Aufsicht bei den Kantonalbanken: Verbesserungspotenzial?
Die Kantonalbanken haben in der Finanzkrise quasi als «dritte Kraft» einen wesentlichen Beitrag zur Stabilität des Finanzplatzes Schweiz geleistet. Um dies auch in Zukunft zu gewährleisten, benötigen die Kantonalbanken strategischen Freiraum und die dazu notwendigen Eigenmittel. Die Erarbeitung einer Eigenmittelstrategie ist deshalb eine Aufgabe, der sich kein Kanton und kein Verwaltungsrat entziehen dürfen. Kantonalbanken mit einem gesetzlichen Grundversorgungsauftrag sind öffentliche Unternehmen, die der umfassenden prudentiellen Aufsicht der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma) unterstehen. Im folgenden Beitrag steht aber nicht die Aufsicht durch die Finma zur Diskussion, sondern vielmehr die möglichen Mängel und unterschiedlichen Betrachtungen beim Thema Aufsicht durch die Kantone bzw. die entsprechenden Oberleitungsorgane.
Drei Ebenen der Aufsicht
Der Begriff «Aufsicht» bei den Kantonalbanken bezieht sich auf drei unterschiedliche Ebenen: − die umfassende prudentielle Aufsicht der Finma, der die Kantonalbanken seit dem 1.10.1999 unterliegen. Seither benötigen sämtliche Kantonalbanken eine Betriebsbewilligung nach den Bestimmungen des Finanzmarktaufsichts- und des Bankengesetzes. Die finanzmarktaufsichtsrechtlichen Befugnisse sind im Bundesrecht abschliessend geregelt, weshalb für die Kantone auf diesem Gebiet kein gesetzgeberischer Freiraum mehr besteht; − die Aufsicht der Kantone als Eigentümer oder Mehrheitsaktionäre über ihre Kantonalbank. Gegenstand dieser Aufsicht sind in der Regel der Leistungsauftrag, die Staatsgarantie sowie die Eigenmittel- und Risikosituation; − die unternehmensinterne Aufsicht des Verwaltungs- oder Bankrates, der nach dem aktienrechtlichen Modell die Oberleitungs-, Kontroll- und Aufsichtsfunktionen wahrnimmt.
Besondere Aufgabe und Stellung der Kantonalbanken gemäss Art. 98 Abs. 1 BV
Als öffentlich-rechtliche Unternehmen werden Kantonalbanken von ihrem Kanton ganz oder mehrheitlich beherrscht. Sie sind aufgrund eines öffentlich-rechtlichen Gründungsaktes entstanden und sind – mit einer Ausnahme (St.Gallen) – durch das kantonale Recht verpflichtet, einen Leistungsauftrag zu erfüllen. Die Rechtsform einer Aktiengesellschaft (AG) nach Art. 620 ff., 762 oder 763 OR ändert an dieser Feststellung nichts. Mit Ausnahme der Kantone Waadt und Bern (Letzterer ab 1.1.2013) verfügen die Kantonalbanken über eine Staatsgarantie, welche im Kanton Genf eine beschränkte ist und im Kanton St.Gallen möglicherweise zu einer beschränkten ausgestaltet wird. Kantonalbanken als öffentlich-rechtliche Anstalten geniessen sowohl auf kantonaler wie auch auf Bundesebene ein Steuerbefreiungsprivileg. Der Eigenmittelrabatt von 12,5% ist per 1.1.2010 abgeschafft worden. Aufgrund ihres Leistungsauftrages mit Staatsgarantie und ihrer Eignerstruktur stehen die staatlich beherrschten Kantonalbanken in besonderem Masse im Lichte von Öffentlichkeit und Medien. Sie sind deshalb durchaus mit Publikumsgesellschaften vergleichbar, auch wenn sie nicht als börsenkotierte AG ausgestaltet sind.Mit der vollumfänglichen Unterstellung der Kantonalbanken unter die Aufsicht der Finma (mit Bewilligungspflicht) ist der legislatorische Freiraum für die Kantone enger geworden, hat aber aufgrund der Erfahrungen aus der Finanzkrise an Bedeutung gewonnen.
