Zunahme der Beschwerden

Der Flyer «Vorsicht vor Adressbuchschwindlern!» liegt in einer überarbeiteten Version vor und berücksichtigt neue unlautere Geschäftsmethoden. (Bild: Hannes Saxer)

Das Jahr 2012 stand ganz im Zeichen der am 1. April 2012 in Kraft getretenen Revision des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Seit diesem Schlüsseldatum kann das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) nicht nur intervenieren, wenn sich Opfer von in der Schweiz begangenen unlauteren Geschäftspraktiken im Ausland befinden (sogenannte grenzüberschreitende unlautere Geschäftspraktiken). Es kann auch tätig werden, wenn ein ausschliesslicher Binnensachverhalt vorliegt, also wenn eine in der Schweiz wohnhafte Person Opfer von unlauteren Geschäftspraktiken eines Schweizer Unternehmens wird. Deshalb hatte das Seco 2012 gegenüber dem Jahr zuvor eine markante Erhöhung der Beschwerden von 879 auf total 3611 Beschwerden verzeichnet. Nebst der Erweiterung der Kompetenzen des Seco dürften aber auch die Publizität in den Medien und die Erwartungen in der Bevölkerung, endlich eine Anlaufstelle mit Interventionskompetenzen gegen Schwindeleien zu haben, eine Rolle für die Zunahme der Beschwerden gespielt haben.

Der Trend der Zunahme an Beschwerden hat sich auch im Jahre 2013 fortgesetzt. So stieg die Zahl der beim Seco eingehenden Beschwerden auf 5830. Hingegen haben die Beschwerden aus dem Ausland im Vergleich zum Vorjahr leicht abgenommen. Sie reduzierten sich von 201 auf 176 (siehe Grafik 1).

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Beschwerden im Einzelnen


Von den 5830 Beschwerden stammen 5043 von Konsumentinnen und Konsumenten und 787 von Unternehmen. Wie im Vorjahr machen mit 4228 Beschwerden die unerbetenen Werbeanrufe trotz Sterneintrag im Telefonverzeichnis den Löwenanteil der Beschwerden aus (siehe Tabelle 1). An zweiter Stelle lag der Adressbuchschwindel (420 Beschwerden), gefolgt von Lotterien/Gewinnversprechen (182), dem Spamming (180), den Werbeanrufen ohne Sterneintrag (175) und den Werbefahrten (171).

Auf die besondere Problematik der unerbetenen Werbeanrufe ist bereits im letzten Jahr hingewiesen worden. Das vom Parlament im Rahmen der UWG-Novelle am 17. Juni 2011 erlassene Verbot, Personen mit einem Sterneintrag im Telefonverzeichnis anzurufen, wird von einer grossen Anzahl von Akteuren nicht eingehalten und ist in der Praxis schwierig durchsetzbar. Verständlicherweise ist ein grosser Teil der Bevölkerung über die unerwünschten Werbeanrufe verärgert und erwartet eine strikte Umsetzung des Verbots. Anrufe aus dem Ausland und die Möglichkeit, über das Internet (Voice-over-IP-Technologie) die eigenen Spuren bis ins Unkenntliche zu verwischen, erweisen sich allerdings bei der Rechtsdurchsetzung regelmässig als sehr hohe Hürden. Das Seco klagt zwar jeweils gegen unbekannt; ab und zu muss aber die zuständige Staatsanwaltschaft das Verfahren sistieren oder gar einstellen, weil sie die Täterschaft nicht eruieren kann. Immerhin haben die Strafklagen in drei Fällen dazu geführt, dass die zuständigen Staatsanwaltschaften einen entsprechenden Strafbefehl mit bedingten Geldstrafen und einer Busse ausgesprochen haben. Von diesen drei Strafbefehlen ist einer nicht in Rechtskraft erwachsen, weil die betroffene beschuldigte Person Einsprache erhoben hat.

Abnahme der Beschwerden im Bereich der Werbefahrten


Erfreulich ist die Entwicklung im Bereich der Werbefahrten, die auch als «Kaffeefahrten» bekannt sind: Personen werden hohe Preise versprochen, wenn sie gratis an einer Busfahrt teilnehmen. Doch statt die versprochenen Preise in Empfang nehmen zu können, werden sie genötigt, allerlei Waren zu einem überhöhten Preis zu kaufen. Die Beschwerden haben in diesem Bereich von 564 Beschwerden auf 171 abgenommen. Hier haben offensichtlich die gerichtlichen Interventionen Früchte getragen: Aufgrund entsprechender Strafklagen sind in vier Fällen Strafbefehle erlassen worden, welche die beschuldigten Personen zu Geldstrafen und Bussen verurteilt haben. Ein Strafverfahren wurde an die zuständige Strafbehörde in Deutschland abgetreten.

