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Die Schweiz kam besser durch die Pandemie als viele andere Länder

Betriebsschliessungen, Veranstaltungsverbote und Reisebeschränkungen während der Corona-Pandemie trafen die Schweizer Wirtschaft hart. Dennoch erholte sich die Schweiz schneller als viele andere Länder.
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Im Jahr 2020, während der Corona-Pandemie, schrumpfte die Schweizer Wirtschaft um 2,2 Prozent. Danach ging es schnell aufwärts – schneller als in anderen Ländern. (Bild: Keystone)

Die Corona-Pandemie stürzte die Weltwirtschaft in die schärfste Krise seit dem Zweiten Weltkrieg.[1] In kurzer Zeit erreichte das Virus alle Kontinente, und in praktisch allen Weltregionen wurden weitreichende Eindämmungsmassnahmen ergriffen: Schulen, Betriebe und Geschäfte wurden geschlossen, Reisen und Veranstaltungen stark eingeschränkt oder ganz verboten. In einigen Ländern wurden sogar Ausgangssperren verhängt.

Auch die Schweizer Wirtschaft war stark betroffen:[2] Das Sportevent-bereinigte Bruttoinlandprodukt (BIP) lag im zweiten Quartal 2020, auf dem Höhepunkt der Covid-Krise, um nahezu 8 Prozent tiefer als noch zwei Quartale zuvor. Mit der schrittweisen Lockerung der Eindämmungsmassnahmen erholte sich die Wirtschaft in der zweiten Jahreshälfte dann deutlich. Über das ganze Jahr 2020 ging das BIP der Schweiz um 2,2 Prozent zurück, ähnlich wie 2009 in der Finanzkrise (siehe Abbildung 1).

Die Treiber des Wirtschaftseinbruchs unterschieden sich allerdings deutlich von früheren Krisen. Praktisch gleichzeitig wirkten sich ein Angebotsschock (Begrenzung der Wirtschaftsaktivität) und ein Nachfrageschock (Nachfragerückgänge im Ausland und im Inland) auf die Wirtschaft aus. Angesichts der Geschäfts- und Betriebsschliessungen brachen die inländischen Konsumausgaben in historischem Ausmass ein. Allerdings wäre es sehr wahrscheinlich auch ohne inländische Massnahmen zur Eindämmung der Pandemie zu einem bedeutenden Wirtschaftseinbruch in der Schweiz gekommen.[3]

Abb. 1: Während der Corona-Krise brach das BIP ähnlich stark ein wie während der Finanzkrise 2009

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Anmerkungen: Real, saison- und Sportevent-bereinigtes BIP seit 1970.
Quellen: Bundesamt für Statistik (BFS) / Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) / Die Volkswirtschaft

Schweiz steht international gut da

Im internationalen Vergleich kam die Schweiz aber verhältnismässig gut durch diese schwierige Zeit. Der krisenbedingte Wertschöpfungsverlust, approximiert als Abweichung des effektiven BIP-Verlaufs von der letzten Vor-Krisen-Prognose des Internationalen Währungsfonds (IWF), betrug für die Schweiz im Jahr 2020 3,5 Prozentpunkte des BIP. In Österreich, Italien und Frankreich waren die Verluste mehr als doppelt so gross (siehe Abbildung 2). In Spanien und dem Vereinigten Königreich wurden sogar rund dreimal so grosse Verluste verzeichnet.

Auch die nachfolgende Erholung verlief in vielen Ländern deutlich schleppender als in der Schweiz, wie die im Sommer revidierten BIP-Zahlen bestätigen. Während hierzulande das zuvor erwartete BIP-Niveau bereits im Jahr 2021 wieder erreicht wurde, lag das BIP in vielen anderen Ländern damals noch deutlich unter dem BIP-Niveau, das vor Ausbruch der Pandemie erwartet worden war. Nur in wenigen Ländern wie zum Beispiel Dänemark war der so gemessene volkswirtschaftliche Verlust über die drei Jahre geringer als in der Schweiz.