Eigenheiten der kantonalen Aufsicht über die Kantonalbanken
Thematisch bezieht sich die Aufsicht der Kantone zunächst auf den Leistungsauftrag als gesetzliche Verpflichtung zur Grundversorgung der Bevölkerung. Da der Staat an seine gesetzliche Aufgabe gebunden ist, kann er als Eigentümer nicht gleich flexibel reagieren wie ein Privater (Aktionär), weil ihm das Druckmittel des Verkaufs seiner Anteile am Unternehmen fehlt. Beispiel für eine besonders ausführliche Kontrolle und Überwachung der Erfüllung des Leistungsauftrages sind die Richtlinien für die Erfüllung des Leistungsauftrages der Zürcher Kantonalbank vom 24.2.2005.Die an den Leistungsauftrag geknüpfte Staatsgarantie ist für die Kantone unter Risikogesichtspunkten die grösste Herausforderung. So verlangen etwa §7 des Luzerner Umwandlungsgesetzes und Art. 9 des St.Galler Kantonalbankgesetzes regelmässige Berichterstattung über die Eigenmittel- und Risikosituation der Bank sowie die Haftungsrisiken des Staates aus der Staatsgarantie. In andern Kantonen (z.B. Zürich) ist dem Kantonsrat auch die Regelung der Entschädigung für die Mitglieder des Bankrates vorbehalten. Bei Kantonalbanken in Form einer öffentlich-rechtlichen Anstalt ist es in aller Regel Sache des kantonalen Parlaments, Jahresrechnung und Jahresbericht abzunehmen, die Décharge zu erteilen sowie die Höhe des Dotations- und gegebenenfalls des PS-Kapitals festzulegen (z.B. Zürich, Basel Stadt, Basel Landschaft). Unterschiedlich sind die Regelungen in Bezug auf die Zuständigkeiten für die Wahl der obersten Bankorgane. In einigen Kantonen liegt diese Kompetenz beim Regierungsrat, in andern beim kantonalen Parlament. Bei Kantonalbanken in Form einer AG nach Art. 620 ff. OR werden die dem Kanton gegenüber der AG zukommenden Rechte und Pflichten durch den Regierungsrat wahrgenommen (z.B. Bern, Luzern, St.Gallen).
Eigenmittelplanung als Kernelement
Kernelement der kantonalen Aufsicht sollte die Überwachung der Eigenmittelplanung der Bank darstellen. Instrument dazu bildet eine Eigenmittelstrategie, welche der Verwaltungsrat zu erarbeiten hat, und die sich an die Rahmenbedingungen des Kantons zu halten hat. Aufgrund der neuen Eigenmittelvorschriften des Bundes für die Banken hat die Frage der Eigenmittelplanung und damit der Eigenmittelstrategie auch für jene Kantonalbanken an Bedeutung zugenommen, welche bislang über einen äusserst komfortablen Eigenmitteldeckungsgrad verfügten. Ein weiterer Grund für die Erarbeitung einer Eigenmittelstrategie liegt in der Entwicklung der Finanzhaushalte der Kantone selber. Nötige Entwicklungs- und Wachstumsstrategien einer Bank bleiben Makulatur, wenn die dazu nötigen Eigenmittel fehlen. Autonom kann sich die Bank Eigenmittel durch Gewinn-Thesaurierung beschaffen. Diese Form stösst jedoch naturgemäss an Grenzen. Braucht eine Kantonalbank darüber hinaus mehr Eigenmittel, muss der Kanton bereit sein, diese selbst zur Verfügung zu stellen oder der Bank erlauben, diese am Kapitalmarkt zu beschaffen. Voraussetzung für einen solchen Entscheid des Kantons muss ein genaues Bild über den geografischen und sachlichen Geschäftskreis, die Ertragsstruktur, das Risikoprofil sowie die Mittelverwendung sein. Ebenso gehört dazu eine Beurteilung der Wachstumsstrategie und der Frage, wie viel freie Eigenmittel eine Kantonalbank zur Wahrung ihrer strategischen Handlungsfreiheit benötigt, um künftig Investitionen zu tätigen und Opportunitäten zu nutzen. Fiskalische Interessen haben dabei in den Hintergrund zu treten, weil die Erfüllung des Leistungsauftrages als im öffentlichen Interesse liegend nicht fiskalpolitisch motiviert ist. Schliesslich beschlägt die Eigenmittelstrategie auch Fragen in Bezug auf die Abgeltung der Staatsgarantie und die Ausschüttungspolitik.