Schriftliche Abmahnung erspart oft den Gang vor Gericht


Das Seco kann gegen Unternehmen klagen, die unlautere Geschäftspraktiken begehen, wenn diese eine besondere Schwere aufweisen, also wenn zum Beispiel eine grössere Anzahl von Personen betroffen ist. Aus verfahrensökonomischen Gründen – und auch, um den fehlbaren Unternehmen die Möglichkeit zu geben, ihre Geschäftspraktiken mit dem Lauterkeitsrecht in Einklang zu bringen – werden Unternehmen, die sich nicht an das UWG halten, in der Regel zuerst abgemahnt: Sie werden aufgefordert, sich innerhalb von 14 Tagen schriftlich zu verpflichten, die beanstandeten Geschäftspraktiken zu unterlassen (Abgabe einer verbindlichen Unterlassungserklärung). Erst wenn dieser Demarche kein Erfolg beschieden ist, kommt es zum Gang vor Gericht. Im Jahr 2013 sind 61 Unternehmen abgemahnt worden. In vielen Fällen bewirkte die Abmahnung – verbunden mit der Androhung, gegebenenfalls vor Gericht zu klagen – die Einstellung des beanstandeten Verhaltens.

Allerdings konnte das Seco nicht umhin, insgesamt 28 Strafklagen und zwei Zivilklagen einzureichen. Aufgrund der eingehenden Beschwerden erstaunt nicht, dass es allein im Bereich der Werbeanrufe neun Strafklagen und eine Zivilklage erhoben hat. Im Übrigen reichte es im Bereich des Adressbuchschwindels fünf Strafklagen und eine Zivilklage, im Bereich der Werbefahrten drei Strafklagen und im Bereich der Werbefaxe drei Strafklagen ein. Ferner hat es gegen irreführende Geschäftspraktiken drei Strafverfahren angestrengt. Betroffen waren namentlich irreführende Preis- und Herkunftsangaben sowie die Verletzung des Wappenschutzgesetzes. Je eine Strafklage hat das Seco im Bereich der Schneeballsysteme, des Vorauszahlungsbetrugs, des Liquidationsverkaufs, der Esoterik und des Onlinehandels deponiert.

Einbezug eines internationalen Netzwerks


Sowohl die Federal Trade Commission (FTC) in den USA als auch das Competition Bureau Canada klagten in ihrem jeweiligen Land erfolgreich gegen zwei Adressbuchschwindelverleger mit Sitz in den Niederlanden. Die betroffenen Adressbuchschwindler hatten eine grosse Anzahl von Formularen an Unternehmen in den USA und in Kanada versendet und diesen eine kostenlose Dienstleistung vorgetäuscht. In Wahrheit hatte die Unterzeichnung und Retournierung des Formulars zur Folge, dass die Unternehmen gegen ihren Willen einen entgeltlichen Vertrag für einen nutzlosen Eintrag in einem Branchenregister abschlossen. Sowohl die FTC als auch das Competition Bureau Canada hatten gerichtlich erreicht, dass die fraglichen Adressbuchschwindler ihre irreführenden Geschäftspraktiken einstellen mussten. Ferner wurde ihnen verboten, ihre Geldforderungen gegenüber den betroffenen Unternehmen durchzusetzen. In Missachtung dieser Urteile versuchten sie, ihre Geldforderungen gegenüber den amerikanischen und kanadischen Unternehmen über eine Inkassofirma mit Sitz in der Schweiz geltend zu machen. Deshalb ersuchten die FTC und das Competition Bureau Canada im Rahmen des International Consumer Protection and Enforcement Network (Icpen) das Seco, gegenüber der schweizerischen Inkassofirma zu intervenieren.

