Wie gross ist das Konjunkturrisiko Deutschland für die Schweiz?

Energieintensive Sektoren wie die Metallverarbeitung stehen wegen der hohen Energiepreise unter Druck. (Bild: Keystone)
Deutschland ist nach den USA der zweitwichtigste Abnehmer von Schweizer Gütern: Rund 16 Prozent aller Exporte gehen dorthin. Das Problem ist, dass die Gesamtwertschöpfung seit 2019 stagniert und sich in den letzten zwei Jahren sogar leicht rückläufig entwickelte. Besonders kleine Zulieferer aus der Schweiz spüren das.
Die Bauwirtschaft ist besonders betroffen. Hohe Zinsen, steigende Baukosten und viele regulatorische Vorschriften bremsen die Branche aus. Auch energieintensive Sektoren wie die Chemie oder die Metallverarbeitung geraten unter Druck. Viele Firmen verlagern aus Kostengründen die Produktion an Standorte mit tieferen Energiepreisen – beispielsweise in die USA oder nach Osteuropa.
Nur bedingt, denn Schweizer Zulieferer in die Rüstungsindustrie – sei es in Deutschland oder auch anderswo – haben seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs ohnehin gut gefüllte Auftragsbücher. Und bis die zusätzlichen Programme in Deutschland effektiv ausgelöst werden, dürfte es noch etwas dauern. Zudem könnten sie private Investitionsprojekte verdrängen, weil dann Arbeitskräfte und wegen höherer Zinsen auch die finanziellen Mittel dafür fehlen.
Gerade KMU in der Schweiz haben in schwierigen Phasen immer wieder bewiesen, dass sie sich gut behaupten können.
Das ist möglich. Wenn die schwache Konjunktur die Europäische Zentralbank zu aggressiveren Zinssenkungen zwingt, wird der Euro weniger attraktiv. Dann könnte der Franken im Vergleich an Wert gewinnen.
Ja. Die Inflation liegt in Deutschland inzwischen nur noch knapp über 2 Prozent, nachdem sie während des Energiepreisschocks im Jahr 2022 noch bei 12 Prozent gewesen ist. In der Schweiz ist die Teuerung inzwischen gar auf 0,3 Prozent gefallen. Sowohl die Schweizerische Nationalbank wie auch die Europäische Zentralbank haben deshalb bereits seit Mitte letztem Jahr ihren Leitzins deutlich senken können.
Viele Firmen im DAX erzielen einen überwiegenden Teil ihrer Gewinne im Ausland. Dort ist das Wachstum oftmals noch solid. Deshalb kann es sein, dass die heimische Wirtschaft kränkelt, der Leitindex mit den globalen Konzernen sich aber hervorragend entwickelt. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den grossen Schweizer Unternehmen im SMI.
Ja, denn die gute Aktienmarktperformance bei den globalen Grosskonzernen kann die schwierige Geschäftslage bei den kleineren Firmen im Binnenmarkt überdecken. Auch wenn man das als Risiko sehen kann – gerade KMU in der Schweiz haben in schwierigen Phasen immer wieder bewiesen, dass sie sich gut behaupten können.
Interview: «Die Volkswirtschaft»
Zitiervorschlag: Nachgefragt bei Daniel Kalt, UBS (2025). Wie gross ist das Konjunkturrisiko Deutschland für die Schweiz? Die Volkswirtschaft, 24. April.
Daniel Kalt ist Chefökonom bei der UBS