Begrenzte staatliche Einflussnahme
Die soeben skizzierte kantonale Aufsicht zeigt, dass sich der Staat verschiedene Einflussmöglichkeiten vorbehält. Voraussetzung für eine Einflussnahme des Kantons auf seine Bank ist aber, dass er seitens der Bank die dazu nötigen Informationen erhält. Der Auskunftserteilung durch die Bank an den Kanton sind durch das Bankgeheimnis, das Geschäftsgeheimnis, die Insiderstrafnorm und die Vorschriften über die Ad-hoc-Publizität Grenzen gesetzt. Nur wenn dafür eine ausreichende gesetzliche Grundlage oder ein anderer Rechtfertigungsgrund besteht und die Kantonsvertreter an das Amtsgeheimnis gebunden sind, ist die Weitergabe solch vertraulicher Informationen zulässig. Die Einflussnahme des Staates kann aber noch in anderer Weise begrenzt sein. Verhält sich nämlich der Staat durch sein Hineinwirken in die Kantonalbank organtypisch, stellt sich das Problem der faktischen Organschaft, verbunden mit den entsprechenden Verantwortlichkeiten. Für Kantonalbanken in Form einer AG ist schliesslich festzuhalten, dass bei deren Führung das aktienrechtliche Paritätsprinzip zu beachten ist, welches eine zwingende Kompetenzausscheidung zwischen Generalversammlung und Verwaltungsrat statuiert. Dieses Prinzip ist insoweit relativiert, als sich der Staat Kernkompetenzen des Verwaltungsrates vorbehält und auch ausserhalb der ihm von der Generalversammlung zugewiesenen Befugnisse wirkt. Soweit möglich sollte darüber grösstmögliche Transparenz bestehen.
Träger der Aufsicht über die Kantonalbanken: Regierungs- versus Parlamentsbank?
Vorab ist festzuhalten, dass die Frage der Zuständigkeit für die kantonale Aufsicht über die Kantonalbanken auch nach Auffassung der Finma in die Organisationsautonomie der Kantone fällt und nicht Sache der Finma ist. Die von mehreren Autoren vertretene Auffassung, dass die politische Aufsicht und Eigentümerkontrolle über die Kantonalbank vorzugsweise dem Regierungsrat zu übertragen sei, weil dieser funktional besser geeignet sei, auf der Eigentümerebene einen effizienteren Entscheidungs- und Kontrollprozess zu gewährleisten als das Parlament, lässt sich empirisch nicht nachweisen. Die überwiegende Mehrheit der Fälle von Kantonalbank-Krisen hat sich bei sog. «Regierungsbanken» ereignet (z.B. Waadt, Solothurn, Bern). Dass die Exekutive darüber hinaus weniger politisch agiere, ist ebenfalls eine Behauptung, die sich nicht belegen lässt. Vor allem die Befürchtung, dass das Parlament viel eher als die Regierung Druck auf den Bank- bzw. Verwaltungsrat bei der Gewinnausschüttung ausübe, lässt sich nicht belegen, zumal (einseitige) politische Druckversuche demgegenüber viel eher denkbar sind, wenn z.B. der Finanzdirektor noch gleichzeitig im Bankrat sitzt. Völlig in Vergessenheit geraten zu sein scheinen offenbar jene Fälle, in denen die Regierung oder einzelne Regierungsmitglieder der Bank direkte Weisungen im operativen Geschäft erteilt haben. Unbestritten ist, dass für die Formulierung einer Eigenmittelstrategie nicht nur auf Seiten der Bank, sondern auch auf Seiten des Kantons Sachkunde gefordert ist. Ob für diese Aufgabe der Regierungsrat oder das Parlament zuständig sein soll, ist letztlich unbedeutend. Entscheidend ist allemal, dass die Vertretung des Kantons dem Bank- bzw. Verwaltungsrat und der Geschäftsleitung bei Fragen der Eigenmittel- und Risikosituation auf gleicher Augenhöhe begegnen kann. Vergleicht man die Kantonalbanken – nicht zuletzt aufgrund der Haftung des Kantons für deren Verbindlichkeiten – mit einer Publikumsgesellschaft, so sind politische Legitimation und Transparenz bei der Einflussnahme weitere wichtige Kriterien. Politischer Einfluss auf ein öffentliches Unternehmen ist legitim und durch eine parlamentarische Aufsicht breiter abgestützt. Voraussetzung ist allerdings, dass die parlamentarische Aufsicht – wie übrigens auch jene durch den Regierungsrat – über die nötige Sachkenntnis verfügt. Welcher Lösung der Vorzug zu geben ist, lässt sich nicht allgemeingültig beantworten. Entscheidend ist allein die Wirkung.