Das Seco mahnte in der Folge das betroffene Unternehmen zweimal ab und forderte es auf, sich durch Unterzeichnung einer entsprechenden Unterlassungserklärung zu verpflichten, von der Durchsetzung von Ansprüchen im Namen der Adressbuchschwindler abzusehen. Die fragliche Inkassofirma gab dem Druck nach und unterzeichnete eine entsprechende Unterlassungserklärung. Hierauf erhielten die FTC und das Competition Bureau Canada keine Beanstandungen mehr.

Neuauflage des Informations-Flyers


Der Flyer «Vorsicht vor Adressbuchschwindlern!» aus dem Jahre 2008 wurde aufgrund der am 1. April 2012 in Kraft getretenen UWG-Novelle überarbeitet und berücksichtigt neue unlautere Geschäftsmethoden. Die Broschüre setzt zum einen auf Prävention und weist darauf hin, dass es sich für Unternehmen lohnt, Formulare für angeblich nützliche Einträge in Branchenverzeichnisse genau zu lesen. Eine voreilige Unterzeichnung und Retournierung der unaufgefordert zugesandten Formulare führt allzu oft zu bösen Überraschungen, die meist ins Geld gehen. Zum andern zeigt sie auf, wie Unternehmen unfreiwillig eingegangene Verträge anfechten können. Diesbezüglich sind im Flyer Formulierungen enthalten, die für eine Vertragsanfechtung wortwörtlich übernommen werden können. Im Übrigen wird auch darauf hingewiesen, dass jeder Unternehmer, der über den Tisch gezogen worden ist, die Möglichkeit hat, die Angelegenheit durch eine Beschwerde dem Seco zu melden oder selbst Straf- oder Zivilklage einzureichen. Auch für eine allfällige Strafklage können für die zu stellenden Rechtsbegehren vorformulierte Sätze vom Flyer übernommen werden. In diesem Zusammenhang werden zudem die in diesem Bereich am 1. April 2012 neu eingeführten UWG-Bestimmungen erläutert. 1 Siehe ausführlich: Die Volkswirtschaft 5-2013, S. 43 ff.

Der Flyer wurde am 14. März 2013 durch eine Pressemitteilung lanciert. Die Pressemitteilung war in den Fraud Prevention Month eingebettet, eine jährlich stattfindende einmonatige Sensibilisierungskampagne des Icpen-Netzwerks. Im Rahmen dieser Gemeinschaftsaktion warnen möglichst viele Icpen-Mitglieder vor unlauteren Geschäftspraktiken und weisen auf die gemeinsame Aktion des Netzwerks hin.





















Sachbereich Anzahl Beschwerden
Werbeanrufe trotz Sterneintrag 4228
Adressbuchschwindel 420
Lotterien/Gewinnversprechen 182
Spamming 180
Werbeanrufe ohne Sterneintrag 175
Werbefahrten/Werbeveranstaltung 171
Nicht spezifiziert 167
Versandhandel 136
Internetschwindeleien 41
Missbräuchliche Klauseln 40
Schneeballsysteme 29
Esoterik 27
Mogelpackungen 25
Investment 5
Aggressive Verkaufsmethoden 3
Totalliquidation 1
Total 5830


 

Zitiervorschlag: Philippe Barman (2014). Unlautere Geschäftspraktiken im Jahre 2013 – erneute Zunahme der Beschwerden. Die Volkswirtschaft, 01. Mai.

Warnung vor unlauteren Geschäftspraktiken

Seit dem 1. April 2012 kann das Seco unter Nennung der entsprechenden Firmen die Öffentlichkeit über unlautere Verhaltensweisen informieren. Von diesem Recht hat das Seco im Berichtsjahr verschiedentlich Gebrauch gemacht. So hat es im Zusammenhang mit vier Webseiten vor illegalen Online-Glücksspielen gewarnt. Es wurde auch darauf hingewiesen, dass die Angebote keinen Bezug zur Schweiz hätten, obwohl die Verwendung des Schweizer Wappens sowie zahlreiche Hinweise auf die Schweiz dies fälschlicher Weise vermuten liessen. Ferner hat das Seco vor einem Adressbuchschwindler gewarnt, der seine Formulare per Fax versendet. Zahlreiche Unternehmen in der Schweiz erhielten ein Formular, in welchem sie aufgefordert wurden, die Pflichtfelder auszufüllen und das Formular unterzeichnet zurückzuschicken. Damit schliesst das Unternehmen aber angeblich für zwei Jahre einen Insertionsvertrag ab, der monatlich 25 Franken kostet.