Gründe für die geringere Betroffenheit der Schweizer Wirtschaft gibt es viele. Die stark einschränkenden Massnahmen zur Eindämmung der Pandemie dauerten beispielsweise kürzer und waren zudem weniger tiefgreifend als im Ausland. So wurden in der Schweiz im Frühjahr die Schulen, aber auch Geschäfte und Betriebe schneller wieder geöffnet, vor allem im Vergleich zu anderen europäischen Ländern. Auch ist die Branchenstruktur in der Schweiz günstiger: Der Tourismussektor, der besonders stark von der Corona-Krise und den Eindämmungsmassnahmen betroffen war, hatte mit rund 9 Prozent vor Ausbruch der Pandemie einen geringeren Anteil am BIP als beispielsweise in Österreich (15 Prozent).[4] Der Anteil der chemisch-pharmazeutischen Industrie ist in der Schweiz dagegen verhältnismässig gross. Diese entwickelte sich solide und hat so die Wirtschaftsentwicklung gestützt.

Die wirtschaftspolitischen Abfederungsmassnahmen dürften ebenfalls einen entscheidenden Einfluss gehabt haben.[5] Angesichts der schweren Krise nutzte der Bundesrat Notrecht und ergriff früh Massnahmen, um die betroffenen Betriebe und Personen rasch zu unterstützen. Der Zugang zur Kurzarbeit wurde erleichtert und ausgeweitet. Zudem wurden Liquiditätshilfe mit verbürgten Covid-Überbrückungskrediten eingeführt, wie auch der Corona-Erwerbsersatz, der Erwerbsausfälle bei Selbstständigen und Angestellten abfederte. Ziel der Massnahmen war es, die Liquidität von grundsätzlich finanziell soliden Unternehmen zu sichern sowie die Beschäftigung und die Kaufkraft zu stabilisieren.

Abb. 2: Der BIP-Verlust war in den Nachbarländern viel grösser

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Anmerkung: BIP-Verlust relativ zur Prognose von Oktober 2019.
Quellen: IWF (2024) / Die Volkswirtschaft

Kurzarbeit auf historischem Hoch

Angesichts des starken wirtschaftlichen Einbruchs und des vereinfachten Zugangs wurde die Kurzarbeitsentschädigung während der Pandemie in historisch einmaligem Umfang eingesetzt: Im April 2020 bezogen 1,3 Millionen Arbeitnehmende Kurzarbeitsentschädigung, rund ein Viertel der Beschäftigten in der Schweiz. Daneben erhielten im April 2020 rund 153’000 Erwerbstätige Corona-Erwerbsersatz, darunter 132’000 Selbstständige, also fast jeder zweite Selbstständige. Damit war die Schweiz nicht allein. Auch in vielen anderen Ländern wurde mit Kurzarbeit oder ähnlichen Massnahmen die Auswirkung der Krise auf den Arbeitsmarkt abgefedert. Die Ausgestaltung fiel aber je nach Land unterschiedlich aus. In den USA gibt es zum Beispiel nur in rund der Hälfte aller Bundesstaaten ein mit der Kurzarbeit vergleichbares Programm.[6]

Die Kurzarbeit half, Arbeitsplätze zu sichern.[7] Die Unternehmen konnten dadurch grosse Arbeitsausfälle, die sich aus den pandemiebedingten Einschränkungen, aus Lieferengpässen oder aus zu geringer Nachfrage ergaben, ausgleichen und mussten kaum Stellen abbauen. In der Schweiz sank die Beschäftigung in der ersten Jahreshälfte 2020 nur leicht und entwickelte sich bis Mitte 2021 stabil. Die Arbeitslosigkeit stieg zwar zu Beginn der Krise rasch an, blieb aber im Vergleich zu früheren Krisen moderat.

In den USA stieg dagegen die Arbeitslosigkeit im April sprunghaft um rund 10 Prozentpunkte auf 14,4 Prozent an, was auch darauf zurückzuführen ist, dass es dort keine gesetzlichen Kündigungsfristen gibt. Aber auch in Spanien, Italien und Österreich ging die Beschäftigung im Jahr 2020 trotz verbreitetem Einsatz von Kurzarbeit deutlich zurück. Dabei dürfte die grosse Bedeutung des Tourismussektors in diesen Ländern eine Rolle gespielt haben (siehe oben).