Anforderungen an den Bank- bzw. Verwaltungsrat als Oberleitungs-, Aufsichts- und Kontrollorgan der Kantonalbank
Nach Art. 3 Abs. 2 lit. c BankG wird die Bewilligung einer Bank – und damit auch einer Kantonalbank – nur erteilt, wenn die mit der Verwaltung und Geschäftsführung der Bank betrauten Personen einen guten Ruf geniessen und Gewähr für eine einwandfreie Geschäftstätigkeit bieten. Somit gilt die Fit and proper Rule uneingeschränkt auch für Kantonalbanken. Wie bei der Aufsicht durch den Kanton stellt sich auch bei der Frage der Zusammensetzung des Bankrates die Frage der politischen Legitimation. Unter diesem Aspekt ist gegen eine (auch politische) Zusammensetzung des Bankrates nichts einzuwenden, sofern die bundesrechtlichen Anforderungen erfüllt sind. Ähnlich verhält es sich bei Richter-Wahlen. Niemand wird wohl im Ernst gegen die nach dem Parteienproporz zusammengesetzten Gerichte etwas einzuwenden haben, wenn die gewählten Richter ihrer Aufgabe fachlich gewachsen und unabhängig sind. Nicht zu vergessen ist dabei, dass auch gewisse privatrechtlich organisierte Banken too big zu fail sind und eine faktische Staatsgarantie geniessen. Zwar ist auch nach der UBS-Krise Kritik an deren Corporate Governance laut geworden. Das privatrechtlich organisierte Auswahlsystem von Verwaltungsräten ist im Grundsatz unangefochten geblieben.
Beispiel Risikoberichterstattung
Dies ruft nach der Frage, ob es nicht nur bei den Kantonalbanken, sondern bei allen Banken generell Verbesserungspotenzial gibt. Eine Erfahrung aus der Finanzkrise sei hier beispielhaft herausgegriffen: Es besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass in vielen Fällen die Risikoberichterstattung an den Verwaltungsrat mangelhaft war. Kritisiert wird insbesondere, dass wesentliche Risikoinformationen nur gefiltert zum Aufsichtsorgan gelangt seien. Zu Recht wird daher gefordert, dass der Chief Risk Officer immer einen direkten Zugang zum Verwaltungsrat haben müsse. Gleiches gilt für den General Counsel nach den Vorschriften des Basler Ausschusses. Mit andern Worten: Die Berichterstattung in Bezug auf das Risikoprofil einer Bank muss unmittelbar an den Verwaltungsrat erfolgen – ohne Filter durch die Geschäftsleitung. Dies muss für alle Risikoarten und unter dem Aspekt von Art. 3 Abs. 2 lit. c BankG auch für die Compliance-Risiken gelten. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang sind die Ausführungen der Finma in der Verfügung vom 11.1.2010 (Finma-Bulletin 1/2010, 109), wonach zum korrekten Verhalten im Geschäftsverkehr auch gehört, «dass die Bank sich und ihre Mitarbeiter nicht unnötigen Rechts- und Reputationsrisiken aussetzt.»Bei vielen Kantonalbanken ist die unmittelbare Berichterstattung in Bezug auf die Compliance-Risiken an den Bankrat noch nicht die Regel. Als Hindernis erweist sich manchmal ein falschverstandenes Hierarchieverständnis, das indessen nicht geeignet ist, das Übergewicht der Geschäftsleitung gegenüber dem Verwaltungsrat im Interesse einer wirksamen unternehmensinternen Aufsicht abzubauen.
Fazit
Politische Einflussnahme des Kantons auf seine Kantonalbank ist legitim, wenn sie entsprechend dem Charakter einer Publikumsgesellschaft breit abgestützt und – soweit gesetzlich zulässig – transparent ist. Der Dialog zwischen Bank und Kanton bedarf einer klaren gesetzlichen Grundlage und muss durch entsprechende Geheimhaltungsvorschriften geschützt sein. Die Risikoberichterstattung hat nach dem Prinzip der Unmittelbarkeit an den Verwaltungsrat zu erfolgen.
Zitiervorschlag: Strasser, Othmar (2012). Aufsicht bei den Kantonalbanken: Verbesserungspotenzial? Die Volkswirtschaft, 01. Juni.