Massnahmen reduzierten Unsicherheit und sicherten Einkommen

Die Kurzarbeit legte – zusammen mit den anderen Abfederungsmassnahmen – das Fundament für eine rasche Erholung. Dabei waren die Regelungen in der Schweiz eher grosszügig. Von Kurzarbeit Betroffene erhielten 80 Prozent des Lohnausfalls, ähnlich viel wie in Österreich und Italien, aber mehr als in Spanien (70 Prozent) und in Deutschland (60 Prozent). Zudem wurde der Betrag für Personen mit geringen Einkommen auf 100 Prozent aufgestockt. Insgesamt haben sich die Pro-Kopf-Einkommen in der Schweiz damit während der Krise günstig entwickelt.[8]

Fast noch wichtiger war aber, dass über den Arbeitsplatzerhalt auch die enorme Unsicherheit gerade zu Beginn der Krise reduziert wurde. Hätten im März 2020 parallel viele Menschen ihre Kündigung erhalten, hätten sie ihre Ausgaben vermutlich auch dort reduziert, wo Konsum noch möglich war: beim Wohnen, beim Onlineshopping oder bei den Nahrungsmitteln. Die Nachfrage wäre noch stärker eingebrochen, die Unternehmen hätten grössere Verluste gemacht, und noch mehr Personen hätten ihre Stelle verloren.

Die wirtschaftlichen Abfederungsmassnahmen leisteten einen wichtigen Beitrag, eine sich selbst verstärkende Krise sowie grossflächige Entlassungs- und Konkurswellen zu verhindern. Sie ermöglichten eine schnelle Erholung der Volkswirtschaft. Insgesamt hat die Schweizer Wirtschaft die Corona-Krise schneller hinter sich gelassen als viele ihrer Haupthandelspartner.

  1. Dieser Artikel basiert auf dem Spezialthema «Schweizer Wirtschaft in der Corona-Pandemie» in den «Konjunkturtendenzen» Winter 2024/2025 (siehe Kasten). []
  2. Siehe Bundesrat (2024). []
  3. Siehe Kaiser et al. (2024). []
  4. Siehe Kemeny und Schmidt (2021). []
  5. Siehe Bundesrate (2024). []
  6. Siehe Winters (2023). []
  7. Siehe Felder et al (2023). []
  8. Siehe Schmidt (2024). []

Literaturverzeichnis

Bibliographie

Zitiervorschlag: Schmidt, Caroline (2024). Die Schweiz kam besser durch die Pandemie als viele andere Länder. Die Volkswirtschaft, 17. Dezember.

«Konjunkturtendenzen» Winter 2024/2025

Wirtschaftslage Schweiz – Im 3. Quartal 2024 verlangsamte sich das Wirtschaftswachstum der Schweiz (0,2 Prozent). Im Vergleich zu den unmittelbaren Nachbarländern ordnet sich das Resultat im Mittelfeld ein.

Konjunkturprognose – Für das Gesamtjahr 2024 rechnet die Expertengruppe mit einem Wachstum der Schweizer Wirtschaft von 0,9 Prozent. Im Jahr 2025 dürfte das Expansionstempo der Weltnachfrage aus Sicht der Schweiz im historischen Vergleich unterdurchschnittlich bleiben. Vor diesem Hintergrund revidiert die Expertengruppe ihre Prognose leicht nach unten (1,5 Prozent).

Weltwirtschaft – Die Weltwirtschaft wuchs im 3. Quartal 2024 erneut dynamisch. In vielen Ländern ging die Inflation im Herbst nochmals leicht zurück, die Kerninflation stieg hingegen teilweise sogar wieder an. Angesichts der tieferen Inflationszahlen und -aussichten haben viele Zentralbanken die Leitzinsen jüngst weiter gesenkt.

Exkurs: Unsicherheiten bezüglich der künftigen Handels- und Wirtschaftspolitik der USA – Im Wahlkampf und nach dem Wahlsieg der Republikaner wurden verschiedene Ankündigungen zur künftigen Handels- und Wirtschaftspolitik der USA gemacht. Genauere Abschätzungen zu den beschlossenen Massnahmen und deren Auswirkungen dürften erst im kommenden Halbjahr möglich werden. Aufgezeigt werden potenzielle Wirkungskanäle auf die Wirtschaft.

Spezialthema: Schweizer Wirtschaft in der Corona-Pandemie – Die Corona-Pandemie stürzte die Weltwirtschaft in die schärfste Krise seit dem Zweiten Weltkrieg. In diesem Spezialthema werden zentrale Erkenntnisse zu den Folgen der Corona-Krise auf die Schweizer Wirtschaft präsentiert.